Während Bodo Ramelow sich diese Woche mit Blick auf eine Regierungsbeteiligung der LINKEN auf Bundesebene für eine Aufweichung ihrer Antikriegspositionen aussprach, machte Sahra Wagenkencht in Reaktion auf den Anschlag in Ansbach mit grundfalschen Äußerungen zur Flüchtlingspolitik auf sich aufmerksam. Obwohl beide Vorstöße in eine unterschiedliche Richtung gehen, haben sie dennoch eine gemeinsame Grundlage
Die Fraktionsvorsitzende der LINKEN im Bundestag Sahra Wagenknecht kritisierte mit Verweis auf das Attentat von Ansbach die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung: »Die Ereignisse der letzten Tage zeigen, dass die Aufnahme und Integration einer großen Zahl von Flüchtlingen und Zuwanderern mit erheblichen Problemen verbunden und schwieriger ist, als Merkels leichtfertiges ‚Wir schaffen das‘ uns im letzten Herbst einreden wollte.« Zudem forderte Wagenknecht die Bundesregierung auf »die Handlungsfähigkeit des Staates und seiner Sicherheitsbehörden zu erhalten«. Damit stieß sie nicht nur in das gleiche Horn, wie führende Politiker der Union, die den Anschlag eines psychisch-kranken Syrers in Ansbach dazu nutzen Geflüchtete unter Generalverdacht zu stellen. Sie gibt auch noch die gleichen Antworten, wie mit der Serie von Gewalttaten umzugehen sei: »Der Staat muss jetzt alles dafür tun, dass sich die Menschen in unserem Land wieder sicher fühlen können«, meinte Wagenknecht in einer Pressemitteilung am Montag.
Wagenknechts Ruf nach mehr Staat
Doch eine Aufstockung der Polizei und eine Ausweitung ihrer Befugnisse, tragen nicht zur Verhinderung von Gewalttaten bei. Das zeigt nicht zuletzt ein Blick auf Frankreich, wo trotz Notstandsgesetzen der Attentäter von Nizza 84 Menschen ermorden konnte. Statt einer Ausweitung staatlicher Repression braucht es eine Abkehr von der neoliberalen Politik, die dazu führt, dass immer mehr Menschen auf der Strecke bleiben – nicht nur ökonomisch, sondern auch emotional. Zudem müssen die imperialistischen Kriege und die Waffenlieferungen in Krisengebiete gestoppt werden, um die Gewaltspirale aus Krieg und Terror zu stoppen.
Am Dienstag relativierte Sahra Wagenknecht ihre Aussagen. Sie habe weder die Aufnahme von Flüchtlingen kritisieren noch alle in Deutschland lebenden Flüchtlinge unter Generalverdacht stellen wollen. Es sei ihr nur darum gegangen, Merkels Integrationspolitik zu kritisieren. Dennoch bleibt von der Debatte in der öffentlichen Wahrnehmung hängen, dass die LINKE nicht geschlossen hinter einer »Willkommenskultur« für Flüchtlinge stehe und diese sogar offen infrage stelle. Zudem ist es nicht das erste Mal, dass Wagenknechts Äußerungen zur Asylpolitik den Positionen der LINKEN eindeutig zuwiderlaufen. Dabei steht sie mit ihren Positionen in der Partei ziemlich alleine da. Unmittelbar folgte scharfe Kritik auf ihren Vorstoß aus allen Teilen der Partei. Mittlerweile wurden gar Rücktrittsforderungen gegenüber Wagenknecht laut. »Wer Merkel von rechts kritisiert, kann nicht Vorsitzender einer Linksfraktion sein«, meinte der Bundestagsabgeordnete der LINKEN Jan van Aken mit Blick auf ihre Äußerungen. Richtig ist, Wagenknechts Äußerungen sind grundfalsch und müssen offen und scharf kritisiert werden. Doch statt Rücktrittsforderungen braucht die LINKE jetzt einen klaren Kurs in der Flüchtlingspolitik – nicht nur auf dem Papier, sondern in Form des Aufbaus und der Unterstützung realer Kämpfe gegen die Asylrechtsverschärfungen der Bundesregierung, für offene Grenzen und Solidarität mit allen Menschen in Not und gegen jede Form von Rassismus und pauschaler Verurteilung.
Ramelow opfert linke Positionen
Doch nicht nur Sahra Wagenknecht leistete ihrer Partei diese Woche einen Bärendienst. So forderte der thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow die LINKE müsse ihre »radikale Positionen räumen« und dürfe sich inhaltlich nicht zu dogmatisch geben, um die Chance auf eine Koalition aus SPD, LINKEN und Grünen nach der Bundestagswahl im Herbst 2017 zu wahren. Mit »radikalen Positionen« meint der erste Ministerpräsident der LINKEN insbesondere die klare Antikriegsposition seiner Partei. Die LINKE solle die Frage einer Mitgliedschaft Deutschlands in der Nato »nicht zum K.-o.-Kriterium überhöhen«, so Ramelow. »Ich rate meiner Partei, an der Nato-Frage diese Koalitionsmöglichkeit nicht unmöglich zu machen.« Das heiße ja nicht, dass »wir begeisterte Nato-Anhänger werden müssen.« Allerdings gebe es zwischen SPD, Grünen und der LINKEN »mehr Verbindendes als Trennendes«. Eine Dreierkoalition müsse lernen, Themen, die wegen unterschiedlicher Positionen der drei Partner nicht zu regeln sind, auch mal beiseite zu legen. Mit seinen Äußerungen reagierte Ramelow auf den SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel, der für ein Mitte-Links-Bündnis als Reaktion auf das Erstarken der Rechten plädiert hatte.
