Der republikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump stellt eine Gefahr dar. Doch seine politische Strategie ist alles andere als neu – und die Lage in den USA längst nicht so aussichtslos, wie es scheinen mag. Von Bill Crane
Donald Trumps Wahlkampf hat das politische Establishment schockiert. Die Republikaner, traditionell die Partei des US-Kapitals, müssen einen Präsidentschaftskandidaten ertragen, der regelmäßig über ihre Führung herzieht und wichtige Parteimitglieder als keine »echten Konservativen« heruntermacht. Der Öffentlichkeit ist der Milliardär bekannt als Star seiner langjährigen Fernsehserie »The Apprentice«, in der er in jeder Folge einen Jobbewerber »durchfallen« ließ. Weltweit hat er vor allem für Aufmerksamkeit gesorgt, weil er fordert, Geflüchteten aus dem Nahen Osten die Einreise in die USA zu verwehren, die Grenze zu Mexiko mit einer Mauer zu verstärken, um vermeintliche Drogenhändler und Vergewaltiger aus dem Land zu halten, und weil er immer wieder krude frauenfeindliche Bemerkungen zu Protokoll gibt.
Trump und die Linke
Und wie stehen wir Linken zu Trump? Sein hysterischer Rassismus gegen Geflüchtete aus dem arabischen Raum und gegen lateinamerikanische Zuwanderer brachten viele, nicht nur auf der Linken, sondern aus dem ganzen politischen Spektrum – seine eigene Partei eingeschlossen – dazu, ihn als »Faschisten« zu bezeichnen. Denn er stehe für eine wachsende extrem rechte Bewegung, die mit unmittelbarer Gewalt gegen Unterdrückte und jegliche fortschrittliche Bewegung drohe. Auf der anderen Seite haben Trumps hinlänglich bekannter Opportunismus, wenn es um Rassismus geht, ebenso wie seine Offenheit für protektionistische Positionen, die auch Gewerkschaften vertreten, manche auf der Linken argumentieren lassen, dass er keine so große Bedrohung darstelle, wie es zunächst erscheine.
Trumps politischer Schlingerkurs stellt eine Art des Rechtspopulismus dar, die in der Geschichte der USA schon früher üblen Rassismus mit Kritik an der »Elite« verbunden hat. Trump ist eine reale Bedrohung. Aber diese muss im Kontext der US-amerikanischen Politik und ihrer historischen Vorläufer verstanden werden.
Rassismus und »Anti-Politik«
Trump schwimmt nicht auf derselben Welle der »Anti-Politik« wie sie in den Platzbesetzungen in Südeuropa, Occupy in den USA oder Parteien wie Podemos in Spanien, aber auch in rechten Parteien wie der UK Independence Party und Beppe Grillos Bewegung der Fünf Sterne in Italien zum Ausdruck kommt. Alle diese Bewegungen stützen sich auf die weit verbreitete Ablehnung des etablierten Politikapparats und haben es so in manchen Fällen geschafft, selbst in politische Ämter gewählt zu werden.
Unzufriedenheit mit dem repräsentativen politischen System ist zwar ein Grund für Trumps Erfolg. Er verurteilte die Kriege in Afghanistan und im Irak mit der Begründung, dass dafür Milliarden ausgegeben wurden, die besser in die Wirtschaft und Infrastruktur der USA investiert worden wären. Bis vor kurzem unterstützte er das Recht auf Schwangerschaftsabbruch, stellte sich gegen die Mehrheit in der Republikanischen Partei gegen Freihandelsabkommen und vieles mehr. Aber Trumps Wahlkampf deswegen als »Anti-Politik« zu verstehen und zu meinen, die Unterstützung für ihn speise sich aus einer progressiven Ablehnung des Status quo statt aus fremdenfeindlicher und rassistischer Reaktion, wäre falsch. Trump spricht vielen aus der Seele, die vom bestehenden politischen System frustriert sind. Aber eine solche Stimmung ist nicht notwendigerweise progressiv. Im Gegenteil: Sie kann auch eng mit reaktionären und rassistischen Traditionen verbunden sein, die immer knapp unter der Oberfläche der US-amerikanischen Politik schwelen.
