Schritt für Schritt erweitert die Bundesregierung die Präsenz der Bundeswehr im Nahen und Mittleren Osten. Doch Frieden in der Region ist nur ohne Einmischung von außen möglich. Von Frank Renken
Dieser Artikel ist ein Vorabveröffentlichung aus dem neuen marx21-Magazin. Das Heft erscheint am 13. Oktober. Bestelle noch bis zum Dienstag, den 9.10.2018 dein Abo und du bekommst die erste Ausgabe geschenkt. Das Magazin erscheint fünf Mal im Jahr und kostet 5 Euro pro Ausgabe inklusive Verschickung. Du kannst das Abonnement jederzeit und ohne Angabe von Gründen kündigen.
Im Syrienkrieg ringen die Groß- und Regionalmächte um ihren Einfluss in der Nachkriegsordnung. Die Einrichtung einer demilitarisierten Zone in der umkämpften syrischen Provinz Idlib gaukelt einen Fortschritt vor, den es nicht gibt. Der Deal von Sotschi, zwischen dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin, ist nur eine Momentaufnahme im Versuch der rivalisierenden Mächte, ihre jeweilige Einflusssphäre innerhalb Syriens und Iraks auszudehnen. »Alles, was dazu beiträgt, eine humanitäre Katastrophe zu verhindern, ist gut«, schrieb Bundesaußenminister Heiko Maas auf Twitter. Doch solche Aussagen sind nichts anderes als eine große Heuchelei. Denn auch Deutschland will in der Nachkriegsordnung mitmischen.
So nutzt die Bundesregierung den Schrecken des Giftgasarsenals des Assad-Regimes – das einst mit Hilfe der deutschen Industrie aufgebaut worden ist –, um den nächsten Tabubruch herbei zu diskutieren: Beteiligung an einem Krieg zwischen Staaten im Mittleren Osten, womöglich mit eigenen Bombern. Das war vor Jahren noch undenkbar. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen tastete sich systematisch über vier Jahre nach vorne. Sie nutzte den Vormarsch des »Islamischen Staats« (IS) im Jahr 2014, um zunächst »nicht-lethale Hilfe« in den Irak zu schicken. Dann kamen Waffen, schließlich deutsche Militärausbilder. In vermeintlicher Reaktion auf Anschläge des IS in Europas unterstützte die deutsche Luftwaffe mit Luftbetankung und Aufklärungsbildern die Bombenangriffe der US-geführten Operation Inherent Resolve.
Gegen Militäreinsatz in Syrien
Dieses schrittweise Vorgehen war notwendig, da die Bevölkerung in Deutschland immer noch mehrheitlich gegen Auslandseinsätze der Bundeswehr eingestellt ist. In einer von der »Welt« in Auftrag gegebenen repräsentativen Umfrage im September sprachen sich über 73 Prozent aller Befragten gegen einen Militäreinsatz der Bundeswehr in Syrien aus.
Die Skepsis in der Bevölkerung ist vollends gerechtfertigt. Der IS ist seit fast einem Jahr militärisch geschlagen. Doch die Bundeswehr ist nicht nur im Mittleren Osten geblieben, sondern hat den Luftwaffenstützpunkt im jordanischen Al-Asraq weiter ausgebaut. Auf ihrer letzten Irak-Reise nun brachte von der Leyen auch den fortgesetzten Einsatz im Irak ins Spiel. Dies allein verdeutlicht, dass der IS, ebenso ein möglicher Chemiewaffeneinsatz in Idlib, nur passende Vorwände für ein ganz anderes Ziel sind: Das militärische Mitspielen in einer geostrategisch bedeutsamen und ressourcenreichen Region.
Bundeswehr als Stiefel in der Tür
Die Intervention zahlreicher Groß-und Regionalmächte hat unter dem Strich zu zwei Ergebnissen geführt. Erstens wurden die repressiven Regime gestärkt. Zweitens wurden große Städte wie Aleppo und Rakka in Syrien oder Mossul im Irak weiträumig zerstört und unzählige Menschen getötet, verwundet oder obdachlos gemacht. Wenn die Bundeswehr oder andere Mächte ihre Düsenjäger schicken, dann geht es nicht um den Schutz von Zivilistinnen und Zivilisten. Es geht um dauerhafte militärische Präsenz. Denn nur wer einen Militärstiefel in der Tür hat, kann auch mitreden, wenn über die Nachkriegsordnung in Syrien und Irak verhandelt wird.
Dabei geht es um geopolitische Ziele in der Region mit den größten Öl- und Gasvorkommen der Welt. Gegner sollen in Schach gehalten werden. So erklärte die US-Regierung, sie würde in Syrien solange mit Soldaten bleiben, wie der Iran dort mit Truppen oder Verbündeten steht. Diese Logik führt zur dauerhaften Aufteilung des Landes in »Einflusszonen«. Weitere militärische Zusammenstöße sind so vorprogrammiert. Die syrische und irakische Bevölkerung sind heute nur noch Zuschauer dessen, was die Groß- und Regionalmächte über ihre Köpfe für ihr Land entscheiden. Frieden kann es nur unter zwei Bedingungen geben: Abzug aller imperialistischer Mächte, darunter Deutschland und Sturz der repressiven Regime in der Region – nicht von außen, sondern von unten, durch die Unterdrückten selbst.
Zur Person:
Frank Renken ist Mitglied der LINKEN und Autor von »Schwarzbuch. Kritisches Handbuch zur Aufrüstung und Einsatzorientierung der Bundeswehr«
Schlagwörter: Assad, Bundeswehr, Erdoğan, Irak, Krieg, Merkel, Putin, Syrien, von der Leyen