Hetze gegen den Islam ist in Deutschland inzwischen mehrheitsfähig. Wenn die Linke dem Rechtsruck etwas entgegensetzen will, muss sie den Kampf gegen antimuslimischen Rassismus viel ernster nehmen. Sechs Thesen vom Netzwerk marx21
1. Die AfD hat sich zur politischen Speerspitze des antimuslimischen Rassismus entwickelt. Sie erfüllt eine Doppelfunktion: Während sie es schafft, aus der Mitte der Gesellschaft gewählt zu werden, stärkt ihr Rassismus auch der gesamten rechten bis Nazi-Szene den Rücken.
Die »Alternative für Deutschland« ist seit 1949 die erste Partei im Bundestag, die einer Religionsgemeinschaft abspricht, sich gleichberechtigt entfalten zu dürfen. Die AfD will Minarette, Schleier und Muezzinrufe verbieten. Frauen und Mädchen mit Kopftüchern sollen nicht mehr die Schule besuchen dürfen. Die Partei bezeichnet den Islam als »Fremdkörper«, den man »nicht in Deutschland haben« wolle. Eine ganze Reihe von Maßnahmen soll das muslimische Leben in Deutschland einschränken und letztlich unmöglich machen. Einzelne Politikerinnen und Politiker ihrer Partei fordern gar, die Religionsfreiheit für Muslime in diesem Land gänzlich abzuschaffen, sowie ein Zuwanderungsverbot für Muslime. In einer Umfrage von Infratest dimap für die ARD-Wahlanalyse stimmen 92 Prozent der befragten AfD-Wählerinnen und -Wähler folgender Aussage zu: »Ich mache mir große Sorgen, dass der Einfluss des Islam in Deutschland zu stark wird.«
Mit der Festlegung auf das Thema Islam will die Partei ihren Aufstieg fortsetzen und an den europaweiten Erfolgen der radikalen Rechten anknüpfen. Vom Front National in Frankreich über die FPÖ in Österreich und die Lega Nord in Italien bis zum Vlaams Belang in Belgien – alle diese Parteien konnten mit einem scharfen Anti-Islam-Profil Wahlerfolge feiern.
Kritik am Anti-Islam-Kurs der AfD kam aus allen Parteien. Doch so richtig diese Kritik auch ist: Die meisten schweigen darüber, dass der antimuslimische Rassismus der bürgerlichen Mitte den Islamfeinden in der AfD Rückenwind gibt. Zwar betonte Kanzlerin Angela Merkel in der Auseinandersetzung mit der AfD noch einmal: »Der Islam gehört zu Deutschland.« Doch an ihrer islamfeindlichen Politik änderte die Bundesregierung nichts. Meistens traten in der Vergangenheit beide Unionsparteien dafür ein, eine Ungleichbehandlung im Vergleich zu Christen- oder Judentum rechtlich zu verankern. Dazu gehörte beispielsweise das Kopftuchverbot oder das Festhalten am Verbot der muslimischen Erdbestattung.
Die AfD und die rechte Szene setzen darauf, dass Politikerinnen und Politiker der etablierten Parteien ebenso wie ein Großteil der Medien das Feindbild Islam weiter aufbauen. Diese Strategie wird schon länger diskutiert. Jürgen Gansel, der für die NPD zwischen 2004 und 2014 im Sächsischen Landtag saß, drückt die dahinterstehenden Überlegungen folgendermaßen aus: »Die nationale Opposition ist also wahltaktisch gut beraten, die Ausländerfrage auf die Moslemfrage zuzuspitzen (ohne sie freilich darauf zu beschränken) und die Moslems als Projektionsfläche für all das anzubieten, was den Durchschnittsdeutschen an Ausländern stört. Die populäre Moslemkritik kann so zum Türöffner für die viel weitergehende Ausländerkritik der nationalen Opposition werden.«
Mittel hierzu waren in den letzten Jahren vor allem Kampagnen gegen Moscheebauten und Aktionen gegen eine Minderheitenströmung im Islam, nämlich die Salafitinnen und Salafiten. Federführend im rechten Spektrum waren vor allem die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD), die diversen Pro-Parteien in Westdeutschland und Netzwerke von rechten Hooligans. Die Pegida-Aufmärsche reihen sich in diese Strategie ein, verbesserten jedoch die Kampflage für die Rechten: Erstmals konnten die Islamfeinde mit ihren Mobilisierungen weit ins bürgerliche Spektrum ausgreifen.
