Mit der dritten Asylrechtsverschärfung in Folge gibt die Bundesregierung all jenen Recht, die behaupten Geflüchtete seien das Problem. Davon profitiert vor allem die AfD. Ein Kommentar von Daniel Morteza
Am Donnerstag wurde das »Asylpaket II« im Bundestag verabschiedet und gestern stimmte auch der Bundesrat dem Gesetz zu. Die Große Koalition hat es damit geschafft, das ohnehin schon ausgehöhlte Asylrecht in nur anderthalb Jahren ganze drei Mal zu verschärfen und sich im Zuge der sogenannten Flüchtlingskrise erneut durch Angriffe auf Geflüchtete zu profilieren. Wie ein schlechter Witz wirken da die Überreste der Willkommensrhetorik aus den Reihen der Bundesregierung.
Die Verlierer der schwarz-roten Asylpolitik stehen fest: In erster Linie natürlich Geflüchtete, deren bescheidene Rechte nun ein weiteres Mal beschnitten werden: Wiedereinführung der Residenzpflicht (d.h. konkret: Einschränkung der Bewegungsfreiheit), Sach- statt Geldleistungen, Begrenzung der Familiennachzuges, keine Verbesserungen für Frauen und Kinder in Asylbewerberheimen und eine ganze Palette an neuen sicheren Herkunftsdiktaturen. Verlierer sind auch all diejenigen, an deren Niedriglöhnen, Hungerrenten, befristeter Beschäftigung und unsicherer Zukunft sich auch durch diese Asylrechtsverschärfung – man staune! – rein gar nichts ändern wird.
Die Liste der Verlierer ist also lang. Der hauptsächliche Sieger ist hingegen schnell ausgemacht: Es ist kein geringerer als die AfD. Diese hat wiederholt und eindrücklich unter Beweis gestellt, welchen Einfluss sie als außerparlamentarische Kraft schon jetzt besitzt – ohne mit einem einzigen Abgeordneten im Bundestag vertreten zu sein. Bundesweit kommt sie mittlerweile auf zweistellige Umfrageergebnisse und im März droht sie in drei weitere Landtage einzuziehen.
Die verlogene Politik von SPD und Grünen
Beginnen muss man jegliche Bewertung der vergangenen Ereignisse eigentlich mit der Feststellung, dass die SPD es immer wieder schafft, ihr sagenhaft niedriges politisches Niveau noch weiter zu unterbieten. Wir erinnern uns an die Auftritte von SPD-Politikern in Talkshows und Parlamenten, auf Parteitagen und Versammlungen, wo es immer wieder hieß, dass man der rechten Hetze von Union und AfD etwas entgegensetzen müsse und Flüchtlinge nicht zu Sündenböcken machen dürfe. Wir erinnern uns beispielsweise an den Auftritt von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD), der im Fernsehen und bei Twitter gegen den Scharfmacher der AfD Björn Höcke zu Felde zog. Wir erinnern uns an Gabriel, der den rechten Mob von Heidenau zu Recht als »Pack« bezeichnete.
Doch trotz der markigen Worte stimmt die SPD-Fraktion im Bundestag wieder einmal einer Asylrechtsverschärfung zu. Die SPD sollte sich in Zukunft mit Lippenbekenntnissen zum Asylrecht und ihrer gespielten Aufregung über Horst Seehofer, mit dessen CSU sie seit 2013 wie selbstverständlich am Kabinettstisch sitzt, lieber zurückhalten. Das einzig Positive, was man dem Abstimmungsverhalten der SPD noch entnehmen kann, ist die Tatsache, dass dieses Mal immerhin dreißig SPD-Abgeordnete gegen die Mehrheitslinie ihrer Fraktion stimmten, während es beim letzten Mal nur eine einzige Stimme war.
