Seit Gründung der LINKEN sind diverse Bücher über die neue Partei erschienen. Stefan Bornost stellt einige davon vor.
Nichts ist erfolgreicher als der Erfolg. Die erst 2007 gegründete Partei DIE LINKE ist mittlerweile sowohl auf Bundes- als auch auf Länderebene ein etablierter Faktor in der deutschen Politik. Gravierende Niederlagen sind bislang ausgeblieben und sie kann von sich behaupten, trotz ihrer Oppositionsrolle (mit Ausnahme von Berlin und Brandenburg) einen großen Einfluss auf die Bundespolitik auszuüben.
Doch was für eine Partei ist sie eigentlich? Und was macht ihren Erfolg aus? Bücher zur LINKEN gibt es mittlerweile viele, gute jedoch wenige. Einige davon werden im Folgenden vorgestellt, angefangen mit den konservativen Pamphleten in Buchform, endend mit einigen wirklich lesenswerten Werken.
Wer ist DIE LINKE? Für die konservativen und antikommunistischen Kanzelprediger ist die Sache ausgemacht: im Wesentlichen eine Bande von ehemaligen SED-Apparatschiks, die sich unter dem Deckmantel der Erneuerung und durch geschickte Westausdehnung über die ehemalige WASG wieder in die Politik einschleichen und sukzessive die liberale Ordnung der Bundesrepublik aushöhlen.
Für diese Sichtweise in der Tradition der Totalitarismustheorie, die in radikaler linker Politik den Zwillingsbruder des Rechtsextremismus sieht, steht das Buch der Chemnitzer Politologen Eckhard Jesse und Jürgen P. Lang »Die Linke – der smarte Extremismus einer deutschen Partei«. Auch das Werk des Leiters der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen, Hubertus Knabe, »Honeckers Erben. Die Wahrheit über Die Linke«, schlägt in dieselbe Kerbe.
Wer an einer ernsthaften Auseinandersetzung mit linker Politik interessiert ist, erfährt wenig Gehaltvolles, dafür viele antikommunistische Ressentiments. Gleichwohl sind auch in solchen beim Lesen oft unerträglichen Büchern, in denen hinter jeder linker Politik diktatorische Zielsetzungen vermutet werden, wichtige Warnungen enthalten. Denn tatsächlich üben auch in der Partei DIE LINKE einige Gestalten Einfluss aus, die nicht unbedingt für Freiheit und Demokratie stehen. Gerade im Landesverband Brandenburg hat sich eine Reihe von Stasi-Leuten bequem eingerichtet, deren Biografien einige Schauerlichkeiten enthalten.
Deutlich entspannter geht es in dem Buch »Die linke Versuchung. Wohin steuert die SPD?« zu. Die ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete Elke Leonhard und ihr Mann, der Publizist Wolfgang Leonhard, befassen sich darin mit den Perspektiven der SPD. Der Titel ist jedoch ein wenig irreführend, denn das Buch behandelt in den ersten zwei Dritteln die Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung und ihre Spaltung in einen sozialdemokratischen und einen kommunistischen Flügel. Das ist alles flüssig und gut geschrieben, aber im Wesentlichen ebenfalls ein abwägender und – soweit das möglich ist – liberal argumentierender Antikommunismus. DIE LINKE wird als Partei dargestellt, die sich noch nicht hinreichend vom Stalinismus verabschiedet hat. Aber vor allem wird sie als Partei kritisiert, die die »Sachzwänge« der modernen Welt nicht verstanden hat und deshalb für die SPD nicht als Koalitionspartner infrage kommt. Wie kann man nur die Agenda 2010 ablehnen, wo »klar war: Das Land braucht Reformen.« Das Ziel der Agenda 2010 war es ja, »den Menschen zu ermöglichen, aus eigener Kraft ein Einkommen zu erwirtschaften, das sie in die Lage versetzte, ihr Leben zu finanzieren.«
Gab es vielleicht in Deutschland noch eine zweite, heimlich durchgeführte Agenda 2010, von der wir alle nichts mitbekommen haben? Absurd wird es bei der Frage der Außenpolitik: Die Leonhards klagen darüber, dass DIE LINKE »internationalen Organisationen« wie der NATO ablehnend gegenüberstehe. Freilich diskutieren sie nicht, dass die internationale Organisation NATO sich ein wenig vom UN-Kinderhilfswerk unterscheidet. Auch ihre Klage, dass DIE LINKE die Bundeswehr auf die Größe der Reichswehr zu Zeiten der Weimarer Republik verkleinern möchte, lässt den Leser sich fragen, ob die Aufrüstung nach dem Ende der Weimarer Republik tatsächlich ein Beitrag zum internationalen Frieden war.
