Die Möglichkeit einer Ampel-Koalition hat der Debatte über eine Cannabis-Legalisierung neuen Auftrieb beschert. Während Gegner:innen einer Legalisierung ihre alten Märchen aus der Mottenkiste kramen, wittern Geschäftemacher einen lukrativen Markt. Von Niema Movassat
Kanada, Uruguay und viele US-Bundestaaten haben Cannabis bereits legalisiert. Damit haben heute weltweit etwa 180 Millionen Menschen einen legalen Zugang für den Freizeitkonsum. In Deutschland wird bislang an der Prohibition festgehalten, obwohl das Cannabisverbot weitaus mehr Schaden anrichtet als der Konsum von Cannabis selbst.
Mit einer Koalition aus SPD, Grünen und FDP – wenn sie denn zustande kommt – könnte sich dies vielleicht ändern. Das ruft die Prohibitionsvertreter:innen erneut auf den Plan. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) und die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) kramten diese Woche längst überholte Märchen aus der Mottenkiste.
Cannabis als Einstiegsdroge?
Die Behauptung, dass Cannabis eine Einstiegsdroge sei, ist seit Jahrzehnten widerlegt. Dennoch wird immer wieder das Argument herangezogen, dass die meisten heroinabhängigen Menschen zunächst Cannabis konsumiert hätten. Das mag vielleicht stimmen. Daraus einen Umkehrschluss zu ziehen, entbehrt allerdings jeder Logik. Das ist vergleichbar mit der Behauptung, dass Erkältungen zu Lungenentzündungen führen, weil einer Lungenentzündung meist eine Erkältung oder Grippe vorausgeht.
Das Märchen der Einstiegsdroge ist also nicht nur falsch. Es ist auch populistisch. Wer so argumentiert, nimmt die Menschen – die anstatt eines Feierabendbiers einen Joint konsumieren – nicht ernst. Denn die allermeisten der Konsument:innen weisen unproblematische Konsummuster auf und landen nicht beim Heroin. Die Droge, mit der jungen Menschen als erstes in Berührung kommen, ist übrigens Alkohol.
Argumente für die Legalisierung
Eines der wichtigsten Argumente für die Legalisierung liefern die Prohibitionsvertreter:innen selbst. Sie verweisen gerne auf die unkontrollierte Zusammensetzung von Cannabis. Sie wollen damit die Gefährlichkeit unterstreichen. Aber dass Cannabis illegal angebaut und vertrieben wird und dadurch keine Qualitätskontrolle erfolgt, schlimmer noch: Cannabis verunreinigt oder gestreckt ist oder mit synthetischen Cannabinoiden aufgepeppt wird – das ist ja gerade ein Argument für die Legalisierung bzw. den staatlich kontrollierten Anbau. Dann wüssten Konsumierende endlich, welchen THC-Gehalt und welche Inhaltsstoffe sie konsumieren und können sich bewusst entscheiden.
Fortschrittlichere Kräfte innerhalb der Polizei wie der Bund Deutscher Kriminalbeamter stehen zu mindestens der Entkriminalisierung von Cannabis-Konsument:innen offen gegenüber. Denn die heutige strafrechtliche Verfolgung von Cannabis-Konsument:innen verbrät Millionenbeträge und ist eine unfassbare Verschwendung der Ressourcen bei Polizei und Justiz. Bei über 78 Prozent der sogenannten Rauschgiftdelikte sind Menschen betroffen, die Drogen lediglich besitzen, um sie selbst zu konsumieren. Im Schnitt wird alle zwei Minuten jemand wegen eines sogenannten konsumnahen Delikts strafrechtlich verfolgt. Über 188.000 der Fälle betreffen Cannabis-Konsument:innen. Damit muss sofort Schluss sein.
Cannabis-Politik unter Ampel
Mit einer Ampel gibt es sicherlich Spielraum für eine neue Cannabispolitik. Aber das ist kein Selbstläufer. Die SPD hat in den letzten Jahren die Prohibitionspolitik mitgetragen. Die FDP hat im Bundestag gegen linke Anträge zur Entkriminalisierung von Cannabis-Konsument:innen gestimmt.
Denen geht es nicht um die Sache, sondern um einen neuen kapitalistischen Markt. Dabei wäre so wichtig, dass ein neu entstehender Cannabismarkt streng reguliert wird und nicht primär profitorientiert organisiert ist.
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Schlagwörter: Drogen, Inland, Kriminalisierung