Die Linke im Baskenland wird vor allem mit den Anschlägen der ETA in Verbindung gebracht. Raul Zelik zeigt in seinem neuen Buch, dass sich ein genauerer Blick lohnt. Florian Wilde hat es für uns gelesen
»In keiner anderen westeuropäischen Region hat es nach 1975 so starke und vielfältige Massenkämpfe gegeben wie im Baskenland, nirgends sonst war die staatliche Repression so massiv und das Geflecht aus sozialen Bewegungen und linken Organisationen so dicht«, schreibt Raul Zelik in seinem neuen Buch über »Die Linke im Baskenland«. Das LINKE-Vorstandsmitglied zeichnet darin zunächst die Geschichte des Widerstands im Baskenland nach und diskutiert dann die Frage, wie sich die dortige Linke mit ihrer Alltags- und Organisierungsarbeit so stark und nachhaltig in der Gesellschaft verankern konnte. Denn der Bewegung für ein unabhängiges und sozialistisches Baskenland gelang es, ein Netzaus radikalen Gewerkschaften, sozialen Zentren, Unterstützungskomitees für die baskischen politischen Gefangenen und Organisationen der internationalen Solidarität aufzubauen. Sie »bildete ein Amalgam aus Alltagskultur, sozialen Forderungen, politischen Kämpfen und klandestiner Widerstandspraxis heraus«, auf das sich die Linke bis heute stützen kann.
Linke Hochburgen im Baskenland
Die Unabhängigkeitslinke – die auch in den Jahren des bewaffneten Kampfes der ETA bei Regionalwahlen kontinuierlich Ergebnisse von um die 15 Prozent erzielte – konnte sich seit dem Ende der bewaffneten Aktionen 2011 auf bis zu 25 Prozent der Stimmen steigern.
Die linksradikalen Hochburgen liegen dabei nicht in den großen Städten, sondern in den Kleinstädten und Dörfern. »So ist es heute nicht ungewöhnlich, am Ortseingang eines Bauerndorfs auf ein Schild mit der Aufschrift ›sexistische, homo- und transphobe Verhaltensweisen werden hier nicht akzeptiert‹ zu stoßen oder Kinder aus den Flüchtlingslagern der West-Sahara zu treffen, die hier die Sommermonate bei einer baskischen Gastfamilie verbringen.«
Eine dieser Hochburgen ist die 2000-Seelen-Gemeinde Leitza: »Am Ortseingang prangt ein großes Wandgemälde mit einer kurdischen Widerstandskämpferin, an der Hauptstraße hängen Transparente, die Solidarität mit einem Arbeitskampf in einer der örtlichen Fabriken einfordern, auf dem Hauptplatz steht in großen Lettern ›Sozialismoa‹, und die wichtigste Kneipe im Dorf ist die Herriko Taberna, das soziale Zentrum der Unabhängigkeitslinken. Die Wahlergebnisse sind nicht die Ursache dieser Situation, spiegeln sie aber wider. Bei den Gemeinderatswahlen 2019 kam das Linksbündnis EH Bildu auf 82 Prozent.«
»In Opposition zu den Verhältnissen«
Anders als fast überall sonst in Europa führte die Beteiligung an kommunalen und regionalen Regierungen nicht zu einer Schwächung. Für Zelik liegt der entscheidende Grund darin, dass die baskische Linke »in Opposition zu den Verhältnissen blieb.« Parlamentarismus und Regierungslogik konnten zumindest bisher nicht dominieren, weil das Selbstverständnis immer schon der Kampf innerhalb, außerhalb und gegen die Institutionen war. »Nicht Parlamentsfraktionen und Regierungsarbeit, sondern lokale Selbstorganisierung, Bewegungen, Massenorganisationen und Gewerkschaften wurden als eigentlicher Motor der Veränderung verstanden.«
Kollektive Strukturen bestimmen die Bewegung, einen Promi-Kult gibt es nicht. Zentral für diesen erfolgreichen Ansatz ist für Zelik, dass »nicht nur Parlamente und Talkshows, sondern die eigene Straße und das eigene Dorf als Orte des politischen Konfliktes erkannt werden.« Eine Erkenntnis, die man auch der LINKEN wünschen möchte.
Das Buch:
Raul Zelik
Die Linke im Baskenland: Eine Einführung
Mandelbaum Verlag
Wien 2019
144 Seiten
12 Euro
Schlagwörter: Baskenland, Bücher, Spanien