Der Ausstoß von Treibhausgasen soll verringert werden. Deshalb debattiert die Große Koalition jetzt über eine mögliche CO2-Steuer etwa auf Heizöl, Diesel und Benzin. Welche Folgen hätte eine solche Steuer für Verbraucherinnen und Verbraucher? Führt sie tatsächlich zu weniger CO2-Ausstoß? Und was steckt hinter dieser Idee? Wir beantworten die wichtigsten Fragen. Von Jürgen Ehlers und Yaak Pabst
Die Forderung nach einer Steuer auf alle Treibhausgasemissionen ist populär wie nie zuvor. Ob Wissenschaftlerinnen, Klimaaktive oder Politiker und Politikerinnen – alle erhoffen sich durch diese Maßnahme eine deutliche Senkung des weltweiten CO2-Ausstoßes. Die Vereinten Nationen fordern die Steuer ebenso wie verschiedene Parteien in Deutschland. Und sogar der Bundesverband der Deutschen Industrie könnte sich, auf die eine oder andere Art, eine CO2-Bepreisung vorstellen. Nun haben sich auch die sogenannten Wirtschaftsweisen, das marktradikale Beratungsgremium der Bundesregierung, hinter die Einführung einer CO2-Steuer gestellt.
In den USA hat die frühere Notenbankchefin Janet Yellen selbst einen Aufruf zur Einführung einer CO2-Steuer im »Wall Street Journal« veröffentlicht, dem sich mittlerweile mehr als 3500 Ökonomen angeschlossen haben – darunter vier frühere US-Notenbank-Chefs, 27 Nobelpreisträgerinnen und zwei ehemalige US-Finanzminister. Die einhellige Meinung: Das wirksamste Mittel zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen und zum Erreichen der Pariser Klimaziele wäre ein hoher CO2-Preis. Aber stimmt das wirklich?
Der Markt als Steuerungsinstrument
Alle Vorschläge für eine CO2-Abgabe basieren auf der Idee, den Markt gezielt als Steuerungsinstrument einzusetzen, um das Klima zu schützen. Nachdem der Staat festgelegt hat, wie viel eine Tonne CO2 kostet, sollen die »Gesetze des Marktes« dafür sorgen, dass Unternehmen, Verbraucherinnen und Verbraucher klimafreundlicher produzieren und konsumieren. Die Idee dahinter: Nur wer im Geldbeutel merkt, dass er dem Klima schadet, ändert auch sein Verhalten. Uneinigkeit existiert lediglich darüber, welche Höhe der Preis für eine Tonne CO2 betragen und ob es eine sogenannte Klimaprämie (sozialer Ausgleich) geben soll.
Die Bepreisung von CO2 ist schon in vielen Ländern mit unterschiedlichen Modellen umgesetzt worden. Laut Weltbank haben 64 Staaten auf nationaler oder regionaler Ebene Varianten einer CO2-Bepreisung eingeführt oder deren Einführung vorgesehen – 27 Staaten davon haben sogar eine CO2-Steuer eingeführt. Es liegen also einige Erfahrungen vor, um beurteilen zu können, ob und inwiefern eine CO2-Steuer einen wirksamen Beitrag zum Klimaschutz leisten kann.
Internationale Erfahrungen
Doch diese Erfahrungen sind relativ ernüchternd: Um die Konzerne zu einer klimagerechten Politik zu zwingen, gibt es keine schlechtere Antwort als die CO2-Steuer. Das belegt ein Blick auf die Treibhausgasemissionen jener Länder, die in den vergangenen zehn Jahren eine solche Abgabe eingeführt haben. Einen guten Überblick hierzu bieten die Statistiken der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Dort werden die Daten aller Länder dargestellt und zwar inklusive aller Treibhausgase – von Kohlenstoffdioxid (CO2) bis Stickstofftrifluorid (NF3).
Als Musterländer, die eine CO2-Bepreisung inklusive einer CO2-Steuer eingeführt haben, bei der der Preis pro Tonne im beobachteten Zeitraum bei über 40 US-Dollar liegt, gelten Frankreich (52 Dollar / Einführung 2014), die Schweiz (101 Dollar / 2008), Schweden (137 Dollar / 1991), Norwegen (69 Dollar / 1991), Finnland (73 Dollar / 1990) und die kanadische Provinz Britisch-Kolumbien (40 Dollar / 2008).
