Die Autoindustrie versucht, ihrer Messe IAA in München ein klimafreundliches Gesicht zu geben. Trotzdem regen sich vielfältige Proteste. Auch eine Gewerkschaft ist im Boot.
marx21: Warum findet die IAA in München statt und nicht wie früher in Frankfurt?
Johannes König: Es sind unterschiedliche Gründe, die den Verband der Automobilindustrie (VDA) dazu bewogen haben. Zuletzt hatte die Automesse dort mit sinkenden Zahlen von Besucherinnen und Besuchern zu kämpfen. Darüber hinaus hatte der Oberbürgermeister Frankfurts, Peter Feldmann (SPD), gegenüber der Autoindustrie dezent kritische Töne angeschlagen. Für CDU und konservative Presse war das natürlich ein Skandal. Sie haben ihn für den Weggang der IAA aus Frankfurt verantwortlich gemacht. Ich denke jedoch, dass auch die großen und vielfältigen Proteste von Klimabewegung und NGOs wesentlich dazu beigetragen haben, dass der VDA in Frankfurt das Handtuch geworfen hat. München war dann als eine von drei Städten in der engeren Auswahl und hat schließlich den Zuschlag bekommen. Dazu muss man sagen, dass nicht nur CSU und SPD, sondern auch die Grünen im Münchner Stadtrat dafür votiert haben, eine der größten Veranstaltungen der internationalen Autolobby nach München zu holen.
Wie begründen die Grünen das?
Laut Grünen habe sich die IAA angeblich derartig weiterentwickelt, dass man ihr in München »eine Chance geben«sollte. In München ist zu beobachten, wie die Grünen – einmal in der Regierungsverantwortung angekommen – konsequent den Weg der Anpassung gehen. Für die IAA hat die grün-rote Regierung für 400.000 Euro einen IAA-Begleit-Kongress beschlossen, um die grüne Fassade der IAA zu unterstreichen. Gleichzeitig lehnt sie einen Antrag u. a. der LINKEN ab, ein 365-Euro-Ticket im Nahverkehr einzuführen. Dieses Ansinnen steht sogar in ihrem eigenen Koalitionsvertrag, trotzdem stimmen sie dagegen. Peinlich.
Grünes Mäntelchen für die IAA
Warum protestiert Euer Bündnis gegen die IAA?
Die Autokonzerne versuchen zwar, der IAA ein grünes Mäntelchen umzuhängen. Der neue Name »IAA Mobility« und ein neues Konzept sollen der Automesse ein fortschrittliches Image verleihen. Das kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass deren Geschäftsmodell die soziale und ökologische Krise ungebrochen befeuert. In der Vergangenheit war die IAA ein Symbol für SUV-Geprotze und die damit einhergehende Klimazerstörung. Jetzt wird die IAA zusätzlich noch zum Symbol für Greenwashing.
Was bedeutet Greenwashing in diesem Zusammenhang?
Das neue Konzept der IAA sieht vor, dass die Messe in drei Teile gegliedert wird. Neben der klassischen Messe in der Messehalle gibt es die »Open Spaces« und eine »Blue Lane«, die Halle und »Open Spaces« verbindet. Mit Letzterem meint die IAA ihre Ausstellungsflächen in der Innenstadt. Dazu gehören viele der prominentesten Plätze Münchens. Auf diesen Flächen darf die IAA auf Beschluss des Stadtrats einen Teil ihrer Messe veranstalten. Dort werden dann etwa ein paar Fahrräder aufgestellt. Zwischen Innenstadt und Messehalle verkehren „emissionsarme“ Fahrzeuge. Die normale Messe in der Halle findet aber so statt, wie man sie kennt. Auf der IAA-Website kann man lesen, was der Kern dieser Veranstaltung bleibt. Ich zitiere: »Echte Spaßmaschinen mit dröhnendem Verbrennungsmotor, die bei vielen Autofans eine Gänsehaut verursachen.« Die werden auf dem Messegelände quasi versteckt, während die IAA in der Innenstadt eine fortschrittliche Mobilitätsveranstaltung simuliert. Das ist Greenwashing.