Die AfD hat sich jetzt zur politischen Speerspitze des antimuslimischen Rassismus entwickelt. Sie erfüllt eine Doppelfunktion: Während sie aus der Mitte der Gesellschaft gewählt wird und bereits vorhandene rassistische Ressentiments in Wählerstimmen ummünzt, stärkt sie damit auch der gesamten rechten und Nazi-Szene den Rücken. Die Partei ist zu einem Sammelbecken von Nazikadern geworden. Sie verfolgen das Ziel, die diversen bisher eher auseinanderstrebenden Teile des rechten Spektrums in einer neuen Partei zu bündeln und diese zum parlamentarischen Erfolg zu führen, um damit die rechte Bewegung auch außerhalb der Parlamente zu stärken. Der Rechtsextremismus-Forscher Matthias Quent meint gegenüber dem Handelsblatt: »Durch den verfassungswidrigen Anti-Islam-Kurs der AfD verwischen die Grenzen zum gewaltbereiten Rechtsextremismus ideologisch und politisch zunehmend. Das ist für Neonazis und Rechtspopulisten eine Win-Win-Situation. Neonazis finden für ihre Positionen ein öffentliches Sprachrohr mit hoher medialer Resonanz und die Rechtspopulisten profitieren davon, dass ihre Teilnehmerzahlen auch durch dieses Klientel nicht noch weiter sinken.«
2. Was die AfD ausspricht, setzen andere in die Tat um: Die Islamfeindlichkeit in Deutschland wächst dramatisch. Von rassistischen Beschimpfungen auf der Straße, Drohbriefen oder hasserfüllten Postings in den sozialen Medien bis hin zu gewalttätigen Übergriffen. Für die Betroffenen ist der antimuslimische Rassismus zu einer alltäglichen Bedrohung geworden.
Mehrere Studien belegen, wovor die muslimische Gemeinde immer gewarnt hat: Die Islamfeindlichkeit ist in Deutschland inzwischen mehrheitsfähig geworden. Laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung sind 61 Prozent der Menschen in Deutschland der Meinung, dass » (…) der Islam nicht in die westliche Welt passe«. Dies entspricht einem Anstieg von fast 9 Prozentpunkten innerhalb von nur drei Jahren. 19 Prozent der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland geben an, keine Muslime als Nachbarn haben zu wollen.
Die Leipziger »Mitte«-Studie 2016 mit dem Titel »Die enthemmte Mitte« kommt zu ähnlich dramatischen Erkenntnissen: So gab die Hälfte der Befragten an, sich durch Muslime »wie ein Fremder im eigenen Land zu fühlen«. 2014 waren es noch 43 Prozent und 2009 etwa 32,3 Prozent. 41 Prozent sprechen sich sogar dafür aus, dass Muslimen die Zuwanderung nach Deutschland untersagt werden solle. Vor sieben Jahren stimmte dieser Aussage lediglich jeder Fünfte zu.
