Noch auf der Suche nach einem guten Geschenk oder nach einem Zeitvertreib für lange, dunkle Winterabende? Alban Werner stellt vier Fernsehserien vor, die fast völlig unbekannt sind. Zu Unrecht, wie er findet
Friday Night Lights
Oberflächlich betrachtet geht es in dieser Serie um einen Footballtrainer und seine Mannschaft in der fiktiven Stadt Dillon in Texas. Aber selbst wenn man für Football oder Fernsehsport im Allgemeinen nichts übrig hat, ist sie sehenswert. Die Mannschaft dient nur als Aufhänger, um Geschichten über das Erwachsenwerden, über Freundschaft, die Schwierigkeiten und Kompromisse des Ehelebens, aber auch über soziale Probleme wie Alkoholismus, Rassismus und Behinderungen zu erzählen.
Gleich in der ersten Folge bleibt der Quarterback Jason Street der Dillon Panthers nach einem Zusammenstoß während eines Footballspiels querschnittsgelähmt. Mit bisweilen schmerzhaftem Realismus folgt ihm die Serie dabei, wie er selbst und sein Umfeld mit der neuen Situation umgehen. Die Serie geht außerdem mutig mit kleinen und großen Ungerechtigkeiten um: Nach drei Staffeln wird die Hauptfigur Coach Taylor (Kyle Chandler) auf Geheiß reicher Sponsoren ersetzt. Er bekommt nun das Team der East Dillon High School zugewiesen, deren Mitglieder fast ausschließlich aus ärmeren Verhältnissen stammen. Seine Frau Tami wird als Schulrektorin abgesetzt, nur weil sie (völlig regelkonform) eine schwangere Schülerin auf ihr Recht auf Abtreibung aufmerksam macht.
Es gibt zudem ein Wiedersehen mit Jesse Plemons (bekannt durch seine Rolle in »Breaking Bad«), Taylor Kitsch, Michael B. Jordan (der Titelheld im Rocky-Nachfolger »Creed«) und Adrianne Palicki (»Agents of Shield«).
Von »Friday Night Lights« (USA 2006-2011) sind 76 Folgen in fünf Staffeln erschienen. Die Serie ist in Deutschland vollständig auf DVD erhältlich.
The Missing
Die Besten unter den neueren Serien aus dem angelsächsischen Raum trauen sich, das Publikum herauszufordern und ihm nicht immer das zu geben, was es erwartet oder sich wünscht. Genau so eine Serie ist »The Missing«, deren erste Staffel 2014 eine in sich geschlossene Handlung bietet, die auf zwei Zeitebenen spielt. Während 2006 die Fußball-WM läuft, macht das britische Paar Tony und Emily Hughes (brillant: James Nesbitt und Frances O’Connor) mit seinem fünfjährigen Sohn Oliver Urlaub in Frankreich. Wegen einer Autopanne müssen sie im Kaff Chalons du Bois halten, wo ihr Sohn nachts verschwindet.
Trotz großer Bemühungen von Polizei und Einwohnerschaft wird der Junge nicht gefunden. Acht Jahre später kehrt Tony in die Kleinstadt zurück, weil er sich weigert, das Verschwinden seines Sohns zu akzeptieren. Als er tatsächlich auf eine Spur stößt, kehrt der bereits verrentete französische Polizeibeamte Julien Baptiste aus dem Ruhestand zurück, um die Suche zu unterstützen…
Nicht ganz realistisch ist die Tatsache, dass die Bewohner einer französischen Kleinstadt wie Chalons du Bois in der Originalfassung grammatikalisch einwandfreies Englisch sprechen – aber ansonsten muss man sich vor dem Team wirklich verneigen: »The Missing« schafft es, mehrere Zeitebenen, Schauplätze und durchweg glaubhafte Figuren zu einer packenden Geschichte zu verbinden. Man kann dem Geschehen immer folgen, dennoch wird die Spannung meisterlich aufgebaut und aufrechterhalten, und – nur so viel sei verraten – die Serie findet einen absolut konsequenten Schluss, der mit Sicherheit nicht jedem gefallen wird.
Die erste Staffel von »The Missing« (Großbritannien 2014) hat acht Folgen. Auf Deutsch ist sie auf Sky Atlantic HD, im Original bei BBC One oder auf DVD verfügbar.
The Good Wife
Die beste und kürzest mögliche Beschreibung der Serie »The Good Wife« stammt von der »New Yorker«-Serienrezensentin Emily Nussbaum. Anlässlich der vorletzten, sechsten Staffel schrieb sie, dass die Serie am Anfang »erschienen sein mag als allwöchentliche Ermächtigungsserie für Frauen, ein Wohlfühl-Märchen über eine starke Frau, die ihren Weg schon finden wird. Stattdessen wurde daraus eine raffinierte Verurteilung so ziemlich aller Institution unterm Kapitalismus. Eine dieser Institutionen ist natürlich die Ehe. Eine andere ist das Fernsehen«.
Im Zentrum dieser Serie steht Alicia Florrick, die – ähnlich wie Hillary Clinton während der Lewinsky-Affäre – ihrem Ehemann, dem Chicagoer Staatsanwalt Peter Florrick öffentlich die Treue hält, als er wegen eines Prostitutions- und Korruptionsskandals zurücktritt. Alicia, die nach ihrem Jura-Studium immer Hausfrau und Mutter war, beginnt also notgedrungen in einer Kanzlei zu arbeiten, die ausgerechnet von ihrer alten heimlichen Flamme Will Gardner und der toughen und zugleich karrierebewussten Feministin Diane Lockhart geführt wird.
