Während die Regierenden die Kriegstrommeln schlagen und Milliarden für Aufrüstung und Krieg mobilisieren, kann es für die Linke nur eine Antwort darauf geben: Nein. Von Lisa Hofmann
In der Linkspartei ist ein Streit über den zukünftigen Kurs gegen die Hochrüstungspolitik der Bundesregierung und die Haltung zur Bundeswehr entbrannt. Führende Politiker:innen des sogenannten Realo-Flügels wollen die Situation nutzen, um die klare Haltung der LINKEN für Abrüstung und Frieden aufzuweichen. So beginnt Bodo Ramelow, linker Ministerpräsident in Thüringen und Bundesratspräsident, eine Debatte um die Wiedereinführung der Wehrpflicht, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal vom Generalinspekteur der Bundeswehr als sinnvoll betrachtet wird. In einem Interview für »Die Zeit« fordert Bodo Ramelow dann auch folgerichtig eine bessere Ausstattung der Bundeswehr. Denn DIE LINKE müsse klären, »wie sie sein will: pazifistisch, also auch gegen jede Form von Verteidigung – oder nur gegen den Krieg. Ich neige dazu, zu sagen: gegen Krieg, aber nicht pazifistisch.«
Aufrüstungs-Partei DIE LINKE
DIE LINKE selbst definiert sich in ihrem Erfurter Programm als »internationalistische Friedenspartei«. Diese Verortung möchte Ramelow überdenken. Neben Bodo Ramelow greift auch der ehemalige verteidigungspolitische Sprecher der Linksfraktion im Bundestag, Paul Schäfer, in die Debatte ein. Im Text »Ukraine-Krieg und Folgen«, den Schäfer auf seiner Homepage veröffentlicht hat, attestiert er der LINKEN »Wer hier [im Umgang mit dem Krieg in der Ukraine] auf ein ’Weiter So’ setzt, wird untergehen.« Um diesen Untergang zu verhindern, fordert Schäfer: »Eine LINKE, die sich Überlegungen zur Militärpolitik und einer Effizienzsteigerung der militärischen Ausrüstung (z.B. bei der Luftabwehr) angesichts der skrupellosen Drohungen aus Russland Rüstungsbemühungen pauschal entgegenstellt, wird wahrscheinlich nicht nur für den Augenblick kein ernsthafter Faktor mehr sein.«
So sieht die »Debatte ohne Tabus« dann aus. DIE LINKE wird zur unter Androhung ihres parlamentarischen Untergangs zur Aufrüstung-Partei. Natürlich sieht sich Schäfer mit seinen seinen Vorschlägen für die Politik der LINKEN weiterhin an der Seite der Friedensbewegung. Doch der Teufel steckt im Detail. Denn er vertritt auch die Meinung, dass das 100 Milliarden-Aufrüstungspaket der Bundesregierung kritisch hinterfragt werden müsse – aber nicht abgelehnt. Und das ist der Tabubruch. Und er kommt auch gleich mit dem nächsten Tabubruch um die Ecke: Schäfer empfiehlt der LINKEN außerdem »auf Rationalisierungs- und Einspareffekte im europäischen Verbund [zu] drängen«. Er räumt selbst ein, dass das auf eine »Euro-Armee«, die im Widerspruch zur Programmatik der LINKEN stünde, hinauslaufe. Ein Festhalten an dieser Programmatik sei allerdings in der jetzigen Situation nicht mehr vertretbar, denn wenn die LINKE nur Nein sage, sei sie auf »verlorenem Posten«.
Friedenswunsch und Verteidigungswillen
Dieser alten sozialdemokratischen Logik folgend, schlägt Schäfer eine Kuhhandel à la »Wenn so viel Geld für Rüstung ausgegeben wird, warum dann nicht auch für die drängende sozial-ökologische Wende«. Dieser Punkt mag auf den ersten Blick naheliegend und plausibel klingen. Allerdings wohnt diesem Argument die Bereitschaft zur Zustimmung zur Aufrüstung inne, wenn sie nicht zu Lasten anderer Bereiche geht oder wenn andere Politikfelder entsprechend gut ausgestattet werden. Am weitesten geht in dieser Frage allerdings die LINKEN-Co-Vorsitzende Susanne Hennig-Wellsow, die in ihrem eine Woche nach Kriegsbeginn veröffentlichten Artikel »Wir müssen reden« einen frontalen Angriff auf die friedenspolitische Haltung der Partei startet. Die Kernaussage ihrer Wortmeldung bildet ein Zitat von Hedwig Richter.
