Die kapitalistische Dauerkrise zwingt zu Staatseingriffen in die »freie Wirtschaft«. Konservative Ökonomen wie Hans-Werner Sinn schimpfen, aber immerhin reicht es für einen Spiegel-Bestseller. Von Thomas Walter
Eine Welt von Feinden setzt der deutschen Wirtschaft zu, so jedenfalls H.W. Sinn: »Internationale Spekulation« und »angelsächsische Finanzmärkte« wollen hohe deutsche Staatsverschuldung, damit sie mit deutschen Staatsanleihen zocken können, genauso wie mit Aktien. Folglich will Sinn Staatsverschuldung und Aktiengesellschaften – immerhin die Masse aller Unternehmen – kurzerhand verbieten. Doch weiter: Die Europäische Zentralbank (EZB) sei von arbeitsscheuen Südeuropäern gekapert worden. Für diese Länder druckt die EZB Geld und hält mit niedrigen Zinsen deren Zombie-Firmen über Wasser. Sinn rechnet vor, wie dafür letztlich die fleißigen Deutschen bezahlen müssen. Windige Ökonomen rechtfertigen die Politik der EZB und anderer Zentralbanken mit Theorien, die, so Sinn, fatal dem Marxschen Gesetz vom tendenziellen Fall der Profitrate ähneln. Niedrige Profitraten würden niedrige Zinsen erzwingen. Sinn hält das für Unsinn.
Das Buch wurde vor dem Ukraine-Krieg geschrieben. Der FDP-Finanzminister stellt inzwischen neue Rekorde bei der Staatsverschuldung auf, und das andere Vorbild von Sinn, die Schweiz, tut sich schwer mit Sanktionen gegen Russland. Sinn ging es aber wohl auch nur darum, die Vorurteile deutscher Stammtische zu bedienen.
Hans-Werner Sinn
Die wundersame Geldvermehrung – Staatsverschuldung, Negativzinsen, Inflation
Verlag Herder
Freiburg im Breisgau 2021
430 Seiten
28 Euro
Schlagwörter: Europäische Zentralbank, Inflation, Wirtschaftspolitik, Zentralbanken