Und auch die Grünen, die sich gerne als Stimme von Toleranz und Weltoffenheit präsentieren, dürfen nicht ungeschoren davonkommen. Auch wenn die grüne Bundestagsfraktion geschlossen gegen das Asylpaket stimmte, winkten die Grünen im Bundesrat erneut die Asylverschärfungen der Regierung durch. Besonders bitter: Das grün-rot regierte Baden-Württemberg unter Winfried Kretschmann hätte mehr als einmal die Gelegenheit gehabt, ein asylfeindliches Gesetz gänzlich zu Fall zu bringen. Auch der grüne Oberbürgermeister aus Tübingen, Bors Palmer, hat längst AfD-Rhetorik übernommen und präsentiert im Wochentakt einen neuen aberwitzigen Vorschlag, wie man Flüchtlinge an der Einreise in die BRD hindern könne. Konsequenzen für Kretschmann und seinesgleichen: Keine. Mehr als halbherzige Distanzierungen vonseiten der Parteispitze sind wohl nicht drin.
Die AfD bestimmt den Ton
Es ist die AfD, die die Politik der letzten Monate prägt. Sie bestimmt, worüber in Politik und Medien geredet wird – und wie darüber geredet wird. Es ist in mehrfacher Hinsicht skurril: Union und SPD würden zwar niemals öffentlich sagen, dass sie mit ihrer Politik der immer neuen Asylrechtsverschärfungen, der immer neuen Diskussionen um Obergrenzen und Grenzschließungen und der immer neuen Qualität sozialchauvinistischer Äußerungen voll und ganz dem Forderungskatalog der AfD nachgeben und deren Programm in die Tat umsetzen. Und dennoch weiß jeder, dass genau das geschieht.
Sie sprechen davon, dass sie die Ängste der Bürger ernst nehmen und in Deutschland wieder Recht und Ordnung durchsetzen wollen. Mit den »Ängsten der Bürger« sind aber selbstverständlich nicht die Ängste vor sozialem Abstieg, vor Arbeitslosigkeit, niedrigen Löhnen oder unbezahlbaren Mieten gemeint, sondern das, was Petry und Co. als Ängste der Bürger ausgeben und eigentlich nur die Angst einer Minderheit widerspiegelt: Rassismus, Islamfeindlichkeit, Angst vor Überfremdung oder lüsternen Muslimen, die über deutsche Frauen herfallen.
Dennoch: Union und SPD zu unterstellen, sie seien nur Getriebene und würden durch ihre Politik nur die Interessen der AfD bedienen, wäre ein Trugschluss. Die Sorgen der Bürger und das Erstarken der AfD sind lediglich das Feigenblatt des politischen Mainstream für die Erfüllung einer Politik, die ganz und gar in seinem eigenen Sinne ist. Der politische Mainstream will nach rechts – wohin auch sonst, denn bewegen muss er sich, wenn Unzufriedenheit und Angst weiter zunehmen. Es ist ihm genehm, wenn im Zuge der sogenannten Flüchtlingskrise nur darüber gesprochen wird, wie man Geflüchtete am effektivsten zu Sündenböcken erklären kann, anstatt über soziale Ursachen von Armut, Wohnungsmangel, Mietenexplosion und Massenflucht zu reden. Es ist ihm genehm, wenn er mit Verweis auf eine erhöhte Terrorgefahr durch Flüchtlinge aus dem Nahen Osten die Sicherheitsgesetze verschärfen kann. Und erst recht ist es ihm genehm, wenn er Sozialleistungen für diejenigen, die sie am dringendsten bräuchten, kürzen und dann voller Inbrunst vor die Öffentlichkeit treten und die eigene politische Entschlossenheit verkünden kann. Die AfD verschiebt den politischen Diskurs massiv nach rechts – das ist den anderen Parteien nur recht.
Rechte und Faschisten auf dem Vormarsch in Europa
Ähnliches geschieht übrigens in allen europäischen Ländern, wo sich unter den Augen des tatenlosen politischen Mainstreams neue Rechtsparteien auf einem zweistelligen Niveau – teilweise sogar als zweitstärkste politische Kraft – etablieren konnten. In Österreich bestimmt längst Heinz-Christian Straches FPÖ den Ton in der Politik. In Frankreich ist es kein geringer als der »sozialistische« Staatspräsident Francois Hollande, der die Anschläge von Paris und das Gegröle der Faschistin Marine Le Pen geschickt dazu genutzt hat, Muslime zu Staatsbürgern zweiter Klasse zu degradieren, die Einwanderung nach Frankreich nahezu komplett zu unterbinden und das Land durch das Mittel des permanenten Ausnahmezustandes in eine bonapartistische Halbdiktatur zu führen – bisher fehlt nur noch der charismatische Bonparte, aber Marine Le Pen steht längst in den Startlöchern.