Im Windschatten dieser zunehmenden Islamfeindlichkeit kommt es immer öfter zu rassistischer Gewalt gegen Muslime oder gegen muslimische Gebetshäuser. Insgesamt 416 politisch motivierte Angriffe gegen muslimische Gebetsräume und Moscheen zählt das Bundesinnenministerium von Anfang 2001 bis März 2016, darunter Brandstiftungen und Sprengstoffanschläge. Sachbeschädigungen und Nazi-Schmierereien machen mehr als die Hälfte der Fälle aus. Die Zahlen steigen jedoch dramatisch: 2010 gab es 23 Angriffe gegen Moscheen, 2015 waren es schon 75 und 2016 gab es mit 91 Angriffen einen neuen Höchststand. Die tatsächliche Zahl mag höher liegen, da muslimischen Verbänden zufolge viele Übergriffe nicht polizeilich gemeldet werden. Einige Moscheen benötigen mittlerweile den gleichen Polizeischutz wie etliche Synagogen. Beides ist mehr als verstörend in einem Land, in dem vor 80 Jahren weit über tausend Synagogen angezündet wurden.
3. Während Politikerinnen und Politiker behaupten, dass es ihnen bei Kopftuch- und Burkaverboten um das Wohl der Frauen gehe, sind muslimische Frauen am stärksten von antimuslimischem Rassismus betroffen. Linke sind gefordert, Stellung zu beziehen für das Recht von muslimischen Frauen, das Kopftuch zu tragen.
Die Mehrheit derjenigen, die wegen ihres Glaubens beschimpft oder gar tätlich angegriffen werden, ist weiblich. »Frauen, die rein äußerlich als Muslime kenntlich sind, werden auf offener Straße am häufigsten Opfer von Gewalt und sonstigen Schikanen«, erklärt Fiyaz Mughal von der Organisation Tell Mama aus Großbritannien, die auf die Erfassung solcher Angriffe spezialisiert ist. Auch in Deutschland ist das so. Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, beklagt: »Frauen mit Kopftuch werden bespuckt, beleidigt, drangsaliert.«
Für Linke sollte klar sein: Zwang und Kleidungsverbote befreien Frauen keinesfalls. Im Gegenteil: Solche Forderungen schränken den Zugang zu Bildung, zum Arbeitsmarkt und die Religionsfreiheit für Frauen ein. Auch auf dem Arbeitsmarkt werden Frauen mit Kopftuch aufgrund ihres Glaubens diskriminiert. In verschiedenen Bundesländern sind sie nach wie vor vom Lehrberuf ausgeschlossen, obwohl das Bundesverfassungsgericht schon vor über einem Jahr geurteilt hat, dass diese Praxis gesetzeswidrig ist. In Hessen hat die schwarz-grüne Landesregierung über den Tarifvertrag ein Verbot von Vollverschleierung im öffentlichen Dienst durchgesetzt.
Doch auch abseits der direkten institutionellen Diskriminierung sind muslimische Frauen auf dem Arbeitsmarkt benachteiligt. Eine Studie des Bonner Instituts zur Zukunft der Arbeit (IZA) von 2016 verdeutlicht die Ablehnung. Im Falle der Bewerbung einer Bewerberin mit türkischem Namen und Kopftuch erfolgte nur auf 4,2 Prozent aller Bewerbungen eine Einladung zum Bewerbungsgespräch. Die Kandidatin mit deutschem Namen erhielt in 18,8 Prozent der Fälle eine positive Rückmeldung und die mit türkischstämmigem Namen ohne Kopftuch immerhin noch in 13,5 Prozent der Fälle. Bewerberinnen mit Kopftuch müssen somit 4,5 Mal mehr Bewerbungen schreiben, um eine positive Antwort zu erhalten. Bei höher qualifizierten Stellen waren noch mehr Bewerbungen nötig.
