#CovidAtWork: Arbeiten trotz »Lockdown« muss zum Beispiel Lea G. Mit ihren Erfahrungen startet die marx21-Serie #Schichtgeschichten
marx21: Wo arbeitest du? Als was arbeitest du?
Lea: Ich arbeite in einer Schutzstelle für Kinder- und Jugendliche, also in einer Art Wohngruppe der Kinder- und Jugendhilfe. Das Besondere daran ist, dass die Kinder und Jugendlichen dort meist nur wenige Tage oder Wochen verbleiben und ich somit mit vielen verschiedenen Kindern oder Jugendlichen in einem kurzem Zeitraum zu tun habe. Meist befinden sich diese Kinder und Jugendlichen in einer akuten Krise. Ich bin dort als Sozialarbeiterin angestellt.
Wieviele Beschäftigte sind in deinem Unternehmen tätig?
In dem öffentlichen Träger, bei dem ich angestellt bin, sind ca. 150 Beschäftigte tätig. Bei mir in der Einrichtung arbeiten sechs weitere Kolleg:innen.
Arbeitest du während des »Lockdowns«?
Ja.
Wie hat der »Lockdown« deine Arbeit verändert?
Ziemlich. Ich wurde geschult, um Schnelltests durchführen zu können. Die Schulung war leider ziemlich kurz und knapp und wir sollten einfach weiter an anderen Kolleg:innen üben. Wir testen bei fast jeder Aufnahme neuer Kinder oder Jugendlicher, wenn diese lange vermisst waren oder sich mit vielen anderen Menschen getroffen haben. Da ich meistens mit Kindern und Jugendlichen aus herausfordernderen Umständen zu tun habe, kommt das oft vor. Bei uns im Team sind nur zwei Kolleg:innen geschult, weshalb ich im Alltag zusätzlich viele solcher Tests machen muss, obwohl ich keine medizinische Ausbildung habe.
#CovidAtWork – das Virus und die Arbeitswelt
Leider haben wir in unserer Einrichtung die Erfahrung gemacht, dass die Tests nicht immer richtig und zuverlässig sind. Im November hatten wir mehrere positive Schnelltests und wurden unter Quarantäne gestellt. Zum Leidwesen der zu diesem Zeitpunkt bei uns untergebrachten Jugendlichen, die nach kurzer Zeit in Zimmerquarantäne schnell zu viel hatten, weshalb es zu Eskalationen kam. Die PCR-Tests meiner Kolleg:innen und der Kinder und Jugendlichen waren dann tatsächlich alle negativ. Seitdem sind keine weiteren Kolleg:innen bereit, sich in der Durchführung von Schnelltests schulen zulassen. Diese Umstände haben die Stimmung im Team stark beeinflusst und verunsichert.
Zudem können keine Gespräche mit Jugendamt, Vormund, Eltern oder Freund:innen der Kinder und Jugendlichen bei uns im Haus mehr stattfinden, was zum Teil einen hohen Organisationsaufwand für uns bedeutet.
Warst du in Kurzarbeit und was hat das persönlich für dich bedeutet?
Nein, wir haben alle viele Minusstunden, weil z.B. unsere Teamsitzungen nicht mehr stattfinden können. Für mich und eine:n weitere noch nicht entfristete:n Kolleg:in bedeutet das, dass wir diese Stunden bis zu unserem Vertragsende hereinholen müssen, falls wir nicht verlängert oder entfristet werden. Das setzt uns zusätzlich unter Druck.
Wie ging es den anderen Kolleginnen und Kollegen bei dir im Betrieb?
Aufgrund der ungenauen Schnelltests und der vielen Minusstunden sind wir ziemlich angespannt. Zudem haben wir immer mal wieder Kinder oder Jugendliche, die »von der Straße kommen« und viel abgängig sind. Da schwingt immer die Ungewissheit mit, ob sich diese irgendwo angesteckt haben und wir müssen darauf vertrauen, dass sie sich im Haus an die Quarantäneregeln halten, solange wir keinen Schnelltest gemacht haben.