Im Vergleich zu 1990 konnten alle diese Länder ihre Treibhausgasemissionen senken. Doch die Referenz mit dem Jahr 1990 ist irreführend und sagt noch wenig über den Nutzen der Steuer aus. Denn auch Länder, in denen es keine CO2-Abgabe gibt, erreichten in diesem Zeitraum eine Reduzierung ihrer Treibhausgasemissionen. Gründe hierfür sind technische Innovationen, Deindustrialisierung und die 2007/08 einsetzende Wirtschaftskrise.
Interessant sind deswegen vor allem jüngere Daten der OECD aus den Jahren 2015 und 2016 (neuere Daten liegen noch nicht vor). Der CO2-Preis war in dieser Periode in allen Ländern auf ein höheres Niveau gestiegen und in allen Ländern war die CO2-Steuer mindestens ein Jahr erprobt. Resultat: In Finnland, Frankreich, der Schweiz und Britisch-Kolumbien stieg der CO2-Ausstoß zeitweilig. Nur Schweden, Norwegen und die Schweiz konnten ihn in diesem Zeitraum reduzieren – jedoch nur um magere 2 Prozent bzw. jeweils kaum 1 Prozent. In Finnland stagnierte der CO2- Ausstoß, in Frankreich und Britisch-Kolumbien stieg er stark um mehrere Millionen Tonnen CO2.
Nebelkerzen der Konzerne
Diese ernüchternden Zahlen sind nicht verwunderlich. Denn die CO2-Steuer stellt die Verantwortung des Individuums ins Zentrum, anstatt die wirklichen Verursacher ins Fadenkreuz zu nehmen. Es ist eben nicht das Konsumverhalten von Einzelnen, welches das Klima ruiniert, sondern die Produktionsverhältnisse der Marktwirtschaft und damit das Agieren der Großkonzerne verheizen den Planeten. In der Debatte um den Klimawandel werfen jedoch Regierungen, Konzerne und ihre Lobbyisten eine Menge Nebelkerzen, um das zu verschleiern.
Dabei liegen die Fakten auf dem Tisch. Nach Berechnungen des Global Carbon Project stammen 89 Prozent aller Treibhausgasemissionen aus fossilen Brennstoffen – die vor allem bei der Energiegewinnung und der Industrie anfallen. Unzählige Studien der OECD, der UN, der Klimaschutzbericht der Bundesregierung und Arbeiten von unabhängigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bestätigen diese Zahlen. Was aber oft verschwiegen wird: Zu den Hauptverursachern der energiebedingten Treibhausgasemissionen gehören die mächtigsten Konzerne der Welt, die alles dafür unternehmen, dass der fossile Kapitalismus am Laufen bleibt.
Genau das hat der in den Mainstreammedien ignorierte »Carbon Majors Report« herausgefunden. Er ergab, dass hundert Konzerne seit 1988 für 71 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich sind. Zudem zeigten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, dass mehr als die Hälfte der globalen Emissionen sogar auf nur 25 Unternehmen und staatliche Einrichtungen zurückgeführt werden können. Ihre Namen? Unter anderem ExxonMobil, Shell, BP und Chevron.
Klimaschutz und die Lobby der Industrie
Naomi Klein, Autorin des Buches »Die Entscheidung. Kapitalismus vs. Klima«, schreibt: »Die fossile Energieträger verarbeitenden Konzerne, insbesondere Ölkonzerne, sind die mächtigsten Unternehmen der Welt. Kriege wurden von unseren Regierungen geführt, um ihre Interessen zu schützen. Fossile Energiequellen kommen natürlicherweise konzentriert in bestimmten Regionen vor. Förderung, Transport und Verarbeitung sind sehr teuer. Es ist also kein Wunder, dass sie Gegenstand der Konzentration von Reichtum und Macht mit einer sehr kleinen Zahl von Spielern auf dem Gebiet sind. Diese Art der Machtkonzentration lädt geradezu zur politischen Korruption der legalen wie der illegalen Art ein.«
Übertreibt sie? Gewiss nicht. Die Nichtregierungsorganisation Corporate Europe Observatory veröffentlicht am laufenden Band Berichte darüber, wie die Lobbyisten der fossilen Energiekonzerne im Brüsseler Europaparlament ein- und ausgehen. Besonders pikant: Der für Klimaschutz zuständige EU-Energiekommissar Miguel Arias Cañete traf sich in den zwölf Monaten nach den Pariser Klimaverhandlungen vom Dezember 2015 34-mal mit Vertretern dieser Konzerne.
