Seit zehn Jahren engagieren sich die LINKE-Minister in Brandenburg mehr für Kohleabbau als für Klimaschutz. Es ist an der Zeit, die Seiten zu wechseln, meint Hannes Maerker
Seit 2009 regieren SPD und LINKE in Brandenburg. Seitdem macht diese Regierung zu wenig Klimaschutz und sehr viel Kohlewirtschaftspolitik. Der Braunkohletagebau Jänschwalde soll bis 2023 weiter betrieben werden. Noch 2018 hat das Land Brandenburg den Rahmenbetriebsplan für den mit Abstand größten Tagebau Ostdeutschlands Welzow-Süd bis 2033 verlängert. Der »Braunkohleplan« sichert die Flächen für eine mögliche Erweiterung(!) dieses Abbaugebiets gar bis 2042.
Brandenburg und die größten CO2-Verursacher Europas
Laut einer Studie der EU stehen in der Liste der größten Kohlendioxid-Verursacher Europas die Brandenburger Kraftwerke Jänschwalde und Schwarze Pumpe auf Platz 4 und 6. Der CO2-Ausstoß von Schwarze Pumpe war letztes Jahr 9 Prozent höher als 2017. Trotzdem soll Jänschwalde bis 2033 laufen, Schwarze Pumpe noch länger.
Selbst diejenigen, denen der Klimawandel egal ist, solange sie nicht selbst davon betroffen sind, müssten in Brandenburg zum Klima-Aktivisten werden. Denn laut des Landesamts für Umwelt ist Brandenburg eines der vom Klimawandel »am stärksten verwundbaren Gebiete in Deutschland«. Das Amt erwartet hier »anhaltende sommerliche Dürreperioden«, die Landwirtschaft im größten Teil Brandenburgs unmöglich machen. Schon heute entstehen hier Wüstengebiete. Die Bauern können ihre Tiere nicht mehr füttern.
Rot-Rot in Brandeburg und die Kohleförderung
Doch die rot-rote Regierung hält an der Kohleförderung fest und arbeitet damit gegen die politischen Ziele der LINKEN. Die Partei hat erst im Mai in ihrem Plan „5 Punkte für LINKEN Klimaschutz“ gefordert, mit dem Kohleausstieg sofort zu beginnen, ihn bis 2030 abzuschließen und: »Die 20 schmutzigsten Kohlekraftwerke in Europa müssen umgehend abgeschaltet werden«. Nimmt man den absoluten Kohlendioxid-Ausstoß als Maßstab, fallen darunter auch Jänschwalde und Schwarze Pumpe. Trotzdem hat der brandenburgische LINKE-Finanzminister Christian Görke den Kohleausstieg erst für 2035 vorgeschlagen und rechtfertigt das damit, dass der Klimaschutz im grün-schwarz regierten Baden-Württemberg noch schlechter sei.
LINKE-Justizminister in Brandenburg rechtfertig Polizeieinsatz
Als im Februar 2019 Mitglieder von »Ende Gelände« Bagger in den brandenburgischen Tagebauen besetzen, schlagen Polizisten auf sie ein, nennen sie »scheiß Schwuchtel« und wünschen den Verhafteten »Vergewaltigung im Gefängnis«. Doch der LINKE-Justizminister Stefan Ludwig erklärt, die Polizei habe ordnungsgemäß gehandelt. Eine Untersuchung sei laut Ludwig nicht nötig.
Nachdem die LINKE auf ihrem Europa-Parteitag im Februar die Forderung des Kohleausstiegs 2030 beschließt, sagt die brandenburgische Landtagsabgeordnete Anke Schwarzenberg öffentlich: »Ich bin dafür, dass wir uns hinter dem Kompromiss der Kohlekommission versammeln. 2038 ist eine vernünftige Jahreszahl für den Ausstieg« und »solche Beschlüsse sind nicht bindend für frei gewählte Parlamente«. In ganz Deutschland sind LINKE-Mitglieder bei »Fridays for Future« und »Ende Gelände« aktiv. Doch Regierung und Landtagsfraktion in Brandenburg wollen den Kohleausstieg bremsen.
DIE LINKE und Standortpolitik in Brandenburg
Der Grund ist, dass die Ministerinnen und Minister der LINKEN in Brandenburg ihre Aufgabe grundsätzlich falsch angehen. Denn wie Ministerinnen und Minister anderer Parteien auch, bemühen sie sich um gute Stimmung mit dem Koalitionspartner und fördern die heimische Wirtschaft, in der Hoffnung, das würde gut bezahlte Arbeitsplätze bringen. Was auf den ersten Blick selbstverständlich erscheinen mag, ist tatsächlich das Fortführen marktliberaler Standort-Politik von CDU, Grünen, SPD und FDP, nur mit dem LINKE-Logo.