Quasi im Hausarrest
Ich weiß von Kolleg:innen, dass sie ewig ihre Verwandten nicht gesehen haben, weil sie sie schützen möchten und wir einfach mit so vielen unterschiedlichen Kindern und Jugendlichen zu tun haben und wir einfach insgesamt sehr unsicher sind. Ich selber befinde mich seit November quasi in »Hausarrest« und treffe mich mit niemandem und gehe nur einkaufen und fahre mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit. Keinen Ausgleich zu einer gleichbleibenden intensiven Arbeit zu haben, ist auf Dauer sehr belastend. Tatsächlich haben wir auch einen Corona-Bonus im Dezember erhalten, über den sich alle sehr gefreut haben.
Wie ist der Gesundheitsschutz bei dir im Betrieb geregelt? Fühlst du dich geschützt?
Alles in allem: Ja. Wir bekommen ausreichend FFP2-Masken, Schutzkleidung zum Durchführen der Tests und es gibt regelmäßige Corona-Neuigkeiten-Mails. Für die Kinder und Jugendlichen gibt es jedoch »nur« OP-Masken, außer im Sonderfall wie zum Beispiel Zimmerquarantäne.
Meine Vorgesetzte wird nun auch versuchen, dass wir frühzeitig geimpft werden, was ich sehr begrüße.
Ist die Kantine offen?
Wir haben keine Kantine.
Was hältst du von der Initiative #ZeroCovid?
Sehr viel, vor allem der Punkt des solidarischen Shutdowns, also dass nicht nur der Freizeitbereich abgeriegelt wird, sondern auch alle nicht notwendigen Betriebe geschlossen oder konsequent ins Homeoffice geschickt werden. Dieser Punkt beschäftigt auch meine Kolleg:innen, da ihre Partner:innen meist die gesamte Pandemie über ins Büro mussten, da sich die Chefs bis jetzt weigern, ein Homeoffice anzubieten.
#ZeroCovid: Solidarischer Shutdown
Zudem bin ich überzeugt, dass wir die Pandemie nur überstehen, wenn wir eine sehr gute Impfstrategie haben und dabei an alle denken. Solange es nur um die Interesse der Pharmakonzerne geht und die Patente der Wirkstoffe nicht freigegeben werden, wird es noch ewig dauern, bis die Weltbevölkerung ausreichend durchgeimpft ist. Denn sturer Nationalismus bringt uns in einer weltweiten Pandemie nicht weiter.
Was forderst du von deiner Gewerkschaft?
Ich fordere, dass sich meine Gewerkschaft für folgende Mindeststandards in der stationären Kinder- und Jugendhilfe einsetzt: FFP-2-Masken für alle (Beschäftigte und Kinder/Jugendliche), es gibt keine Doppelzimmer-Unterbringung mehr, einen (erneuten) flächendeckenden Corona-Bonus und Schnelltest-Konzepte, die eine angemessene Schulung von nicht-medizinischem Personal vorsieht. Zudem sollte sie die Initiative von #ZeroCovid unterstützen und sich den Forderungen anschließen.
Was erwartest du von der LINKEN?
Dass sie sich der Initiative #ZeroCovid anschließt und sich für die dort formulierten Punkte stark macht. Ich erwarte, dass die Forderung nach einer Vermögensabgabe jetzt und nach der Krise unser zentralster Punkt wird, damit sich die Reichsten der Reichen nicht aus der Verantwortung ziehen können, sondern zur Kasse gebeten werden.
Der vollständige Name ist der Redaktion bekannt.
Mach mit!
#CovidatWork – unter diesem Hashtag werden weltweit Geschichten aus dem Arbeitsalltag gesammelt und veröffentlicht. marx21 beteiligt sich mit einer eigenen Serie namens #Schichtgeschichten, und du kannst dabei helfen. Was erlebst du im Job unter den Bedingungen von Corona? Hier geht es zu unserem Online-Formular: Arbeit und Corona.
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Schlagwörter: #CovidAtWork, #ZeroCovid, Corona, Covid-19, Inland