Wir erinnern uns fünf Jahre zurück, als Hollande im Wahlkampf den Finanzmärkten den Kampf ansagte, eine Abkehr der neoliberalen Austeritätspolitik ankündigte und die bürgerliche Presse vor Angst zitterte. Davon ist heute nichts mehr zu spüren. Alles, was vonseiten der französischen Politik zu vernehmen war, hatte in irgendeiner Weise mit Rassismus, Ausgrenzung und verbalen Entgleisungen von Spitzenpolitikern zu tun. Unfähige und unbeliebte Regierungschefs, versuchen ihre soziale Misserfolgsbilanz dadurch auszugleichen, dass sie Grenzen dichtmachen und unter großem Getöse Massenabschiebungen von Roma durchführen oder der Öffentlichkeit die Festnahme von Salafisten präsentieren.
Ein Blick auf das europäische Ausland zeigt: Wo sich eine Rechtsaußen-Partei dauerhaft etabliert hat, sind die anderen Parteien, wenn sie der rechten Hetze nichts entgegensetzen, nur Getriebene und lassen sich bereitwillig die Politik diktieren, getreu dem Motto: »Wir können gar nicht anders, sonst werden die Rechten ja noch stärker.« Kapitalistische Parteien sind darauf angewiesen, für die Folgen ihrer Politik einen Schuldigen zu finden und von sozialen Problemen abzulenken. Gäbe es keinen Rassismus, gäbe es mit Einwanderern, Flüchtlingen, Muslimen, Juden, Homosexuellen, Frauen, die abgetrieben haben, und Frauen, die ihr Leben nicht am Herd fristen wollen, nicht ein Feindbild, dem man die Schuld für alles Schlechte in die Schuhe schieben könnte – die Ausgebeuteten könnten ja am Ende des Tages noch auf die Idee kommen, sich gegen ihre wahren Feinde zu wenden.
Breiter und entschlossener Widerstand gegen die AfD
Die weitere Asylrechtsverschärfung durch das »Asylpaket II« gibt erneut denjenigen Recht, die behaupten Geflüchtete seien das Problem. Das treibt die AfD in neue Höhen, was wiederum zu einer Dynamik führen könnte, die auch die etablierten Parteien irgendwann nicht mehr kontrollieren können. Bei jeder Wahlkampfveranstaltung und bei ihren Auftritten in sozialen Medien prahlt die AfD damit, dass die anderen Parteien, namentlich die Union, ihr Parteiprogramm übernommen hätte. Wahrscheinlich ist das der einzig wahre Satz, der jemals aus dem Mund eines AfD-Politikers kam.
Auch wenn die Regierungen mit den Rechtsaußen-Parteien einen weiten Weg gemeinsamen gehen können, werden diese nicht plötzlich haltmachen, wenn es Merkel, Hollande und Co. dann doch irgendwann zu weit geht. Die Geister, die man ruft, wird man eben nicht mehr los. Und auch wenn man der SPD-Führung gar nicht oft und heftig genug Zynismus, Täuschung und Verrat vorwerfen kann, so kann man stark davon ausgehen, dass es in der SPD-Basis und –Wählerschaft, ebenso wie bei den Grünen, das starke Bedürfnis gibt, dem Anwachsen der AfD endlich etwas entgegenzusetzen. Hier gilt es für DIE LINKE anzusetzen, um möglichst breiten Widerstand gegen die AfD aufzubauen, die auf dem besten Weg ist sich in eine faschistische Partei zu entwickeln, und gleichzeitig die Parteiführungen von SPD und Grünen unter Druck zu setzen. Merkel ist furchtbar, Gabriel ist furchtbar, Kretschmann ist furchtbar, aber gegen Petry, Höcke und Gauland sind sie noch lammfromm.
Foto: JamesReaFotos
Schlagwörter: AfD, Alternative für Deutschland, Asylrecht, Asylrechtsverschärfung, Bundesregierung, CDU, Faschisten, Flüchtlinge, Geflüchtete, Grüne, Höcke, Hollande, Inland, Kretschmann, Le Pen, Merkel, Rassismus, Rassisten, Rechtspopulismus, Seehofer, SPD