Auch im Alltag sind Frauen mit Kopftuch ein Feindbild vieler Menschen. So meinen 16 Prozent der Deutschen, das Kopftuch bedrohe die europäische Kultur. Absurd angesichts der Tatsache, dass der Studie »Muslimisches Leben in Deutschland« von 2009 zufolge 72 Prozent der in Deutschland lebenden Muslima überhaupt kein Kopftuch tragen. Trotzdem sind 60 Prozent der gesamten Bevölkerung in Deutschland der Meinung, dass das Kopftuch ein Symbol für Unterdrückung sei. Eine These, die im Widerspruch zum Willen derjenigen muslimischen Frauen, die das Kopftuch tragen wollen, steht. Eine Studie von der Konrad-Adenauer-Stiftung aus dem Jahre 2006 kommt zu dem Schluss, dass es sich »bei den Kopftuch tragenden Musliminnen mehrheitlich um selbstbewusste, religiöse Frauen handelt«. Frauen, die sich verschleiern, verbinden damit also nicht zwangsläufig Unfreiheit oder Unterordnung unter den Mann.
Bisher haben sich die meisten Linken eher zurückgehalten, wenn es um die Aufhebung des Kopftuchverbots ging, manche haben sogar offensiv für das Verbot geworben. Das muss sich ändern. Linke sind gefordert, Stellung zu beziehen: Für das Recht von muslimischen Frauen, das Kopftuch zu tragen oder nicht. Und Linke sollten die Angriffe auf die Religionsfreiheit von Muslima, die unter dem Deckmantel der Emanzipation daherkommen, als das enttarnen, was sie sind: rassistische, autoritäre und frauenfeindliche Politik.
4. Rassistische Ideologien sind keine fixen, konstanten Gebilde, sie sind einem historischen Formwandel unterworfen. Islamfeindlichkeit erfüllt mittlerweile alle Merkmale des klassischen Rassismus.
Das Wesen des Rassismus besteht darin, Menschen dunkler Hautfarbe und anderer äußerlicher Merkmale oder anderer ethnisch-kultureller Herkunft als Menschen zweiter Klasse abzuwerten, zu diskriminieren und auszugrenzen bis hin zur Deportation und zur physischen Vernichtung. Rassismus ist ein Angriff auf die Gleichwertigkeit und Einheit der Menschheit unabhängig von ihrer Hautfarbe oder kulturell-religiösen Besonderheiten. Rassistische Ideologien sind keine fixen, konstanten Gebilde, sie sind einem historischen Formwandel unterworfen. Rassismus entsteht, indem Menschen wegen ihres Äußeren, ihrer nationalen oder ethnischen Zugehörigkeit oder ihrer Religion negative Eigenschaften zugeschrieben werden. Gemeinsam ist allen Erscheinungsformen des Rassismus, dass die den vermeintlich Anderen zugeschriebenen negativen Eigenschaften als unveränderlich und unhistorisch dargestellt werden.
Die zunehmende Islamfeindlichkeit erfüllt mittlerweile alle Merkmale des klassischen Rassismus. Islamfeindlichkeit ist eine Ideologie, die Muslimas und Muslime sowie den Islam insgesamt als völlig anders als die eigene Gruppe – in unserem Fall: die »deutsche Mehrheitsgesellschaft« – darstellt und damit ausgrenzt. Ihnen werden aufgrund ihrer Religion besondere Merkmale und Verhaltensweisen unterstellt. Folglich werden Menschen mit einem vermeintlich muslimischen Hintergrund unabhängig von ihrer Selbstverortung nur noch über ihre Religion definiert: Ein Mensch handelt so oder so, weil er Muslim sei. Anstelle der Konstruktion der Rasse werden Menschen in das Korsett einer kulturell-religiösen Gruppe gesteckt. Diese fiktive Gruppe wird als Einheit gesehen.
So wird seit Jahren der Islam in der Öffentlichkeit gezielt mit überwiegend negativ besetzten Themen in Zusammenhang gebracht: Terrorismus, Frauenunterdrückung, Homophobie oder Antisemitismus. Das passiert, obwohl in Deutschland die allermeisten Terrorangriffe auf das Konto des Rechtsterrorismus gehen. Überwiegend sind Menschen muslimischen Glaubens Opfer von Gewalt und nicht Täter. Auch die Angriffe auf das Selbstbestimmungsrecht von Frauen und auf die Rechte von Homosexuellen stammen hauptsächlich nicht von islamischen Gläubigen, sondern von fundamentalistischen christlichen Strömungen. In Berlin demonstrieren seit mehreren Jahren tausende sogenannte Lebensschützer gegen das Recht auf Abtreibung. Verschwiegen wird zudem, dass der Antisemitismus durchaus in der deutschen Mehrheitsgesellschaft verankert ist und ein gesamtgesellschaftliches Problem darstellt.