Gegen die Profiteure der Klimakrise
Autofans gibt es ja unbestreitbar. Sind sie das Problem, wenn es um den Klimawandel geht?
Nein. Ich kann zwar persönlich die Begeisterung für Autos nicht nachvollziehen, aber das Problem sind eher Leute wie Klatten und Quandt, also die BMW-Hauptaktionäre, die in der Coronakrise trotz staatlicher Unterstützung für BMW massiv Dividenden eingestrichen haben. Unsere politischen Gegner sind die Profiteure der Klimakrise und Coronakrise.
Aber handelt man sich nicht trotzdem auch Widerspruch von Leuten ein, die man gewinnen müsste, wenn man Protest gegen die IAA organisiert?
Wir machen bei unseren Aktionen deutlich, dass es gegen den VDA geht und gegen die Parteien, die den sozial-ökologischen Umbau blockieren, nicht im konsumkritischen Sinn gegen Autofahrer. Im Aufruf kritisieren wir, dass Menschen immer noch dazu gezwungen sind, Autos zu benutzen, weil der öffentliche Verkehr zu schlecht ausgebaut ist. Das Autofahren ist für die Menschen ja nicht unbedingt ein Privileg, sondern ein Kostenfaktor und damit unsozial. Wir fordern einen ticketfreien und massiv ausgebauten Nahverkehr. Unser Ziel sind weitgehend autofreie Städte und autoarme ländliche Regionen.
Verkehrswende statt IAA
Es ist ja auch nicht so, dass es besonders viel Spaß macht, in der Großstadt Auto zu fahren. Wenn ich das mal machen muss, stehe ich in der Regel im Stau und verbrenne neben Sprit auch Zeit.
Genau. Im letzten Kommunalwahlkampf 2020 hat die CSU versucht, über die Frage Auto oder Rad eine Polarisierung zu erzeugen. Auf ihren Plakaten stand zum Beispiel: »Rot-Grüne RADikal-Politik bremst aus«. Danach hat sie die Wahl verloren. Den Slogan haben wir als #noIAA-Bündnis später jedoch dankbar aufgegriffen und unsere Fahrraddemo ähnlich genannt: »Für eine RADikale Verkehrswende«.
Die Autoindustrie verweist gerne darauf, dass viele Arbeitsplätze in Deutschland vom Auto abhängen. Müsste die LINKE nicht an der Seite der Beschäftigten stehen, die da um ihre Jobs fürchten?
DIE LINKE steht selbstverständlich an der Seite der Beschäftigten, die um ihre Jobs fürchten. Ihre Jobs müssen zukunftsfähig gemacht werden und zwar dahingehend, sie in klimafreundliche Arbeitsplätze umzuwandeln. Es geht um die sozial-ökologische Konversion der Autoindustrie. Dieser Prozess kann nur gemeinsam mit den Beschäftigten passieren.
Dann müsste es ja möglich sein, die Beschäftigten für diese Verkehrswende zu gewinnen. Was gibt es denn da schon für Erfahrungen?
Neben der bundesweiten Vernetzung gibt es in München unser #noIAA-Bündnis. Darin haben sich Fridays for Future und andere Klimagruppen, attac, DIE LINKE, die Grüne Jugend und auch ver.di zusammengeschlossen. Es gab ja im letzten Jahr schon eine Zusammenarbeit zwischen ver.di und Fridays for Future im Rahmen der Tarifauseinandersetzungen und Streiks im Nahverkehr. Genau an dieses neue politische Bündnis, in dem die Interessen der Klimabewegung und der Beschäftigten im Sinne einer sozial-ökologischen Verkehrswende zusammengebracht werden, wollen wir anknüpfen. Dabei geht es um bessere Arbeitsbedingungen und höhere Löhne im Nahverkehr. Natürlich gibt es aber bei anderen Gewerkschaft auch noch einiges an Überzeugungsarbeit zu leisten.
