Die Vorherrschaft des Dollars könnte wackeln. China wartet schon darauf, mit seiner Währung die Nachfolge anzutreten. Aber Alex Callinicos sieht Gründe, weshalb es mit dem Dollar doch noch nicht so bald zu Ende geht
Der Krieg in der Ukraine stellt alle Strukturen des globalen Kapitalismus in Frage. Er beschleunigt Veränderungen, die bereits im Gange waren. Eine der am meisten diskutierten Fragen ist, ob der Krieg die Vorherrschaft des US-Dollars untergraben wird oder nicht.
Auf den ersten Blick mag diese Spekulation seltsam erscheinen. Nutzen nicht gerade die Vereinigten Staaten zusammen mit der Europäischen Union (EU) ihre Vorherrschaft über das globale Finanzsystem, um jetzt Russland hart zu treffen? So haben sie der russischen Zentralbank verwehrt, auf ihre eigentlich großen Devisenreserven zuzugreifen.
Doch gerade diese Finanzsanktionen rufen Gegenmaßnahmen hervor. Die USA setzen zunehmend Sanktionen ein, um Druck auf Regime auszuüben, die sie nicht mögen. Schon vor dem Krieg betrieb das »Office of Foreign Assets Control« Sanktionen gegen 11.000 Organisationen und Einzelpersonen. Kein Wunder, dass Staaten nach Alternativen zum Dollar suchen, um ihre Abhängigkeit zu verringern. China bemüht sich schon lange um Alternativen zum Dollar.
Die Bemühungen Russlands, die Sanktionen zu umgehen, könnten solche Bemühungen fördern. Wladimir Putin hat sich an Chinas Präsidenten Xi Jinping gewandt, um wirtschaftliche und militärische Unterstützung zu erhalten. Wir beobachten bereits einen Anstieg der russischen Ölexporte nach China.
Renminbi statt Dollar?
Der wachsende Handel zwischen den beiden Ländern wird zwangsläufig in der chinesischen Währung, dem Renminbi, abgewickelt werden. Dies könnte der Anfang davon sein, dass der Renminbi eine größere Rolle im internationalen Währungssystem spielt. Ein gerade veröffentlichtes Forschungspapier des Internationalen Währungsfonds (IWF) zeigt denn auch, dass der Anteil des Dollars an den Zentralbankreserven von 71 Prozent im Jahr 1999 auf 59 Prozent im Jahr 2021 gesunken ist.
Aber der Renminbi war nicht der Hauptnutznießer dieses Rückgangs. Es waren andere »nicht-traditionelle Reservewährungen«, insbesondere der kanadische und australische Dollar, der südkoreanische Won und die schwedische Krone. Wie der Wirtschaftshistoriker Adam Tooze feststellt, gehören diese Währungen alle zu dem, was er als »finanzielles Sicherheitssystem« der USA bezeichnet. So sind die Zentralbanken dieser Länder über die nach der globalen Finanzkrise eingerichteten Kreditlinien, sogenannte Swaps, mit der US-Zentralbank, die Federal Reserve (Fed), verbunden.
Diese Swap-Linien ermöglichen es der Fed, diese Zentralbanken in Momenten der Finanzpanik mit Dollar zu versorgen. So fungieren sie als externe Stützen des Dollarsystems. Das Beispiel der Swap-Linien verdeutlicht, warum der Dollar heute so wichtig ist. Banken, Industrie- und Handelsunternehmen sind heute darauf angewiesen, sich auf den internationalen Märkten Geld zu beschaffen. Und diese Geldmärkte operieren hauptsächlich in Dollar. Die USA liefern auch den sichersten Finanzwert, die US-Staatsanleihen.
Einige Imperien sind mächtiger als andere
Wenn die Finanzmärkte ins Stocken geraten, greift die Fed ein und flutet die Märkte mit Dollar. In den letzten Jahren hat die internationale Kreditaufnahme in Renminbi zugenommen, was die große Rolle Chinas im Welthandel widerspiegelt. Aber die chinesische Regierung hat auch die Beteiligung chinesischer Unternehmen an den globalen Finanzmärkten eingeschränkt, weil sie befürchtet, die Kontrolle über sie zu verlieren.
Die chinesische Regierung müsste die Ein- und Ausfuhr von Kapital aus China wesentlich erleichtern, bevor die chinesischen Geldmärkte wirklich mit den Dollar-Märkten konkurrieren könnten. Was wir wahrscheinlich erleben werden, ist eine gewisse Fragmentierung des globalen Finanzsystems. China hat ein Interesse daran, den Handel und die Investitionen in Renminbi zu fördern, und zwar nicht nur, um Ländern wie Russland zu helfen, sondern auch, um sich selbst zu schützen, falls Washington die Sanktionswaffe gegen das Land richtet.
Die Experten sind sich nicht einig darüber, wie stark die Fragmentierung die Wirtschaft beeinträchtigen wird. Einer der Mitverfasser des IWF-Papiers, der Wirtschaftshistoriker Barry Eichengreen, vertritt seit langem die Ansicht, dass die Weltwirtschaft in der Vergangenheit mit mehreren Reservewährungen sehr gut funktioniert hat. Doch die Zeit der Vorherrschaft des Dollars ist noch lange nicht vorbei – vor allem dann nicht, wenn die USA auf die Unterstützung der EU zählen können, wie es jetzt beim Ukraine-Krieg der Fall ist. Wir befinden uns in einer Ära interimperialistischer Rivalitäten, aber einige Imperien sind mächtiger als andere.
Der Artikel erschien auf englisch in Socialist Worker. Übersetzung Thomas Weiß. Bildquelle: Wikipedia Billjones94
Schlagwörter: China, Finanzsektor, Imperialismus, Ukraine, US-Imperialismus, USA