Die Idee, wonach die örtlichen Konzerne so viel Geld wie möglich verdienen müssten, damit sie Arbeitsplätze schaffen, nützt seit über 100 Jahren den Gewinnen der Unternehmen, nicht jedoch den Beschäftigten oder Arbeitslosen. Denn selbst wenn es gelingt, Arbeitsplätze in einer Region zu halten oder zu schaffen, werden sie dadurch woanders vernichtet. Die Zahl der Arbeitsplätze insgesamt steigt durch Standortpolitik nicht. Diese hilft daher nicht den Beschäftigten, sondern nur den Konzernen und verstärkt in Brandenburg zudem den Klimawandel. Sinnvoll wären vielmehr neue Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst, finanziert durch höhere Steuern für eben die Konzerne, denen die marktliberale Politik seit Jahrzehnten Steuern senkt.
Ein schnellerer Kohleausstieg ist möglich und nötig
Zahlreiche Wissenschaftlicher haben bestätigt, dass ein schnellerer Kohleausstieg möglich ist, wenn erneuerbare Energien stark ausgebaut und der Export von Strom beendet werden. Beispielsweise wurden im Januar 13 Prozent des in Deutschland hergestellten Stroms ins Ausland verkauft, vor allem weil Kohlekraftwerke auch dann noch laufen, wenn es genug Ökostrom gibt. Ohne die Versorgungssicherheit zu gefährden, könnten sofort 7 Gigawatt Kohlekraftwerksleistung vom Netz. Das hat selbst die Bundesnetzagentur bestätigt. Auch in Brandenburg würden nirgendwo die Lichter ausgehen, wenn die Landesregierung den Kohleabbau früher beendet und die Kraftwerke stilllegt. Trotzdem unterstützt rot-rot weiter LEAG aus Cottbus, das die Tagebaue und Kohlekraftwerke betreibt, weil es eines der wenigen Unternehmen im Land mit über 1 Milliarde Euro Umsatz ist.
Versagen der LINKEN in Brandenburg
Noch 2017 schrieben die Vorsitzenden der brandenburgischen LINKE-Fraktion, man müsse das vorherige Ziel aufgeben, den Kohlendioxidausstoß des Landes bis 2030 um 72 Prozent zu senken. Demnach sei der Ausstieg aus der Braunkohle erst 2040 möglich, weil LEAG das Kraftwerk Jänschwalde länger betreiben wolle als zunächst geplant. »Brandenburg passt seine Energiestrategie dem Revierkonzept von LEAG an«, kritisierte damals selbst Carsten Preuß, Vorsitzender des BUND Brandenburg und parteiloser Kandidat der LINKEN bei der Bundestagswahl. Zwei Jahre später hat die Kohlekommission der Bundesregierung mit dem Ausstiegsjahr 2038 eine linkere Position beschlossen als die Führung der LINKEN Brandenburg.
Dabei ist es ein Märchen, dass Minister die Position ihres Ministerpräsidenten übernehmen müssen. Rechte Politiker haben immer wieder gegen Ministerpräsidenten oder Bundeskanzler angekämpft. Beispielsweise ist Horst Seehofer bis letztes Jahr als bayerischer CSU-Ministerpräsident aus seiner Sicht erfolgreich dafür eingetreten, die Geflüchteten-Politik der Bundesregierung rassistischer zu machen, obwohl seine Partei selbst Teil dieser Regierung ist. Statt auf die gute Stimmung in der Koalition zu achten, sollte die LINKE Brandenburg offen gegen den erklärten Kohle-Unterstützer und SPD-Ministerpräsidenten Dietmar Woidke ankämpfen. Schließlich hat er gemeinsam mit dem sächsischen CDU-Ministerpräsidenten Kretschmar durchgesetzt, dass die Kohlekommission empfiehlt, in der Lausitz bis 2022 keinen einzigen Kraftwerksblock abzuschalten, außer jenen, deren Abschaltung schon zuvor feststand.
Konversion statt Kohleproduktion
Statt den Beschäftigten der LEAG vorzugaukeln, sie könnten bis zur Rente dort arbeiten, müssen die LINKE-Minister Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst schaffen und den Betroffenen kostenlose Umschulungen anbieten, damit sie schnellstmöglich einen zukunftsfähigen Job bekommen. DIE LINKE darf sich nicht daran beteiligen, den Klimaschutz gegen die Existenzsorgen der Beschäftigten auszuspielen (Lies hier einen Artikel zum Thema: »Kampf um den Braunkohleabbau: Die unrühmliche Rolle der Gewerkschaften«). Sie sollte sich für Forderungen wie die Fortsetzung der Lohnfortzahlung für Kumpel bis zum Renteneintritt oder die Frühverrentung ohne Abstriche einsetzen, sofern die betroffenen Kumpel keine andere Perspektive durch Umschulung erreichen können.
