lrike Eifler: »Neoliberale Globalisierung und die Arbeiterbewegung in China«, Ibidem-Verlag 2007, 180 Seiten, 24,90 Euro
Von Sarah Nagel
Seitdem die chinesische Wirtschaft außerordentlich hohe Wachstumsraten um die zehn Prozent jährlich verzeichnet, wird auch hier viel über das Land berichtet: Über die Kommunistische Partei, die mit allen Mitteln versucht, an der Macht zu bleiben, über die Unterdrückung von Minderheiten oder die mangelnde Demokratisierung der chinesischen Gesellschaft. Selten stehen jedoch die Arbeiter im Mittelpunkt, die durch überlange Arbeitszeiten bei Niedriglöhnen und fast ohne soziale Absicherung den Wirtschaftsboom erst möglich machen. Die Sinologin Ulrike Eifler liefert mit ihrem Buch einen tieferen Einblick in das Leben chinesischer Arbeiter, das sich in den letzten Jahrzehnten radikal verändert hat.
Durch die Reformen von 1979, als die landwirtschaftliche Produktion privatisiert wurde und die Produktion dadurch anstieg, sind 200 Millionen Menschen nicht mehr in der Landwirtschaft tätig. Sie bilden heute eine neue Arbeiterklasse. Sie stellen für 13 Cent pro Stunde für den Konzern Wal-mart Handtaschen her, produzieren Handys, Turnschuhe, Spielzeug oder Fernseher. Besonders in Sonderwirtschaftszonen wie Shenzhen wird die gesetzliche Arbeitszeit von 40 Stunden pro Woche nicht eingehalten, Überstunden nicht ausgezahlt und die Sicherheit am Arbeitsplatz wird vernachlässigt.
In den maroden Staatsbetrieben sieht es nicht viel besser aus. Durch ihren technologischen Rückstand gegenüber westlichen Unternehmen schreiben sie rote Zahlen und zahlen Löhne nicht aus, ebenso wenig Sozialabgaben und Überstunden.
Das größte Problem bleibt jedoch die Arbeitslosigkeit. Wer in China den Job verliert, verliert damit auch jegliche soziale Sicherheit. Für Krankenversicherung und Rente sind die Unternehmen verantwortlich, bei denen die Arbeiter früher lebenslang eingestellt waren. Jetzt gibt es meist befristete Arbeitsverträge, was zu einer Prekarisierung der Menschen führt. Oft gilt deshalb das Motto „Eine Familie, zwei Systeme«: Ein Familienmitglied arbeitet für einen privaten Konzern, ein anderes weiterhin für einen staatlichen, um die Absicherung nicht zu verlieren.
„Überall, wo es Staatsbetriebe gibt, kommt es zu Auseinandersetzungen«, erzählt der chinesische Linke Han Dongfang. Denn die chinesischen Arbeiter beginnen, sich gegen die Zustände zu wehren.
Im Jahr 2004 organisierten sie 74.000 Proteste, 2005 waren es schon 87.000. Mittlerweile genügen schon kleinste Anlässe, um Tausende auf die Straße zu bringen. Die Arbeiter sind besser organisiert, koordinieren ihre Proteste auch über die Grenzen der Unternehmen hinweg, gründen neue Gewerkschaften und sind in ihren Forderungen politischer, als sie es noch vor einigen Jahren waren. Damit werden sie zum sprichwörtlichen Pulverfass für die Regierung.
Ulrike Eifler erklärt zudem, wie die Globalisierung China verändert hat. Die Umstrukturierung hat nicht erst im Jahr 1979 mit der wirtschaftlichen Öffnung des Landes begonnen, sondern schon wesentlich früher – parallel zu den weltweiten Veränderungen, welche die globaler werdenden Märkte verursachten. Die chinesische Politik wird heute konkret von ausländischen Konzernen mitbestimmt. Als im Jahr 2005 ein Gesetzesentwurf veröffentlicht wurde, der eine Verbesserung der Situation von Arbeitern bedeutet hätte, erhielt die Regierung Antworten von 200.000 Unternehmen, die um ihre Profite fürchteten. Der Entwurf wurde dann nur in einer verwässerten Form verabschiedet.
„Neoliberale Globalisierung und die Arbeiterbewegung in China« bietet einen guten Überblick über die Geschichte der chinesischen Arbeiterbewegung, die heutige Situation und die Perspektiven einer neuen chinesischen Linken. Es ist für alle Leser spannend, die sich tiefer mit China beschäftigen wollen – aber auch für alle, die das schon getan haben, denn es bietet eine seltene Perspektive.
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