Gemeinsam mit seinem Kommissionskollegen Maroš Šefčovič kommt er seit Paris auf 163 Treffen mit 170 verschiedenen Lobbygruppen. 71 Prozent dieser Meetings fanden mit Industrievertretern statt, 17 Prozent mit Nichtregierungsorganisationen, acht Prozent mit Forschungsinstituten und nur fünf Prozent mit Gewerkschaften. Preisfrage: Ist der EU-Energiekommissar für eine CO2-Steuer? Richtig. Er ist auch dafür.
Ausnahmeregelungen für Wettbewerbsfähigkeit
Einer der größten Lobbyisten in Brüssel ist der Öl- und Gasriese ExxonMobil. Seit 2010 hat das Unternehmen mehr als 35 Millionen Euro investiert, um Klimaschutzmaßnahmen der EU zu verzögern und zu schwächen. Preisfrage: Ist Exxon für eine CO2-Steuer? Selbstverständlich. Und auch BP und Shell unterstützen den Vorschlag, die Emissionen mit Hilfe einer Steuer zu reduzieren. Denn sie wissen, dass sie ihre Macht dazu einsetzen können, Ausnahmeregelungen durchzusetzen.
Dies belegt ein Blick auf jene Staaten, die bereits eine CO2-Steuer eingeführt haben. Der Schweizer Bundesrat schreibt beispielsweise in seiner »Botschaft zur Totalrevision des CO2-Gesetzes nach 2020«, dass »zukünftig alle Unternehmen aus Industrie, Gewerbe und Landwirtschaft eine Abgabebefreiung anstreben können, die pro Jahr mehr als 15 000 Franken CO2-Abgabe bezahlen.« Und weiter: »Emissionsintensive Unternehmen können sich im Sinne einer flankierenden Maßnahme auch weiterhin auf Gesuch von der CO2-Abgabe befreien lassen.«
Auch in anderen Staaten, die eine CO2-Bepreisung eingeführt haben, gibt es Ausnahmeregelungen für die Industrie. Alle Nationalstaaten wollen die internationale Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Industrie fördern und machen deswegen erhebliche Zugeständnisse bei der CO2-Abgabe. In Schweden beispielsweise zahlen die im internationalen Wettbewerb stehenden Unternehmen eine um 60 Prozent verringerte Abgabe auf ihren CO2-Ausstoß. Die Liste ließe sich fortsetzen.
Die »Klimaprämie« als Karotte
Umgekehrt belastet eine CO2-Steuer die Lohnabhängigen überproportional stark. Ihre Befürworter betonen deswegen den sozialen Ausgleich. »Klimaprämie« und »Ökobonus« nennen sie ihre Modelle. Auch diese sind nicht neu, sondern werden beispielsweise bereits in der Schweiz oder in Britisch-Kolumbien angewandt. Die »Klimaprämie« ist die Karotte, mit der die Bevölkerung für eine CO2-Bepreisung gewonnen werden soll. Doch beides zusammen trägt weder dazu bei, die Treibhausgasemissionen wirksam zu senken, noch »entlastet« es die Lohnabhängigen und armen Menschen.