Im Grunde sagen sie, die SPD solle selbstbewusst und innerparteilich besser aufgestellt ihren Weg weitergehen. Die SPD, nicht DIE LINKE, habe historisch gesiegt. Sie solle an der Agenda 2010 und der außenpolitischen Beteiligung an den so genannten friedenssichernden Missionen festhalten. Nur wenn DIE LINKE sich dem annähere, stelle sie eine Koalitionsoption für die SPD dar. So weit, so klar: Nur, wenn DIE LINKE exakt dieselben Fehler wie die SPD begeht und Franz Müntefering zu ihrem Ehrenvorsitzenden beruft, kommt sie für die SPD in Frage.
Geht es nach dem DKP-nahen ehemaligen Marburger Professor Georg Fülberth, wird dies schon bald der Fall sein. Denn DIE LINKE ist in seiner Sicht nichts anderes als »die zweite (neo-)sozialdemokratische Partei«. Und deshalb sei auch von ihr nichts Gutes zu erwarten. DIE LINKE ist für ihn kein Akteur, der den Widerstand stärkt und die Widersprüche zuspitzt. Letztlich werde durch sie die Fähigkeit des Kapitalismus, »auf innere Verwerfungen zu reagieren«, gestärkt.
Auch wenn Fülberths Analyse immer wieder auf diesen Fluchtpunkt zusteuert, ist das Buch durchaus lesenswert. Es ist schmissig, polemisch und zuweilen witzig geschrieben und unterzieht DIE LINKE einer Kritik von links. Oftmals geschieht dies unter genau den entgegengesetzten Vorzeichen als im Buch von Elke und Wolfgang Leonard. Denn Fülberth schildert nüchtern, wie in der LINKEN und ihren Vorgängerorganisationen PDS und WASG Kommunisten an den Rand gedrängt wurden und damit der Pluralität der Partei kein Gefallen getan wurde. Leider versäumt er, die mangelnde strategische Integrationsfähigkeit und Innovationsfähigkeit einiger dieser Kommunisten zu analysieren: Dass sie (wie auch der ihnen nahestehende Fülberth) nicht verstanden hatten, welch ungeheurer Fortschritt in der Gründung der LINKEN steckt und dass viele der neuen Aktivistinnen und Aktivisten in ihrer Einheit das größere Verdienst als in der programmatischen Klarheit sahen.
Fülberths Stärken sind da, wo er die Krise der SPD seziert und die Klassenverhältnisse im politischen System analysiert. Schwach wird er immer dort, wo er die historische Bedeutung der LINKEN analysiert. So sieht er im Parteiwechsel von führenden Politikern aus der SPD zu der LINKEN bloß »Vorgänge innerhalb der politischen Klasse« anstatt sie als das zu betrachten, was sie sind: im Parlamentarismus fortgesetzter Klassenkampf. Fülberth kann auch keine Parallelen zur Spaltung der SPD 1917 in USPD und MSPD erkennen, weil die Spaltung des sozialdemokratischen Potenzials ausgeblieben sei. Leider – und das zeigt auch ein Blick in die Literaturliste – zeigt sich hier abermals, dass Fülberths Sache die Empirie nicht ist. Für eine grundlegende Auseinandersetzung hätte es einer sorgfältigeren Sichtung von Daten und historischen Debatten bedurft, aber wozu sollte Fülberth das tun, denn sein Urteil stand schon von der ersten Seite an buchstäblich fest.
Als das beste Buch über DIE LINKE – und dies keineswegs ironisch, sondern völlig ernst gemeint – lobt FAZ-Redakteurin Mechthild Küpper regelmäßig das Buch des stellvertretenden Chefredakteurs der Tageszeitung »Neues Deutschland«, Wolfgang Hübner, und des ehemaligen ND-Redakteurs und mittlerweile zur Wochenzeitschrift »Der Freitag« gewechselten Tom Strohschneider. Was haben Hübner und Strohschneider nun falsch gemacht, ein Lob von solcher Seite für ihr Buch »Lafontaines Linke. Ein Rettungsboot für den Sozialismus?« zu bekommen? Nichts, denn das Buch ist schlichtweg gut und zusammen mit dem bereits in dieser Zeitschrift besprochenen »Die Linkspartei. Zeitgemäße Idee oder Bündnis ohne Zukunft?« von Tim Spier und weiteren Autoren tatsächlich das beste Buch über DIE LINKE. Inhaltlich und analytisch unterscheiden sich beide Bücher nur in Nuancen. Leser, die eher eine wissenschaftliche Erörterung bevorzugen, sollten den Band von Spier u.a. zur Hand nehmen. Leser, die hingegen ein weniger wissenschaftliches, dafür eingängiges und journalistische wie publizistische Elemente glänzend zusammenführendes Buch suchen, sollten zu dem von Hübner und Strohschneider greifen.