Zu glauben, dass Trump ein »anti-politischer« Kandidat sei, dessen Rassismus im Dienste seines Aufbegehrens gegen das Establishment steht, hieße, das Pferd von hinten aufzuzäumen. Wie Trump selbst immer wieder erklärt hat, steigen seine Zustimmungswerte regelmäßig nach besonders krassen rassistischen Äußerungen.
Trumps politische Wurzeln
Das sind keine Abweichungen. Zu Beginn seiner Immobilienkarriere in den 1990er Jahren freundete Trump sich mit verschiedenen Wortführern des Neoliberalismus in der Demokratischen Partei an und übernahm viele ihrer liberalen Positionen. Doch sein politischer und geschäftlicher Mentor war der konservative Rechtsanwalt Roy Cohn, einst enger Vertrauter des berüchtigten Präsidenten Joseph McCarthy. In den späten 1980er Jahren ließ Trump Zeitungsanzeigen schalten, die für die Todesstrafe warben, und setzte sich an die Spitze einer rassistisch motivierten Bewegung, die letztlich eine Legalisierung von Lynchjustiz forderte. Diese Phase prägte seine späteren politischen Aktivitäten. Vor nur fünf Jahren führte Trump die »Birther«-Kampagne an, die sich dafür einsetzte, dass nur in den USA Geborene Präsident werden können. Er zweifelte Barack Obamas US-Staatsangehörigkeit an und behauptete, dieser dürfe das Amt des Staatsoberhaupts gar nicht innehaben. Trump investierte einen Großteil seines politischen Kapitals in diese Kampagne, bis Obama dem Druck schließlich nachgab und seine Geburtsurkunde öffentlich vorlegte.
Seit dem Jahr 2000 nutzt Trump den stärker und radikaler werdenden Nativismus (eine Ideologie, die Vorrechte für in den USA Geborene fordert) des rechten Flügels der Republikaner aus, um sich ins Zentrum der Aufmerksamkeit zu manövrieren. Dennoch ist es ihm, anders als anderen Kandidaten seiner Partei, gelungen, sich als glaubwürdiger Opponent der politischen Klasse zu profilieren.
Rechte Kritik der »Elite«
Es kann kaum überraschen, dass in den USA, einer Nation, die auf der Versklavung Schwarzer und der gewalttätigen Enteignung der einheimischen Bevölkerung begründet ist, Rassismus im politischen Leben immer wieder eine Rolle spielt. Das Land wurde aber eben auch als Republik gegründet, also als Gemeinschaft, die die politischen Rechte und Freiheiten einer bestimmten Gruppe, nämliche weißer Männer, zur ihrer Grundlage erklärt. Rassismus kann in diesem Kontext ohne weiteres mit Aufbegehren gegen die »Eliten« und mit radikalen demokratischen Ansätzen gekoppelt werden.
Diese unselige Verbindung lässt sich bis zum Wahlkampf des Präsidenten Andrew Jackson in den 1820er Jahren zurückverfolgen. Jackson zog gegen eine vermeintliche politisch-wirtschaftliche Aristokratie zu Felde und forderte zugleich, aggressiver Land von den Ureinwohnern zu erobern. Weiter ging es mit der »Know-Nothing«- (Nichtwisser-) oder American Party, die ebenso auf Hass gegen Immigranten wie auf die politische Klasse gründete. Der rechte Populismus setzte sich fort in Übergriffen gegen chinesische Einwanderer in den 1890er und 1920er Jahren, wiederkehrenden Wellen des Ku-Klux-Klan-Mördertums, der rechtsradikalen John Birch Society mit ihren Verschwörungstheorien, dem Präsidentschaftswahlkampf des Verfechters der Rassentrennung, George Wallace, im Jahr 1968 und den Versuchen des erzreaktionären Pat Buchanan in den 1990er Jahren, mit elitenkritischen Parolen Präsidentschaftskandidat der Republikaner zu werden. Die Tea Party und Donald Trump sind nur die jüngsten Auswüchse einer alten Tradition der amerikanischen Politik.