5. Der antimuslimische Rassismus liegt weder in der Natur des Menschen, noch ist er eine spontane Reaktion der Menschen auf politische oder soziale Krisen. Die zunehmende Islamfeindlichkeit ist Produkt einer gezielten Meinungsmache: Die Produzenten des antimuslimischen Rassismus kommen aus der Mitte der Gesellschaft.
Die Entstehung der Islamfeindlichkeit als neuer Spielart des Rassismus erfolgte in Deutschland in zwei Phasen: eine erste außenpolitische Phase begann nach den Anschlägen vom 11. September 2001 und mit dem sich daran anschließenden Eintritt Deutschlands in den Krieg gegen die Taliban in Afghanistan. Sie diente der Legitimation der weiteren Militarisierung der deutschen Außenpolitik. Eine zweite innenpolitische Phase fällt mit dem Ausbruch der Weltwirtschaftskrise im Jahr 2008 und den daraus entstehenden sozialen Konflikten zusammen. Sie diente in erster Linie dem Zweck, die in Deutschland lebende islamische Minderheit als Sündenbock für einen vermeintlich drohenden Niedergang Deutschlands zu stigmatisieren.
Die Produzenten dieses neuen Rassismus kommen aus der Mitte der Gesellschaft. Von SPD-Mitglied Thilo Sarrazin über den Autor Henryk M. Broder bis zu Alice Schwarzer, Herausgeberin des Monatsmagazins »Emma«. Ihre Bücher tragen Titel wie: »Die Krankheit des Islam«, »Der islamische Faschismus«, »Mekka Deutschland: Die stille Islamisierung« oder »Der Islam, der uns Angst macht«. Diverse Titelgeschichten auflagenstarker Magazine wie »Spiegel«, »Stern« oder »Fokus« sowie die Berichterstattung im Fernsehen reihen sich hier ein. Sie porträtieren den Islam als böse und predigen den Kampf der Kulturen. Die Religion wird als aggressiv, unveränderlich, fremd und minderwertig dargestellt.
So zeigte eine Studie von Kai Hafez und Carola Richter über das Islambild von ARD und ZDF deutlich, wie negativ über den Islam berichtet wird. In 133 Sendungen der öffentlich-rechtlichen Sender wurde der Islam in 81 Prozent der Fälle in Zusammenhang mit negativ aufgeladenen Themen repräsentiert. Eine Studie des Schweizer Auswertungsdienstes Media Tenor kommt 2014 zu dem Schluss, dass das Bild des Islam in den Medien auf einem neuen Tiefpunkt angelangt sei. Die Studie wertete 2,6 Millionen TV-Sendungen in Deutschland, Großbritannien und den USA aus. Deutsche Medien berichten einer weiteren Erkenntnis der Studie zufolge besonders negativ. Für Deutschland untersuchte Media Tenor fast 266.000 Berichte über religiöse Akteure innerhalb eines Jahres aus 19 deutschen TV-, Radio- und Printmedien. Christian Kolmer, Leiter Politik bei Media Tenor fasst den Befund der Analyse zusammen: »Wie das Image des Islam sich aus diesem absoluten Tiefstand erholen soll und in welchem Zeitraum das möglich ist, muss alle Kräfte der Integration mit größter Sorge erfüllen«.