Die Serie bringt das Kunststück fertig, sich mindestens einmal pro Staffel neu zu erfinden und das komplette Setting umzuwerfen. Zudem gelang es, einen spannenden roten Faden durch die Serie zu ziehen und zugleich brillante Einzelepisoden hinzulegen. Obwohl man die Vorgeschichte und die Charaktere kennt, weiß man nie genau, womit man bei der nächsten Episode rechnen muss.
Außerdem wird die Serie bevölkert von glaubwürdigen und brillant gespielten Charakteren, von denen selten einer ganz gut oder ganz böse ist. Stattdessen werden alle erdenklichen Grauzonen persönlicher Beziehungen ausgelotet. Unbedingt erwähnenswert ist Michael J. Fox, der in der wiederkehrenden Figur des hinterlistigen Anwalts Louis Canning nach »Zurück in die Zukunft« die wahrscheinlich beste Rolle seiner Karriere spielt.
»The Good Wife« behandelt immer wieder aktuelle politische Streitthemen, ohne dabei jemals in Schwarzweißmalerei zu verfallen (mit Ausnahme der inakzeptablen Verballhornung von Hugo Chavez in einer Episode). Die im Gefolge der tödlichen Polizeigewalt gegen schwarze Amerikaner in Ferguson & Co. gedrehte Folge in Staffel 6 gehört zum Brillantesten, was jemals in der Geschichte des Serienfernsehens ausgebreitet worden ist. Wie unter einem Brennglas werden Rassismus, Untreue, die unerträglich selbstbezügliche und heuchlerische US-Wahlkampfmaschinerie, die ethnisch und sozial gespaltenen sozialen Verhältnisse in einer maximal spannenden und emotional aufreibenden Episode serviert.
Von »The Good Wife« (USA 2009-2016) sind 156 Folgen in sieben Staffeln erschienen. Die Serie läuft in Deutschland bei Sixx und Fox und ist auf DVD erhältlich.
The Americans
»The Americans« ist einfach die beste TV-Serie der letzten zehn Jahre. Zwar ist noch kein abschließendes Urteil möglich, weil noch zwei Staffeln bevorstehen. Aber bereits in ihren ersten vier Jahren hat »The Americans« besser als jede Konkurrentin Emotionen und menschliche Abgründe wie Liebe, Eifersucht, Loyalität, Verrat oder Trauer in serieller Erzählform verdichtet.
Die Serie beginnt mit der Präsidentschaft von Ronald Reagan in den USA der 1980er Jahre, im Mittelpunkt steht das Ehepaar Philip und Elisabeth Jennings (Matthew Rhys und Kerri Russell), die an der Oberfläche ein Reisebüro leiten, tatsächlich aber seit 15 Jahren ein Doppelleben als KGB-Agentin und -Agent führen. Die einzige Unglaubwürdigkeit, die man in der Serie akzeptieren muss, besteht darin, dass ihr neuer Nachbar Stan Beeman (Noah Emmerich) ausgerechnet bei der Spionageabwehr-Abteilung des FBI arbeitet. Während Philip immer häufiger Zweifel an ihrer Mission und der Unbescholtenheit der UdSSR aufkommen, ist Elisabeth trotz schlimmster Erfahrungen während ihrer Agentinnen-Ausbildung eine treue Soldatin des Staatssozialismus – zumindest am Anfang…
Der Serienschöpfer Joel Weisberg ist tatsächlich ehemaliger CIA-Angestellter und muss jedes seiner Skripte vom Geheimdienst daraufhin absegnen lassen, dass es keine sensiblen Informationen preisgibt. Dennoch erscheint die Serie durchweg realistisch und scheut nicht davor zurück, den Finger in die Wunden des Kalten Krieges zu legen: Dass die USA die rechten Contras in Nicaragua sowie Apartheid-Südafrika unterstützten wird genauso deutlich gezeigt, wie die Sowjetunion in wenig rosigen Farben gezeichnet wird, ohne dass die Serie jemals in Schwarzweißmalerei abgleitet. Wie ein US-amerikanischer Rezensent bemerkte, gelingt »The Americans« das fast Unmögliche, nämlich das Publikum zugleich mit beiden Seiten mitfiebern zu lassen. Der Mut zur Uneindeutigkeit, zum kompromisslosen Bruch mit etlichen Erzählkonventionen und die unübertroffene emotionale Tiefe machen die Serie zu einem zeitlosen Fernseherlebnis.
Von »The Americans« (USA, seit 2013) sind bislang 52 Folgen in vier Staffeln erschienen. In Deutschland läuft die Serie bei ProSiebenMaxx und ist auf DVD erhältlich.
Autorenangaben:
Alban Werner ist Politikwissenschaftler aus Aachen und filminteressiert, seitdem er 1994 ehrenamtlich im kommunalen Kino mitarbeitete. Neben Kapitalismus und Frauenunterdrückung findet er auch Filme von Michael Bay, Roland Emmerich und Zack Snyder zum Kotzen.
Schlagwörter: DVD, DVD-Serie, Fernsehen, Kultur, Netflix, TV, TV-Serie