Die Ideologie des rechten Populismus ist nicht einheitlich, aber sie hat zwei feste Konstanten. Die erste ist Rassismus, der sich in letzter Zeit vor allem gegen zwei Gruppen richtet: illegale Einwanderinnen und Einwanderer aus Südamerika und seit dem 11. September 2001 muslimische oder arabische Einwanderer. Die zweite sind Ressentiments gegen die politische Elite. Mit der »Elite« ist dabei allerdings nicht die Kapitalistenklasse oder die Führung des Staatswesens gemeint, sondern die liberale mittlere und obere Mittelschicht, die angeblich die Regierungsgeschäfte bestimmt und die einfachen Menschen (weiße Männer und Frauen) »verrät«, indem sie feindselige Ausländer ins Land lasse. Trump repräsentiert eine Radikalisierung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, aber er ist kein Faschist. Seine Unterstützer bilden keine Straßenbewegung wie Mussolinis Schwarzhemden oder die SA der Nazis.
Wendepunkt der US-Politik
Die Republikaner haben viele Jahre lang das Feld bestellt, das Trump nun aberntet. Nichtsdestotrotz unterscheidet er sich deutlich vom Stammpersonal der Partei. Obwohl Trump selbst Teil der herrschenden Klasse ist, repräsentiert er doch keinen Flügel des US-Kapitals. Kein Mitglied der herrschenden Klasse will ihn im Weißen Haus sehen. Trumps Größenwahn und sein Opportunismus und Wankelmut in wesentlichen Fragen wie dem Freihandel bedeuten, dass seine Präsidentschaft für sie in einem Desaster enden könnte. Erst die Krise des politischen Establishments und besonders der Republikaner hat für einen mögliche Sieg Trumps den Weg geebnet. Deshalb stellt sein Aufstieg einen Wendepunkt in der amerikanischen Politik dar, der die Rolle der Republikaner als führende politische Kraft des US-Kapitals in Frage zu stellen beginnt.
Sollte Trump die Wahl gewinnen, würde sein antagonistisches Verhältnis zur Führung der Republikanischen Partei wahrscheinlich dazu führen, dass er nach nur einer Amtszeit abtreten müsste. Die Partei wäre zu diesem Zeitpunkt in den Augen der herrschenden Klasse der USA und aller anderen wahrscheinlich ernsthaft diskreditiert. Seine Wahl würde andererseits auch die revanchistische Rechte stärken und zu einem Anwachsen der Angriffe auf Hispanics, Muslimas und Muslime und Schwarze führen.
Von Clinton gehen derweil andere Gefahren aus. Sie will die besondere Beziehung der USA mit Israel stärker in den Vordergrund stellen und hat die BDS-Kampagne (Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen gegen die Besatzung palästinensischer Gebiete) wie auch jegliche Solidarität mit den Palästinensern als antisemitisch gebrandmarkt. Das lässt erahnen, wie es unter ihrer Regierung Muslimas, Arabern und Linken ergehen wird.
Die Wahlen dieses Jahr sind aber nicht nur wegen des Aufstiegs von Donald Trump bemerkenswert, sondern auch wegen des Erfolgs von Bernie Sanders. Auch wenn wir in vielem anderer Meinung sein mögen als er: Sanders hat es zum ersten Mal seit vielen Jahren geschafft, massenhaft Menschen für ein Programm der Wirtschaftsreformen und gesellschaftlicher Veränderung zu begeistern, und das in einer der undemokratischsten Gesellschaften mit den krassesten sozialen Ungleichheiten, die der moderne Kapitalismus hervorgebracht hat. Wie es mit Sanders und der Bewegung weitergeht, die er angeregt hat, ist ungewiss. Aber das Potenzial für eine Politik jenseits von Donald Trump und Hillary Clinton hat sich deutlich gezeigt.
Zum Autor: Bill Crane ist Anthropologe und Mitglied von Revolutionary Socialism in the 21st Century.
Eine längere Version dieses Artikels erschien in englischer Sprache mit dem Titel »The Rise of Donald Trump, ›Anti-Politics‹ and the Left« im Onlinemagazin »rs21«. Wir bedanken uns für die freundliche Abdruckgenehmigung.
Foto: Thomas Hawk
Schlagwörter: Clinton, Demokraten, Donald Trump, Obama, Populismus, Präsidentschaftswahl, Rassismus, Rechtspopulismus, Republikaner, Republikanische Partei, Sanders, Trump, US-Präsident, US-Wahl, USA