Der Fall des SPD-Mitglieds Thilo Sarrazin ist hier besonders lehrreich, sowohl, was den Inhalt seines Buches »Deutschland schafft sich ab« angeht, als auch hinsichtlich des Umgangs mit seinen Thesen in der veröffentlichten Diskussion. Kein anderes politisches Sachbuch seit Hitlers »Mein Kampf« hat eine so hohe Auflage – 1,5 Millionen bis Juli 2012 – erzielt. Sarrazins Thesen machten die Islamfeindlichkeit in Deutschland weiter salonfähig und schlagen Brücken nach rechts. Der Fraktionsvorsitzende der AfD im Thüringer Landtag, Björn Höcke: »Thilo Sarrazin sagte einmal, dass er, wenn er den Muezzin rufen hören möchte, ins Morgenland fahren würde. Dem ist nichts hinzuzufügen. Ich wünsche nicht, dass Europa ein vom Islam dominierter Kontinent wird – er hat eine Heimat. Punkt.«
6. Es ist die Aufgabe von Linken, Rassismus gegen religiöse Minderheiten zurückzuweisen, ungeachtet dessen, wie sympathisch uns einzelne Gruppierungen sein mögen. Der Kampf gegen Rassismus und die AfD bedarf einer besonderen Anstrengung der Linken. Die von Rassismus betroffene religiöse Minderheit der Muslimas und Muslime muss in die antirassistische und antifaschistische Bewegung miteinbezogen werden.
Um den antimuslimischen Rassismus und die AfD zurückzudrängen, bedarf es einer besonderen Anstrengung der Linken. Wir brauchen eine offensive gesellschaftliche Aufklärung gegen den antimuslimischen Rassismus. Zugleich brauchen wir breite und entschlossene Bündnisse gegen die AfD – unter Beteiligung von SPD, Grünen, Gewerkschaften sowie muslimischen, jüdischen und christlichen Verbänden und anderen sozialen Gruppen. Das weitere Ausgreifen der AfD und ihrer rassistischen Hetze gegen Muslime und Geflüchtete wird das zentrale Thema für die gesellschaftliche Linke in den nächsten Jahren werden. Wir dürfen uns nicht vor dem Kernthema der AfD, Pegida und Co. wegducken. Ein Klima der Entsolidarisierung untergräbt soziale Kämpfe. Deshalb müssen wir uns aktiv gegen die rassistische Ideologie stemmen und gegen die AfD als ihren organisatorischen Sammlungspunkt mobilisieren. Der Hetze gegen Muslime kann nicht einfach mit der Forderung nach mehr Hartz IV begegnet werden, sondern es braucht eine klare antirassistische Positionierung und eine Bewegung gegen die AfD auf der Straße.
Linke sollten sich für die Gleichberechtigung der Religionen und die Trennung von Staat und Kirche einsetzen, anstatt sich nur in abstrakter Religionskritik zu üben. Wir sollten die Ursachen bekämpfen, die Religion als Schmerzmittel attraktiv machen, statt unsere Zeit dem Kampf gegen Religion selbst zu widmen. Eine Linke, die sich gegen soziale Spaltung, Ausgrenzung und Diskriminierung stellt, ist in der Lage, für eine Welt zu kämpfen, in der die Menschen nicht mehr ihre Schmerzen betäuben müssen. Linke sollten sich schützend vor diejenigen stellen, die von rassistischer Gewalt bedroht sind. Sie sollten zwischen Opfern von Rassismus keinen Unterschied machen. So wie wir uns solidarisch vor Opfer antisemitisch motivierter Übergriffe stellen, sollten wir uns schützend vor Muslimas und Muslime stellen, wenn diese unter dem Deckmantel der Islamkritik bedroht werden. Das Problem heißt Rassismus, nicht Islam.
Schlagwörter: AfD, Antisemitismus, Diskriminierung, Emanzipation, Homophobie, Inland, Islam, Islamfeindlichkeit, Islamfeindschaft, Kopftuch, Muslime, Rassismus, Sarrazin, Verschleierung