Vielfältige Proteste in München
Was ist bisher schon an Protesten gelaufen?
Das Bündnis #noIAA gibt es seit Anfang des Jahres. Wir hatten im Frühjahr eine erste Kundgebung anlässlich einer Stadtratssitzung. Im Rahmen einer Performance haben wir die Stadträtinnen und Stadträte mit ihrem eigenen Greenwashing konfrontiert. Anfang Juni haben wir die bundesweiten dezentralen Aktionstage unter dem Motto»Verkehrswende jetzt« mit der erwähnten Fahrraddemo gegen die IAA verbunden.
Die hauptsächlichen Proteste werden zwischen 7. und 12. September während der IAA stattfinden. Was ist da geplant?
Vom Aktionsbündnis »Sand im Getriebe« sind wieder massenhafte Aktionen des zivilen Ungehorsams geplant, wie auch schon in Frankfurt. Ein neues Bündnis namens »Smash IAA« orientiert ebenfalls auf zivilen Ungehorsam. Zudem wird es eine große bundesweite Demonstration von NGOs wie Naturfreunde, Greenpeace und Campact geben. Wir als Bündnis #noIAA versammeln auf lokaler Ebene alle IAA-Gegner und decken damit politisch ein breites Spektrum ab. Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, die Idee einer radikalen Verkehrswende in der Münchner Stadtgesellschaft zu stärken.
Was kann man tun, wenn man nicht in München lebt?
Die Aktionen von Sand im Getriebe und die Großdemo sind zentrale bundesweite Termine der Klimabewegung in diesem Jahr. Es wird ein Aktionscamp über mehrere Tage geben, die Demonstration findet am Samstag statt.
Das heißt: Wer Lust auf Aktionen hat, hält sich ein paar Tage frei und wer sich nicht unbedingt wegtragen lassen will, kommt am Wochenende.
Ja. Stichwort wegtragen: Es gibt ja seit 2018 ein verschärftes Polizeiaufgabengesetz in Bayern. Ich fürchte, das wird im Zusammenhang mit den IAA-Protesten zur Anwendung kommen.
Solidarität gegen Repression
Inwiefern betrifft das neue Polizeiaufgabengesetz Aktionen des zivilen Ungehorsams?
Das bayerische Polizeiaufgabengesetz ermöglicht der Polizei eine Vielzahl präventiver Befugnisse. Es geht nicht mehr nur um die »konkrete Gefahr« im Vorfeld einer möglichen Straftat, sondern um die »drohende Gefahr«, also eine Eingriffsschwelle sozusagen im Vorfeld des Tatvorfelds. Dies öffnet polizeilicher Willkür und Unverhältnismäßigkeit Tür und Tor. In der Vergangenheit hat sich auch schon gezeigt, dass das Gesetz in der Praxis gegen linken Aktivismus angewendet wird. Zum Beispiel bei den Protesten gegen den AfD-Bundesparteitag in Augsburg. Da gab es Betretungsverbote für bestimmte antifaschistische Aktivistinnen und Aktivisten, deren Anreise untersagt wurde. Grundlage dieser verfassungswidrigen Grundrechtseingriffe war das PAG.
Und was kann man dagegen tun?
Solidaritätsorganisationen wie die Rote Hilfe sind in Bayern besonders wichtig. Darüber hinaus hoffe ich, dass die Proteste gegen die IAA so groß werden, dass die reine Masse an Menschen einen gewissen Schutz vor Repression darstellt. Nicht nur deswegen möchte ich dazu einladen, im September nach München zu kommen und gemeinsam mit uns die IAA zu blockieren.
In diesem Sinne: Vielen Dank für das Gespräch.
Die Fragen stellte Jan Maas.
Zur Person:
Johannes König lebt in München, ist Mitglied im Parteivorstand der LINKEN und aktiv im Bündnis #noIAA. 2018 hat er die Proteste gegen das neue bayerische Polizeiaufgabengesetz mitorganisiert.
Schlagwörter: Automobilindustrie, Inland, Klimakrise, Verkehrswende