Eine Studie der Nichtregierungsorganisation Food & Water Watch nimmt die vermeintlichen Entlastungen der Lohnabhängigen genauer unter die Lupe. »Haushalte mit niedrigem Einkommen tragen den überproportionalen Anteil an den CO2-Steuern, die auf Verkehrskraftstoffe, Stromerzeugung und Haushaltswärme erhoben werden«, heißt es dort. »Diese Energiekosten machen einen größeren Teil der Ausgaben für Haushalte mit niedrigem Einkommen aus, was die Steuer besonders regressiv macht. Britisch-Kolumbien zielte darauf ab, die regressiven Tendenzen der Kohlenstoffsteuer zu reduzieren und die Steuer politisch schmackhafter zu machen, indem diese Kosten an Verbraucher (und Unternehmen) zurückgezahlt wurden. Die Menschen würden die Steuer zum Beispiel an der Tankstelle zahlen, aber alle drei Monate würden sie einen Steuernachlass erhalten. Die Rabatte von Britisch-Kolumbien können jedoch den regressiven Charakter der CO2-Steuern nicht beheben. Der Großteil der Vorteile des Rabattprogramms wurde auf die Unternehmen und nicht auf Einzelpersonen übertragen. Aber selbst wenn die Rabatte dazu dienten, die Ungerechtigkeiten der CO2-Steuer auszugleichen, steht die Idee der Rabatte tendenziell im Widerspruch zur theoretischen Begründung der CO2-Steuer. Die Steuern sollen ein Preissignal senden, um das wirtschaftliche Verhalten, das Treibhausgasemissionen verursacht, zu verhindern. Wenn die zusätzliche Kostenabschreckung der Kohlenstoffsteuer schließlich in Form von Rabatten zurückgegeben wird, schwächt sie das Preissignal.«
Das Problem mit der CO2-Steuer
Hier wird das ganze Problem der »CO2-Bepreisung plus Entlastung«-Strategie deutlich. Die Idee, den Markt als gezieltes Steuerungsinstrument für den Klimaschutz einzusetzen, funktioniert einfach nicht. Das belegen auch andere Beispiele. Sowohl Emissionshandel (siehe unten: Hintergrund 2) als auch die von der rot-grünen Bundesregierung (1998–2005) eingeführte Ökosteuer (siehe unten: Hintergrund 1) haben sehr deutlich gezeigt, dass die Interessen der Wirtschaft durch das marktkonforme Regelwerk bedient worden sind und sich deswegen die Wirkung sogar ins Gegenteil verkehren konnte. Die diffusen Hoffnungen auf die Innovationen der Marktwirtschaft, auf einen »grünen Kapitalismus«, auf die boomende »Green Economy« sind schlicht und einfach fehl am Platz.
»Pro-Kopf-Entlastung«, »Stromsteuer abschaffen« oder »Ökobonus« sind nichts weiter als Schönwetter-Versprechungen. Die CO2-Steuer bleibt eine Konsumsteuer. Konzerne finden hier immer Mittel und Wege, sich Schlupflöcher zu organisieren. Letztendlich müssen die Lohnabhängigen zahlen. Das zeigen auch die Erfahrungen mit der CO2-Steuer in Britisch-Kolumbien. Dort erhielten im Geschäftsjahr 2008/09, als die Steuer gerade in Kraft getreten war, Einzelpersonen noch den Großteil der Steuernachlässe (68 Prozent). Doch schon bald änderte sich das. »Die Regierung von Britisch-Kolumbien verlagerte die Nachlässe in den Folgejahren rasch auf Unternehmen«, heißt es in oben genannter Studie. »Innerhalb weniger Jahre gewährte Britisch-Kolumbien drei Fünftel der CO2-Steuernachlässe an Unternehmen. Bis zum Geschäftsjahr 2014/15 gewährte Britisch-Kolumbien Unternehmen (1,14 Milliarden US-Dollar) 70 Prozent mehr CO2-Steuerrückerstattungen als Privatpersonen (673 Millionen US-Dollar)«.
Eine CO2-Steuer für Deutschland?
Die Erfahrungen aus Britisch-Kolumbien, der Schweiz, Schweden oder Finnland zeigen die Grenzen der CO2-Steuer. Doch wie ist die Situation in Deutschland? Könnte sie hier einen Unterschied machen?