In »Lafontaines Linke« wird zunächst ähnlich wie in dem Buch von Fülberth das Scheitern der Westausdehnung der ehemaligen PDS und die Krise der SPD beschrieben. Anders als bei Fülberth sind die Urteile zwar weniger pointiert, aber die Beschreibung der Entwicklung ist so präzise und anschaulich, dass der Leser in die Lage versetzt wird, selbst zu deuten und zu urteilen. Spannend wie ein Kriminalroman liest sich die Beschreibung des Abspaltungsprozesses in der SPD, Lafontaines Wiederkehr und die mitunter verschlungenen Pfade der Parteifusion. Wie der Titel des Buches bereits andeutet, gehen Hübner und Strohschneider auch auf die besondere Bedeutung Oskar Lafontaines für den Erfolg der LINKEN ein. Dabei zeigen sie, wie Lafontaine zum nachhaltigen Aufschwung der Partei beigetragen hat, ohne die kritische Distanz zu ihm zu verlieren. Ihre begriffliche Beschreibung Lafontaines als »strategischer Populist«, dem es im Kern um die (gerechte) Sache geht, der sich aber auch nicht scheut, eine populistische Ansprache dort einzusetzen, wo die Grenzen linker Aufklärung verlaufen, ist eine treffende Charakterisierung.
Überhaupt, indem Strohschneider und Hübner einige der Protagonisten der LINKEN auch in ihrer Persönlichkeit, in ihren Wendungen zeichnen, wird deutlich, wie politische Ambitionen und Einstellungen zusammengehen. Sie haben dabei klar vor Augen, dass es sowohl bei den Spitzenakteuren als auch bei den gut nachgezeichneten politischen Strömungen in der Partei immer auch um Machtpositionen geht. Aber Macht ist eben nicht der einzige Antrieb der Politik. Auch hier unterscheiden sich die beiden Autoren von den Einschätzungen der Mainstreammedien und der Wissenschaft, die stets persönliche Ambitionen oder gar Rachegelüste im Spiel sehen. Strohschneider und Hübner arbeiten die persönlichen Motivationen der Akteure immer heraus, trauen ihnen aber jeweils auch genuin politisches Interesse zu. Sie erkennen, dass viele – und besonders Lafontaine – sich infolge der Politik der SPD tatsächlich nach links bewegt haben und eben nicht nur auf Grund mangelnder Karrierechancen in der SPD die Partei wechselten.
Gut beschrieben sind sowohl die einzelnen Strömungen als auch die programmatischen Auseinandersetzungen in der Partei. Die Regierungssozialisten aus dem Osten, die Befürworter des Grundeinkommens, die Gewerkschafter aus dem Westen, die ehemaligen Sozialdemokraten und die Antikapitalisten – alle werden mit wohlwollender Distanz analysiert. Nur eins vermag das Buch nicht: die Frage im Untertitel, »Ein Rettungsboot für den Sozialismus?«, zu beantworten. Aber wer kann das schon derzeit? Man muss sich selbst ein Bild machen. Zum Beispiel, indem man den hervorragenden Blog von Strohschneider und Hübner (www.lafontaines-linke.de) und die Zeitschrift marx21 liest. Da weiß man, was in der Partei geschieht, und bekommt Argumente für einen Sozialismus von unten.
Die Bücher:
- Wolfgang Hübner, Tom Strohschneider: »Lafontaines Linke. Ein Rettungsboot für den Sozialismus?«, Dietz, Berlin 2007, 287 Seiten, 14,90 Euro
- Tim Spier, Felix Butzlaff, Matthias Micus, Franz Walter (Hrsg.): »Die Linkspartei. Zeitgemäße Idee oder Bündnis ohne Zukunft?«, VS Verlag, Wiesbaden 2007, 345 Seiten, 29,95 Euro
- Georg Fülberth »Doch wenn sich die Dinge ändern – DIE LINKE«, Papyrossa, Köln 2008, 175 Seiten, 12,90 Euro
- Elke Leonhard, Wolfgang Leonhard: »Die linke Versuchung. Wohin steuert die SPD?«, edition q im be.bra verlag, Berlin 2009, 192 Seiten, 19,90 Euro
- Hubertus Knabe: »Honeckers Erben. Die Wahrheit über DIE LINKE«, Propyläen Verlag, Berlin 2009, 447 Seiten, 22,90 Euro
- Eckhard Jesse, Jürgen P. Lang: »DIE LINKE – der smarte Extremismus einer deutschen Partei«, Olzog Verlag, München 2009, 288 Seiten, 24,90 Euro
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