Katharina Sass meint, dass es keinerlei Belege dafür gibt, dass Gewalt gegen Prostituierte durch ein Sexkaufverbot zunimmt. Katharina widerspricht damit der These von Rosemarie Nünning. Rosemaries Anwort findest hier.
Es ist schön, dass Rosemarie Nünning und ich uns einig sind, dass eine Welt ohne Prostitution wünschenswert ist. Das ist innerhalb der durch neoliberale Ideologie beeinflussten deutschen Linken keine Selbstverständlichkeit.
Neues Prostitutionsgesetz ist ein Rückschritt
Auch sind wir uns einig, dass die im neuen Prostitutionsgesetz vorgesehenen Pflichtberatungen und insbesondere die drohenden Bußgelder für Prostituierte einen Rückschritt darstellen. Schon August Bebel hatte kein Verständnis für derartige »Schutzmaßnahmen des Staates für die räudigen Männer«, welche selbst stets ungestraft davonkommen.
Kondompflicht ist richtig
Positiv ist allenfalls, dass in der deutschen Öffentlichkeit nun ein Handlungsbedarf erkannt wird und die brutalen Auswüchse der Liberalisierung von 2002 zunehmend wahrgenommen werden. Auch die Kondompflicht zeigt zumindest dahingehend in die richtige Richtung, dass bei Verstößen nur die Käufer bestraft werden sollen. Dennoch wird dieses Gesetz mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit keinerlei Probleme lösen. Wir brauchen also eine Debatte darüber, wie es besser gehen kann.
Sexkaufverbot führt nicht zu mehr Gewalt
Dafür sollten wir uns mit den Effekten der nordischen Gesetze beschäftigen. Hier beginnt die Uneinigkeit. Nünning behauptet, in Schweden fände Prostitution »im Dunkelfeld« und mit »viel höherer Gefährdung« statt. Auf welcher Grundlage stellt sie diese Behauptungen auf? Auf der Internetseite »LINKE für eine Welt ohne Prostitution« haben wir vor kurzem die deutsche Übersetzung des norwegischen Evaluationsberichtes von 2014 zur Verfügung gestellt. Dort lässt sich nachlesen, dass es keinerlei Belege dafür gibt, dass die Gewalt durch das Sexkaufverbot zugenommen habe.
Verbot von Sexkauf hat Prostitution eingedämmt
Auch ist es zwar richtig, dass die genaue Größe des Prostitutionsmarktes nicht leicht zu ermitteln ist, das gilt aber in Deutschland, dem Bordell Europas, in sehr viel höherem Grad. In Deutschland gibt es ein riesiges Dunkelfeld. Die norwegischen Forschungen zeigen dagegen eindeutig, dass die Prostitution eingedämmt wurde. Natürlich gibt es auch in Skandinavien noch Sexkäufer; etwas Anderes zu erwarten wäre naiv. Doch den Rückgang der Nachfrage bestätigen auch die Prostituierten selbst. Auch die HIV-Gefährdung ist in einem Land wie Deutschland, min dem sich Sexkäufer frei im Internet darüber unterhalten können, wo es die »Ware« am billigsten ohne Kondom gibt, sicherlich größer. Im Übrigen: Wenn die Gesetze des bürgerlichen Staates so sinnlos sind, sollen wir das Verbot von Vergewaltigung dann auch abschaffen? Ist es besser, einfach jede Art von Gewaltausübung zu tolerieren?
Die Täterseite in den Blick nehmen
Ich bin mir nicht sicher, ob Nünning anerkennt, dass Sexkäufer sexuelle Gewalt ausüben. Die deutsche Traumaforschung hat sich eingehend mit den Auswirkungen dieser Gewalt auf die Prostituierten beschäftigt (siehe hier). Es ist an der Zeit, die Nachfrage- und Täterseite in den Blick und in die Verantwortung zu nehmen.
Zur Autorin: Katharina Sass ist Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlerin. Sie ist Mitgründerin des Netzwerks »LINKE für eine Welt ohne Prostitution«.
Auf marx21.de eröffneten wir die Debatte mit dem Beitrag von Katharina Sass. Sie meint: »Ein Sexkaufverbot stärkt die Stellung der Prostituierten«. Darauf antwortete Rosemarie Nünning. Ihre These: »Verbote verschieben Prostitution nur in den Untergrund, mit verheerenden Folgen für die betroffenen Frauen«. Hier findest du eine erneute Antwort von Katharina Sass und den Replik von Rosemarie Nünning. Was denkst du? Sollten wir als Linke für ein Verbot von Sexkauf eintreten?
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Schlagwörter: Debatte, Gewalt, Inland, Liberalisierung, marx21, Prostitution, Prostitutionsgesetz, Sexuelle Gewalt, Staat