Auch in der Bundesrepublik machen die energiebedingten Emissionen den Hauptteil der Treibhausgasemissionen aus, laut dem Klimaschutzbericht 2018 etwa 85 Prozent. Hauptverursacher mit etwa der Hälfte der energiebedingten Treibhausgas-Emissionen ist die Energiewirtschaft. Nach der Liberalisierung durch die rot-grüne Bundesregierung wurde der Energiemarkt von den »Großen Vier« dominiert: Eon, RWE, Vattenfall und EnBW. 2016 verkaufte Vattenfall seine Braunkohlesparte und es entstand, mit dem in Brandenburg sitzenden Konzern LEAG, ein neuer Stromriese. Die LEAG belegt nunmehr – wenn auch mit großem Abstand – hinter dem Marktführer RWE den zweiten Platz der größten Stromerzeuger in Deutschland. Zusammen kontrollieren die »Großen Fünf« heute 64,9 Prozent der Stromerzeugung und 75,5 Prozent bei der Stromversorgung der Endkundinnen und -kunden.
Diese fünf Energiekonzerne setzen ihre Marktmacht ein, um an den fossilen Energieträgern festzuhalten. Die Bundesregierung unterstützt sie dabei, wie der klimafeindliche »Kohlekompromiss« gezeigt hat. Deutschland ist nicht nur weiter der größte Produzent von Braunkohle, noch vor China, sondern auch der größte Treibhausgas-Emittent in der Europäischen Union. 21 Prozent aller EU-Treibhausgasemissionen stammen aus Deutschland. Trotzdem will die Bundesregierung den Kohleausstieg erst bis 2038 erreichen.
Konzernmacht in der Bundesrepublik
Warum ist das so? Berlin will die Profitinteressen der Energiewirtschaft schützen. Das verdeutlicht ein genauerer Blick auf den Energiemix in Deutschland. Obwohl hierzulande immer mehr erneuerbare Energien genutzt werden, tragen fossile Rohstoffe nach wie vor den größten Teil zum Energiemix bei: Laut einer Studie des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme bestand die Nettostromerzeugung zur öffentlichen Stromversorgung im Jahr 2018 zu 40,4 Prozent aus erneuerbaren Energien und zu 59,6 Prozent aus nicht erneuerbaren (Mineralöl, Erdgas, Steinkohle, Braunkohle). Allerdings zählt das Institut die Energiegewinnung aus Biomasse (Holz, Getreide, Abfall) zu den erneuerbaren Energien. Das ist umstritten, denn auch bei der Energiegewinnung aus Biomasse entstehen teilweise hohe CO2-Emissionen – wie beispielsweise bei der Herstellung und Verbrennung von Holzpellets. Ohne Biomasse machen die erneuerbaren Energien Solar, Wind, und Wasser nur 32,1 Prozent der öffentlichen Stromversorgung in Deutschland aus.
Der Ausstoß von Treibhausgasen ist in Deutschland immer noch sehr hoch, weil der Anteil der fossilen Brennstoffe am sogenannten Primärenergieverbrauch (PEV) fast gleichgeblieben ist. Der PEV bezeichnet den Energiegehalt aller im Inland eingesetzten Energieträger. Da bei der Verbrennung fossiler Energieträger Energieverluste entstehen, wird zwischen Primär- und Sekundärenergie unterschieden.
Im Jahr 2018 stammte der Großteil des deutschen PEV aus Mineralöl (34,1 Prozent), Erdgas (23,5 Prozent), Steinkohle (10,1 Prozent) und Braunkohle (11,5 Prozent). Durch den Atomausstieg ist der Anteil der Kernkraft auf 6,4 Prozent zurückgegangen, aus erneuerbaren Energien stammen jedoch nur 14 Prozent des Energiemix. Die CO2-Monster (Mineralöl, Erdgas und Kohle) machen gemeinsam mit der Kernkraft (die auch nicht zu den erneuerbaren Energien zählt) 85,6 Prozent der Energiegewinnung aus. Entsprechend ernüchternd ist auch die Bilanz der Nettostromerzeugung. Auch hier wird noch immer der größte Teil der elektrischen Energie aus nicht erneuerbaren und damit klimafeindlichen Energien gewonnen.
Klimakrise und die »Großen Fünf«
Es ist offensichtlich, dass die »Großen Fünf« sich weigern, die Energiegewinnung aus fossilen Brennstoffen schnell hinter sich zu lassen. Sie sehen ihre Profite gefährdet und stellen ihre Renditeerfüllungen vor den Klimaschutz. Ihre Strategie ist es, fossile Kraftwerke so lange wie möglich zu betreiben und sich gleichzeitig eine bessere Ausgangsposition auf dem Markt der erneuerbaren Energien zu sichern.