Richter, ist Professorin an der Hochschule der Bundeswehr in München. Hennig-Wellsow zitiert sie mit den Worten: »Es ist nicht ganz einfach, den Friedenswunsch und den Verteidigungswillen in Einklang zu bringen. Und es ist absolut verständlich, dass sich nach vielen Generationen des Friedens die Menschen damit schwertun. Aber es ist notwendig.« Hennig-Wellsow ist der Meinung, dass dies auch für die LINKE gelte. Also, dass sie versuchen müsse »den Friedenswunsch und den Verteidigungswillen in Einklang zu bringen«. Wer solche Annahmen vertritt, redet der »wehrhaften Demokratie« auch nach außen und damit der »Sicherung des Friedens« durch militärische Abschreckung das Wort. Das bricht mit dem Verständnis der LINKEN als Friedenspartei. Neben den Aussagen, die direkt die Programmatik der LINKEN angreifen, stellt sich die Frage, warum die Co-Vorsitzende der Partei DIE LINKE in einer solchen welthistorischen Situation eine Historikerin mit Lehrstuhl an einer Bundeswehruniversität und nicht Karl Liebknecht, Rosa Luxemburg oder, wenn es gemäßigter ausfallen soll, Willy Brandt zitiert.
Tucholsky und die Nato
Allen Wortmeldungen aus dem Reformer:innenlager der Partei ist gemeinsam, dass sie die aktuellen weltpolitischen Ereignisse als eine Zäsur oder in Anlehnung an Kanzler Olaf Scholz als eine »Zeitenwende« vergleichbar mit dem Fall der Berliner Mauer oder 9/11 verstehen. Für sie erfordert diese »Zeitenwende« neue Antworten und die Infragestellung vermeintlicher Gewissheiten. Man könne nicht an »…›Wahrheiten‹ festhalten, die von Panzern und Raketen zermalmt wurden«, stellt Hennig-Wellsow fest.
Es geht bei dieser Suche nach Antworten selbstverständlich auch um Regierungsfähigkeit und die Glaubwürdigkeit der LINKEN in der bundesrepublikanischen Öffentlichkeit sowie um eine Abrechnung mit dem politischen Flügel um Sahra Wagenknecht, der zu lange die Politik Putins rechtfertigte und einseitige Anschuldigungen an die Nato verlautbaren ließ. Eine wirklich linke Antwort auf diese Krise sähe allerdings anders aus. Man möchte den Genoss:innen, die jetzt die Glaubwürdigkeit, die Wähler:innenstimmen, die sich verändernde politische Lage, die Staatsräson und ähnliches ins Feld führen, mit Kurt Tucholsky zurufen »…nichts ist schwerer und nichts erfordert mehr Charakter, als sich in offenem Gegensatz zu seiner Zeit zu befinden und laut zu sagen: Nein«.
Friedenswunsch und Verteidigungswillen
Ein deutliches Nein zum Säbelrasseln, zum Wettrüsten, zur Militarisierung der Gesellschaft und der deutschen Außenpolitik und zu nie dagewesenen Rüstungsausgaben und der damit verbundenen Schlussstrichdebatte unter der deutschen Geschichte… Das wäre eine linke Haltung. DIE LINKE könnte das. Das Erfurter Programm der LINKEN bezieht dieses klare und deutliche Nein. Es ist tief in der Partei verankert. Die linke Bundestagsfraktion verstand sich in den vergangenen Jahren immer als »die Stimme gegen Krieg und Aufrüstung«. Für viele Genoss:innen ist dieses Nein Teil der eigenen politischen Identität.
Wer diese klare friedenspolitische Haltung der Partei aufgeben möchte, riskiert die Spaltung der Partei.
Wenn wir uns in einer »Zeitenwende« und an der Schwelle eines Dritten Weltkriegs befinden, ist es nicht die Aufgabe der Linken, in und außerhalb der Parlamente, diese »Zeitenwende« mit zu vollziehen und dazu »Grundfesten der Nachkriegsordnung« in Frage zu stellen. Es ist ihre Aufgabe, für ein klares »Nein!« zu kämpfen, auf der Straße, in den Betrieben und bei den Ostermärschen, um nicht im Kriegstaumel unterzugehen. Oder anders formuliert, wenn die Antwort Krieg ist, haben wir die falsche Frage gestellt.
Foto: DIE LINKE
Schlagwörter: Antimilitarismus, DIE LINKE, Frieden