Doch was Ramelows Vorstoß in der Praxis bedeutet, ist nichts anderes als das Parteiprogramm der LINKEN zugunsten einer Regierungsbeteiligung als Juniorpartner der SPD unter Gabriel zu opfern. Die LINKE ist die einzige Partei im Bundestag, die Kriegseinsätze der Bundeswehr generell ablehnt. Sollte sie sich gerade in dieser entscheidenden Frage auf SPD und Grüne zubewegen, würde sie sich nicht nur gegenüber der Friedensbewegung und einem Großteil ihrer Wählerschaft unglaubwürdig machen, sondern sie wäre mit verantwortlich für Krieg, Leid und Elend, welches die militärischen Operationen der Nato in vielen Regionen der Welt verursachen. Diese Kriege sind es auch, welche Millionen von Menschen zur Flucht zwingen und die Hauptursache der steigenden Zahl von Terroranschlägen sind. Eine Tolerierung der Angriffskriege der Nato durch die LINKE käme einer Bankrotterklärung der Partei gleich.
Ein Kurswechsel als Vorbedingung
Sicherlich hat Ramelow recht, dass es auch Gemeinsamkeiten von LINKEN mit SPD und den Grünen gibt, das Trennende überwiegt jedoch bei weitem. Sahra Wagenknecht liegt vollkommen richtig, wenn sie für eine Regierungsbeteiligung der LINKEN einen Kurswechsel der SPD zur Vorbedingung macht. Dieser betrifft nicht nur das Militär und die Außenpolitik, sondern genauso die Sozial- und Wirtschaftspolitik. Nötig sei Wagenknecht zufolge »eine Politik zur Wiederherstellung des Sozialstaates«, die die »Verheerungen der Agenda 2010 zurücknimmt«. Wenn der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel dies auch wolle, »dann hat er uns als Partner«. »Aber, wenn er einfach nur Kanzler werden will, aber es soll sich politisch nichts ändern, dann ist es wahrscheinlich nicht eine gute Idee, das mit der Linken zu versuchen.«
Dass Ramelow vorschlägt die Themen, bei denen es keine gemeinsame Position einer rot-rot-grünen Regierung gäbe, einfach »beiseite zu legen«, ist eine äußerst merkwürdige Vorstellung. Die Idee eine Regierung könne sich aussuchen, zu welchen Themen sie Politik macht und zu welchen nicht, ist ziemlich naiv. Letztendlich wird es immer eine Frage der Kräfteverhältnisse innerhalb einer Koalition sein, welcher Partner sich durchsetzt und wie die Kompromisse aussehen. Die LINKE, als voraussichtlich kleinster Koalitionspartner im Verbund mit zwei neoliberalen und kriegsbefürwortenden Parteien, müsste mit Sicherheit mehr als einige wenige Abstriche bei ihren Positionen machen.
Antirassismus und Antimilitarismus sind nicht verhandelbar
Ramelow und Wagenknecht kommen aus verschiedenen Flügeln der LINKEN und verfolgen mit ihren Vorstößen unterschiedliche und teilweise entgegengesetzte Ziele. Während Sahra Wagenknecht glaubt einen weiteren Stimmverlust der LINKEN an die AfD verhindern zu können, indem sie den rassistischen Ressentiments eines Teiles der Bevölkerung entgegenkommt und vor den angeblichen Gefahren warnt, welche Flüchtlinge und Migranten für unsere Gesellschaft bedeuten würden, hat Bodo Ramelow es stets abgelehnt irgendwelche Abstriche beim antirassistischen Profil der LINKEN zu machen. Im Gegenteil, er hat Geflüchtete als Bereicherung für Thüringen und Deutschland willkommen geheißen und für Solidarität mit ihnen geworben. Mit seiner Orientierung auf Rot-Rot-Grün im Bund und der damit einhergehenden Verwässerung der Positionen der LINKEN betreibt er jedoch ein ebenso gefährliches Spiel wie Wagenknecht.
Genau hier liegt auch die Verbindung zwischen den Initiativen der beiden Spitzenpolitiker. Beide laufen im Vorfeld der Bundestagswahl auf eine Aufweichung der politischen Inhalte der LINKEN hinaus – im Falle Wagenknechts des Antirassismus und Internationalismus, im Falle Ramelows des Antimilitarismus und Antikapitalismus. Beides ist gleich fatal. Nur wenn die LINKE es schafft ihrem Profil treu zu bleiben und viele Menschen dafür zu gewinnen sich gemeinsam für ihre Ziele einzusetzen und zu bewegen, wird es ihr gelingen bei der Bundestagswahl 2017 ein gutes Ergebnis zu erzielen und auch darüber hinaus die Kräfteverhältnisse in der Gesellschaft langfristig zu verschieben.
Foto: Jakob Huber
Schlagwörter: Anschlag, Antikapitalismus, Antimilitarismus, Antirassismus, Asylpolitik, Bundestagswahl, DIE LINKE, Flüchtlinge, R2G, Ramelow, Regierungsbeteiligung, Wagenknecht