Im Jahr 2018 haben sich RWE und Eon zusammengetan, um über das gemeinsame Unternehmen Innogy groß in den Markt für »grünen« Strom einzusteigen – RWE als Produzent und Eon als Netzbetreiber. Das gemeinsame Projekt nutzen sie jetzt dazu, sich gegenseitig dabei zu unterstützen, ihre jeweilige Marktposition auszubauen. RWE setzt dabei vor allem auf Windkraft und Eon strebt danach, auf zwei Drittel der Fläche in Deutschland zum größten Stromanbieter zu werden, mit einem Marktanteil von 70 Prozent. RWE wird so zum drittgrößten europäischen Produzenten von Strom aus erneuerbaren Energien und weltweit zur Nummer zwei im Bereich Offshore-Wind.
Auch Vattenfall, EnBW und LEAG planen Investitionen im Bereich der erneuerbaren Energien. Sie besitzen in Deutschland einen so immensen Einfluss, dass sie bestimmen können, in welche Richtung sich die Energieerzeugung entwickeln wird. Auch die Stromnetze stehen unter fast vollständiger Kontrolle der »Großen Fünf«. Diese sind für die Aufnahme und Verteilung des Stroms von entscheidender Bedeutung.
Die Bundesregierung ist, wie alle Regierungen weltweit, nicht bereit, die Geschäftsinteressen der fossilen Energiekonzerne zu verletzen. Das jedoch wäre aber dringend nötig, um wirksame Maßnahmen zum Klimaschutz einzuleiten. Der Ausbau der erneuerbaren Energien geht unter der Kontrolle der fossilen Energiekonzerne viel zu langsam. Er wäre vor allem dann zukunftsträchtig, wenn die Erzeugung soweit wie möglich dezentral erfolgte. Das verringert nicht nur Leitungsverluste, sondern stärkt auch dort die Effizienz, wo etwas verbrannt werden muss (Holzabfälle, Biogas, Müll), um Wärme und Strom gleichzeitig herzustellen.
Schritte in diese Richtung fördert die Bundesregierung aber nicht. Im Gegenteil: Sie nickte, genauso wie die Europäische Kommission, die Mega-Fusion von RWE und Eon im Bereich Erneuerbare Energien ab.
Alternativen zur CO2-Steuer
Die Forderung nach einer CO2-Abgabe weicht den Ursachen des Scheiterns von Emissionshandel und Ökosteuer aus. Sie weckt die Illusion, dass sich Profitstreben und Umweltschutz miteinander vereinbaren ließen. Doch die Steigerung der Produktivität ist, neben der Absicherung niedriger Energie-, Rohstoff- und Lohnkosten, der wichtigste Faktor, um die Konkurrenzfähigkeit von Unternehmen erhalten zu können. Diesen Zielen wird im Kapitalismus alles untergeordnet. Sie sind die tiefere Ursache für die drohende Klimakatastrophe. Die Diskussion um die Ökosteuer und die CO2-Abgabe führt von diesen Ursachen weg.
Die Pläne für eine CO2-Steuer werden der dramatischen Lage überhaupt nicht gerecht. Wer die Treibhausgasemissionen in Deutschland und weltweit schnell und wirksam senken will, muss die Energieproduktion radikal verändern – sprich: Schnellstmöglicher Ausstieg aus dem Braunkohleabbau und aus der Braunkohle- und Kohleverfeuerung in Kraftwerken. Aber nicht nur das: Die Regierungen müssten die Großkonzerne zur Kasse bitten, sofort einen kostenlosen öffentlichen Nahverkehr einführen und ihn in den nächsten Jahren massiv ausbauen, klimagerechten sozialen Wohnungsbau organisieren und bestehende Häuser umrüsten, in große Aufforstungen investieren und sich verpflichten, fossile Brennstoffe im Boden zu lassen. Der Markt ist hierfür das schlechteste Instrument. Wenn wir den Klimawandel stoppen wollen, muss die Macht der fossilen Energiekonzerne gebrochen werden. Deswegen fordert DIE LINKE zurecht: »Die großen Energiekonzerne wollen wir vergesellschaften.«
Hintergrund 1:
Ökosteuer – Arbeiterklasse zahlt, CO2-Ausstoß steigt
Schon vor zwanzig Jahren versuchte die damalige rot-grüne Bundesregierung unter Gerhard Schröder, mit der sogenannten Ökosteuer den CO2-Ausstoß marktkonform und aufkommensneutral zu senken. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) nennt die Ökosteuer umweltpolitisch einen »Flop«. Sie habe nicht nachhaltig zur Senkung des Energieverbrauchs beigetragen.