Nach einer Studie der Rosa-Luxemburg-Stiftung sind zur Zeit in den Lausitzer Braunkohletagebauen und -kraftwerken zusammen nur noch etwa 7.000 Lohnabhängige beschäftigt. Ein Teil der Arbeitsplätze würde ohnehin erhalten bleiben. Denn die durch die Braunkohlebagger hinterlassenen Mondlandschaften müssen renaturiert werden. Die riesigen Flächen wieder in Seen, Wiesen und Wälder zurück zu verwandeln, ist Aufgabe der Energiekonzerne, die die Braunkohle in ihren Kraftwerken verheizen. Klar ist: Die Jobs im Tagebau haben keine Zukunft. Je länger Politikerinnen und Politiker der LINKEN so tun, als ließe sich der Kohleausstieg aufschieben, desto schwieriger wird es für die Beschäftigten. Bei der Rüstungsproduktion fordert DIE LINKE zu Recht eine Konversion, also die Umstellung der Rüstungsunternehmen von militärischer auf zivile Produktion – ohne soziale Nachteile für die dort Beschäftigten. Das muss auch für die Jobs im Tagebau gelten. Das Ziel der Eigentümer von LEAG ist nicht Klimaschutz sondern Profit. Ebenso wie beim Immobilienkonzern »Deutsche Wohnen« in Berlin ist es dringend erforderlich, LEAG zu enteignen, um den Kohleausstieg zu sichern und Schadenersatzforderungen des Unternehmens in Milliardenhöhe auszuschließen.
Raus aus der Kohle-Regierung, rein in die Klima-Bewegung
Für den durchaus wahrscheinlichen Fall, dass Woidke und SPD das nicht so einfach mitmachen, sollte die LINKE die brandenburgische Regierung lieber heute als morgen verlassen. Denn schon viel zu lange machen die LINKE-Ministerinnen und Minister dieser Regierung Politik gegen die Ziele der LINKEN; in der Energiepolitik ebenso wie beim verschärften Polizeigesetz (Lies hier einen Artikel zum Thema: »Polizeigesetz in Brandenburg: DIE LINKE auf Abwegen«). Auch nach der Wahl im September sollte die LINKE ihre weitere Regierungsbeteiligung nicht von Mehrheiten im Landtag, sondern von der Bereitschaft möglicher Koalitionspartner abhängig machen, den Kohleausstieg mit allen notwendigen Mitteln voranzutreiben. Ist das nicht möglich, arbeitet die LINKE besser in der parlamentarischen und außerparlamentarischen Opposition, statt sich von Wirtschaft und SPD unsoziale und klimaschädliche Politik aufzwingen zu lassen.
Denn ohne Regierungsbeteiligung kann die LINKE Brandenburg endlich offensiv für Klimaschutz, soziale Gerechtigkeit und gegen Polizeigewalt ankämpfen, statt selbst für Polizeieinsätze gegen »Ende Gelände« verantwortlich zu sein. Gerade in Brandenburg, wo einige der größten Kohlendioxid-Quellen Europas stehen, brauchen wir eine LINKE, die auf der richtigen Seite der Barrikade kämpft, Tagebaue besetzt statt verteidigt, zu den »Fridays-for-Future«-Demonstrationen mobilisiert und mit Gewerkschaften und Beschäftigten für höhere Löhne eintritt, statt den Vorständen staatliche Fördergelder zu schenken.
Eine LINKE, die sich Grünen und SPD in der Regierung immer weiter annähert, hat für ihre Wähler keinen Nutzen und läuft Gefahr, Menschen, die sich radikale Veränderungen wünschen, der AfD in die Arme zu treiben. Eine linke Partei, die jedoch an allen Fronten für soziale Gerechtigkeit und Umweltschutz, Gleichberechtigung von Frauen und Einwanderern, Homosexuellen und allen anderen Menschen kämpft, kann eine wertvolle Unterstützung solcher Bewegungen sein und einen entscheidenden Beitrag leisten, den Kapitalismus so bald wie möglich zu überwinden. Es ist höchste Zeit, die Seiten zu wechseln. DIE LINKE muss raus aus der Regierung und rein in die Klimabewegung.
Foto: endegelaende
Schlagwörter: Brandenburg, DIE LINKE, Inland, Klima