Lektürehilfen zum »Kapital« von Karl Marx gibt es wie Sand am Meer. Das Comic von Jari Banas sticht heraus. Jetzt ist das Buch als erweiterte Neuausgabe erschienen. Von Michael Bruns
Aus der Interpretation eines Klassikers ist selbst schon ein Klassiker geworden. Endlich ist das Comic »Das Kapital für Anfänger und Anfängerinnen« aus dem Jahr 1980 unter den neuen Titel »Das Kapital für Einsteigerinnen und Einsteiger« beim VSA-Verlag wieder lieferbar! Die erweiterte Neuausgabe des Jahres 2016 hat ein größeres Format (155 x 230 mm) als der Reprint von 2012 (»Das Kapital für Anfängerinnen und Anfänger«), aber leider sieht der Druck auf gelblichem und grobfaserigem Papier weniger scharf aus.
Der aus Finnland stammende Krefelder Comiczeichner Jari Banas hat ein neues 5-seitiges Intro zur neuen Aktualität des »Kapitals« seit der Finanzkrise 2008 und eine 12-seitige Ergänzung zum Schluss hinzugefügt. Darin wird dazu aufgerufen, das »Kapital« im Original und das Comic durch Lesekreise zu einer lebendigen Theorie werden zu lassen: »Der Marxismus darf nicht welk werden! Wir müssen neue Brunnen für quirlige Ideen graben!« Eine sehr gute Idee! Das Comic ist, wie der Titel es verspricht, ein geeigneter Türöffner um Menschen den Marxismus nahe zu bringen.
Interpretation eines Klassikers ist selbst ein Klassiker
Die Protagonisten des Comics sind Karl »Charly« Marx und zwei namenlose Kinder, ein Mädchen und ein Junge, die beide nicht auf den Mund gefallen sind. Schon 1980 war die Frage: Warum ein Kapital-Comic, warum nicht gleich das Original lesen? »Nöö! Zu dick, zu schwer und keine Bilder«, weisen die Kinder Charly zurück.
Lautstark geht das Comic los. Charly wir von einem unbarmherzigen Wecker terrorisiert, der ihn aus dem Schlaf reißt, und fragt warum »dieser Moloch Millionen Werktätige belästigen darf?« Das Mädchen und der Junge stimmen seiner Forderung zu: Weg mit dem blöden Wecker! Aber wie? Charlys Antwort: Revolution! Und hier kommt das »Kapital« ins Spiel. In 25 fünf- bis sechsseitigen Kapiteln untersuchen die drei die sozialen und ökonomischen Grundlagen der heutigen bürgerlichen Gesellschaft.
Revolution gegen den Wecker
Der Doppelcharakter der Ware, die Ausbeutung oder die Akkumulation werden erklärt, und auch aktuellere Aspekte wie Mitbestimmung und Vermögensbildung, die für Marx wohl noch kein Thema waren, werden behandelt. Mal erklärt der gezeichnete Karl Marx wie ein lieber verständnisvoller Märchenonkel und ein anderes mal ziemlich rabiat. Diese wechselhafte Attitüde und sein teilweise grob übertriebenes Sendungsbewusstsein machen die Lektüre zuweilen etwas anstrengend, besonders wenn die Leserin oder der Leser gleichzeitig die inhaltlichen Zusammenhänge verstehen will. Der anarchistisch durch die Bilder tobende Karl ist typisch für die politisch Comics seiner Zeit und verhilft der Erzählung zu einiger Dynamik.
Marx als rabiater Märchenonkel
Anders als »Marx für Anfänger« des mexikanischen Cartoonisten Rius ist das Werk von Jari Banas kein illustriertes Buch, sondern ein richtiger Comic, der nicht nur Inhalte vermitteln will sondern auch unterhält. Wie das Comic inhaltlich sowohl als Einstieg als auch zur Auffrischung der Auseinandersetzung mit dem »Kapital« gut funktioniert, so gibt es auch in der künstlerischen Ausführung mehrere Ebenen, die unterschiedliche Leserinnen und Leser erreichen. Die Zeichnungen, die die bürgerliche Gesellschaft erklären, sind für Einsteigerinnen und Einsteiger interessant und hilfreich. Richtig lustig sind sie nach mehrmaligem Lesen und vor vor allem für diejenigen, die sich mit Marx schon auskennen. In den auf den ersten Blick etwas schluderigen Zeichungen lassen sich überall durchdachte und witzige Details entdecken.
Eine Empfehlung für alle, die ernsthafte Themen nicht unbedingt auch noch ernsthaft dargestellt haben müssen. Es ist nicht nur eine Lektürehilfe sondern in der Form ein unterhaltsames und lehrreiches Kunstwerk für sich.
Das Buch: Jari Banas: »Das Kapital« als Comic – Für Einsteigerinnen und Einsteiger
160 Seiten | 2016 | EUR 12,00
Foto: VSA-Verlag
Schlagwörter: Buch, Comic, Kapital, Karl Marx, Marx, Marxismus