Es war der beste Wahlkampf, den DIE LINKE jemals in Darmstadt abgeliefert hat und trotzdem hat sie die Hälfte ihrer Stimmen verloren. Ein Wahlkampfabriss mit Perspektive. Von Lisa Hofmann und Simo Dorn
Darmstadt ist eine grün-schwarz regierte Stadt. Durch die insgesamt fünf Universitäten und Hochschulen ist die südhessische Stadt stark studentisch geprägt. Da die größte Universität eine Technische Uni ist, ist das linke studentische Milieu weniger stark ausgeprägt als in Marburg oder Freiburg. Darmstadt musste nach dem Zweiten Weltkrieg großteils wieder aufgebaut werden und wurde dabei als autofreundliche Stadt designt. Zwar sind jetzt auch Fahrradwege auf dem Vormarsch, deren Bau geschieht aber nur sehr schleppend. In so einem grün-konservativem Stadtmilieu effektiven Wahlkampf für DIE LINKE zu machen, bedurfte einiger Kreativität:
Mehr Aktionismus wagen
Wir haben in Schlauchbooten auf Waldseen den Wahlkampf eingeläutet, Straßentheater mit selbstgebastelten Häusern, einem Miethai-Kostüm und dem rettenden Mietendeckel gespielt, Banner begleitet von Pyrotechnik auf Autobahnbrücken gehängt, um für eine Verkehrswende zu werden. Genoss:innen haben sich um 5 Uhr, zu Beginn der Frühschicht, vor die Werkstore der großen Chemieunternehmen gestellt und Frühstücksbeuteln mit Infomaterial verteilt. Wir haben mit Beamern Forderungen an die Fassaden der hessischen Handelskammer projiziert. Wir haben zusammen mit zwei kurdischen Vereinen und der IG Metall Jugend ein Sommerfest veranstaltet, dass auf eine überraschend große Resonanz traf. Noch am Abend vor der Wahl haben wir einen Nachtinfostand mit Cocktails und Getränken veranstaltet. Wir haben nicht bloß die Innenstadt mit Programm bespielt, sondern waren ebenso in den Vororten präsent und haben benachbarten Kreisverbänden im ländlichen Raum tatkräftig unter die Arme gegriffen.
Soziale Bewegungen fallen im Wahlkampf gerne hinten runter
Das lokale Klimabündnis, in das wir uns ebenfalls maßgeblich einbringen, konnte zum Global Climate Strike am 24. September 7000 Menschen auf die Straße mobilisieren. Obwohl DIE LINKE sehr gut und auch persönlich mit der lokale Klimabewegung vernetzt ist, beharrte das Bündnis auf einer dogmatischen »Überparteilichkeit« und machte indirekt Wahlkampf für die Grünen. Das Wahlergebnis lässt sich jedoch nicht darauf oder unseren eigenen Wahlkampf zurückführen, sondern hat andere Ursachen.
Unser Wahlkampf wurde maßgeblich von jungen und motivierten Genoss:innen organisiert. Das Durchschnittsalter im Wahlkampfteam und bei den Helfer:innen belief sich auf unter 30 Jahre. Von langjährigen Parteimitgliedern kam die begeisterte Rückmeldung, dass dies der beste Wahlkampf gewesen sei, den DIE LINKE in Darmstadt je abgeliefert hätte. Trotzdem haben wir als Kreisverband die Hälfte der Stimmen von 2017 eingebüßt. In Darmstadt selbst liegt die Zustimmung zwar noch über dem Bundesdurchschnitt, jedoch haben wir im schwachen ländlichen Raum um die Stadt herum teilweise weniger drei Prozent erzielt. Wir meinen: Der Ausdruck und die Themensetzung der Bundespartei ist daran schuld.
Die Spitzenkandidaten traten zu angepasst auf
Bei einer Kippe nach der Wahlpartei wurde die Partei nicht an den Nagel gehängt, sondern die Frage gestellt, ob wir zu soft waren. »Hätten wir kämpferischer Auftreten sollen?«
Die Antwort darauf ist: Nein. Nicht wir hätten kämpferischer Auftreten sollen, sondern die gesamte Partei. Die Spitzenkandidat:innen hätten kämpferischer und überzeugter von den eigenen Inhalten auftreten sollen. Unsere politischen Kontrahent:innen hätten für ihre Positionen angegriffen werden sollen.
Auch in Darmstadt hatten wir bereits über den gesamten Wahlkampf bemerkenswert viele Parteieintritte, seit dem Wahlabend setzt sich dies fort. Wir müssen diesen neuen Genoss:innen etwas anbieten und das muss etwas sein, dass sich entschieden von dem abgrenzt, was zu diesem Wahlergebnis geführt hat. Mit einem »Die LINKE muss regierungsfähig gemacht werden« werden diese Menschen nicht abgeholt. Sie sind in DIE LINKE eingetreten, weil sie klare Positionen stärken und Dinge verändern wollen.
Foto: Tim Dreyer
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