»Burkaverbot auf dem Gehaltszettel«, mit dieser Schlagzeile hatte die Hessenschau Anfang März den Tarifabschluss in Hessen kommentiert. Dieser Passus im Tarifvertrag für hessische Landesbeschäftigte sorgt nach wie vor für Ärger in ver.di und GEW. Und das zu recht, denn damit wurde ein gefährlicher Präzedenzfall geschaffen, meint Heinz Willemsen
Das Land Hessen beteiligt sich nicht an dem Tarifvertrag für die Länder. Seit 2010 gibt es für die hessischen Landesbeschäftigten einen eigenen Tarifvertrag, den Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst des Landes Hessen. In diesem Tarifvertrag wurde nun ein Präzedenzfall mit verheerender Signalwirkung geschaffen. Im Tarifabschluss wurde ein Verbot der Vollverschleierung verankert.
CDU treibende Kraft bei der Verankerung des Burkaverbots
Die hessische CDU ist traditionell immer vorne weg, wenn es gilt, Rassismus zu mobilisieren, um die eigene Machtposition zu erhalten. Nur zu gut ist noch die bundesweite Unterschriftensammlung 1999 gegen die doppelte Staatsbürgerschaft in Erinnerung. Nach der Wahlniederlage von Kohl im Jahr zuvor wollte Roland Koch die angeschlagene CDU damit wieder in die Offensive bringen. Koch nahm dabei billigend in Kauf, dass auch die rechtsradikalen Republikaner sich in die Kampagne einklinkten und an den Unterschriftenständen eine Stimmung geschürt wurde wie »Wo kann ich hier gegen Ausländer unterschreiben?«.
Auch jetzt war die CDU in Gestalt ihres Innenministers Peter Beuth die treibende Kraft bei der Verankerung des Burkaverbots im Tarifvertrag. Das Land hatte klar gemacht, ohne Burkaverbot kein Tarifabschluss. Von einer Distanzierung des Grünen Koalitionspartners von dieser Erpressung ist nichts bekannt. Hermann Schaus von der LINKEN hat zu Recht klar gemacht, dass dies purer Rechtspopulismus ist. Die hessische CDU fischt wieder am rechten Rand und spielt damit der AfD in die Hände, die im Nachbarland Baden-Württemberg im Oktober letzten Jahres einen Gesetzentwurf über das Verbot der Gesichtsverschleierung im öffentlichen Raum eingebracht hatte. Es sollte auch eine Warnung an all die sein, die meinen, dass sich das Schicksal der AfD angesichts ihrer aktuellen Krise bereits erledigt hat. Der Rassismus der Herrschenden gibt der AfD immer wieder neuen Auftrieb. Der Kampf gegen alles, was mit dem Islam oder den Muslimen in Verbindung gebracht wird, steht im Zentrum der Politik der AfD. Das Burkaverbot im Tarifvertrag muss die Partei von Höcke, Gauland und Petry zurecht als Wahlkampfgeschenk auffassen.
Ein Schlag ins Gesicht für aktive Gewerkschafter
Der eigentliche Schock aber ist, dass die Gewerkschaften ver.di, GEW und GDP der Erpressung nachgegeben haben. Das ist ein Schlag ins Gesicht für die vielen Gewerkschafter, die in ihrem Arbeitsplatz die Stimme erheben gegen rechte Argumente, die an Stammtischkämpferausbildungen teilnehmen oder sich bei Aufstehen gegen Rassismus engagieren. Viele Mitglieder von ver.di und GEW in Hessen haben überhaupt kein Verständnis dafür, dass der ver.di-Verhandlungsführer das als eine Art Kuhhandel ansieht: »Die Frage ist: Was bekommen wir, wenn sie es im Tarifvertrag haben wollen – und Tarifverträge sind Kompromisse – dann gibt es Preise dafür.« Tatsächlich hat das Einlassen auf den Deal den Gewerkschaften nichts gebracht, denn der Abschluss in Hessen liegt keineswegs über dem der anderen Länder.
Das Burkaverbot ist ein gefährlicher Präzedenzfall
Das Burkaverbot ist ein gefährlicher Präzedenzfall. Das Nachgeben der Gewerkschaft macht sie auch in Zukunft erpreßbar. Schon jetzt hat ver.di für das Einknicken nichts bekommen und macht sich dafür sogar noch zum Lautsprecher der hessischen CDU, wenn es auf der ver.di homepage heißt: »Hier geht es darum, dass Amtsträger klar erkennbar sein sollen. Wir betrachten das in dieser Form als eine gesellschaftlich adäquate Regelung.«
Empörung bei vielen ver.di Mitgliedern
Viele ver.di-Mitglieder sind dagegen empört. Über das Burkaverbot im Tarifvertrag wurden die meisten erst im Nachhinein über die Presse informiert. Der Bezirk Hessen-Süd hat das Nachgeben gegenüber der Erpressung des Innenministers jetzt scharf kritisiert. »Wir als Gewerkschaft dürfen uns nicht von der Politik für populistische und fragwürdige Vorhaben vor den Karren spannen lassen«, heißt es in einer Resolution der Südhessen. Auch einige große Fachbereiche in ver.di Hessen haben sich klar gegen die Regelung positioniert. Am 26. April wird der Punkt nun auf der Sitzung des hessischen Landesbezirksvorstand Thema sein. Hessens ver.di-Chef Jürgen Bothner hat dem Druck der Gewerkschaftsgliederungen nun nachgegeben und angekündigt noch vor der Sommerpause eine Debatte dazu aufzunehmen. Kritische Gewerkschaftsmitglieder sollten sich da unmißverständlich zu Wort melden.
Kein Nachgeben gegenüber dem Rassismus
ver.di Hessen sollte sich ein Vorbild an den Kolleginnen und Kollegen in Baden-Württemberg nehmen. Die ver.di-Landesfachbereichsleiterin für den öffentlichen Dienst Hanna Binder hatte sich dort gegen die von allen fünf Landtagsfraktionen (CDU, FDP; GRÜNE, SPD und AfD) angeschobene Diskussion um ein Burkaverbot im Öffentlichen Dienst ausgesprochen: »Befristungen und Arbeitsverdichtung, Fachkräftemangel und Privatisierung, keine Altersteilzeit, das sind die drängenden Probleme im öffentlichen Dienst des Landes. Da müssen sich die Tarifpartner nicht um die Lösung von Problemen kümmern, die es gar nicht gibt.« Das Nachgeben gegenüber dem Rassismus bekommt man eben nicht mit einem kleinen Preis vergoldet. Der Rassismus ist vielmehr da, um die sozialen Forderungen vom Tisch zu wischen.
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