Der Verbrauch und damit der CO2-Ausstoß sollte stärker besteuert und im Gegenzug die Beitragssätze für die Rentenkasse abgesenkt werden. Das erklärte Ziel war, damit zugleich einen Beitrag zum Abbau der Massenarbeitslosigkeit zu leisten, indem die Lohnnebenkosten sinken.
Doch eine Vielzahl von Ausnahmeregelungen, die dazu dienten, die Wirtschaft zu schonen, machte aus dem Steuerungsinstrument einen Papiertiger. Allen Betrieben wurde garantiert, dass ihnen keine finanzielle Mehrbelastung durch die Erhöhung der Energiepreise entstehe. Für Privathaushalte galt das nicht.
Der einzige nachhaltige Effekt der Ökosteuer ist, dass ihre Einnahmen die Rentenkasse entlasten – laut DIW allerdings zu Lasten der Lohnabhängigen: »Weil die Ausgaben für Energie in ihrem Budget schwerer wiegen und sie kaum von Beitragssenkung und Rentenerhöhung profitieren, sind einkommensschwache Haushalte relativ von der Ökosteuer mehr betroffen als Haushalte mit mittleren oder hohen Einkommen.«
Hintergrund 2
Wie Emissionshandel zum Export von Kohlestrom führte
Der Emissionshandel ist ein Instrument der Klimapolitik mit dem Ziel, die Treibhausgasemissionen unter möglichst wirtschaftsfreundlichen Bedingungen zu senken. Die EU führte ihr Emissionshandelssystem (European Union Emissions Trading System, EU ETS) 2005 ein. Das EU ETS ist der erste grenzüberschreitende und weltweit größte Emissionsrechtehandel. Mit der Pflicht zum Kauf von Zertifikaten sollten Betreiber von Industrieanlagen entsprechend des Umfangs ihres CO2-Ausstoßes mit einer Abgabe belastet werden.
Um die Wirtschaft nicht zu belasten, hat die EU 2005 sehr viele Zertifikate in Umlauf gebracht und teilweise sogar verschenkt. Der Handel mit den Zertifikaten hat deswegen den ursprünglichen Ausgabewert von 29 Euro je Tonne CO2 auf zeitweise unter 5 Euro abstürzen lassen. Die Betreiber großer Dreckschleudern konnten für wenig Geld Zertifikate aufkaufen.
Die Bundesregierung sorgte außerdem trotz heftiger Kritik dafür, dass bei der Zuteilung von Zertifikaten die Betreiber von älteren Kohlekraftwerken gegenüber den neuen Gaskraftwerken mit gleichem Leistungsvermögen stark bevorzugt wurden, indem ihnen doppelt so viele Zertifikate zugeteilt wurden. Dahinter stand die Überlegung, dass Gaskraftwerke nur halb so viel CO2 ausstoßen und entsprechend weniger Zertifikate benötigen. Die Folge ist aber gewesen, dass bereits gebaute, doppelt so effiziente Gaskraftwerke nicht in Betrieb genommen wurden, da die alten Kohlekraftwerke billiger produzieren.
Für deren Betreiber ist ein gewaltiger Wettbewerbsvorteil entstanden. Strom aus Kohle wurde zum Exportschlager. Die exportierte Leistung hat sich von 2012 bis 2017 verdoppelt. Das hatte nicht nur satte Gewinne von 1,4 Milliarden Euro für die Stromkonzerne zur Folge, sondern auch einen erneuten Anstieg des CO2-Ausstoßes.
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Schlagwörter: CO2-Ausstoß, Inland, Klima, Klimakrise, Klimaschutz