Kein anderes Land erhält so viele Waffen aus Deutschland wie Ägypten. 2021 lagen die Rüstungsexporte in Höhe von Milliarden Euro. Im Juli 2022 hofiert Deutschland wieder das mörderische Regime von Abdelfattah al-Sisi. Das ist eine Schande angesichts der über 60.000 politischen Gefangenen in Ägyptens Gefängnissen. Von Amr M.
»Russlands Präsident Wladimir Putin fürchtet, dass der ‘Funke der Demokratie’ auf sein Land überspringt«
Olaf Scholz, 2022
»Was uns eint, sind unsere gemeinsamen Werte: Demokratie, Menschenrechte, Frieden und Freiheit.«
Olaf Scholz, 2022
»Wir müssen unsere Demokratie vor Populisten schützen und für die Rechte von Minderheiten eintreten.«
Olaf Scholz, 2019
Trotz dieser angeblich glänzenden Aussagen des deutschen Bundeskanzlers gegen Diktatoren und Populisten, sind diese eine Farce. Denn Olaf Scholz traf sich am 18. Juli 2022 in herzlicher Atmosphäre mit dem Diktator Ägyptens Abdelfattah al-Sisi. Dieser hatte 2013 den Putsch angeführt, der die erste demokratisch gewählte Regierung in der ägyptischen Geschichte stürzte, und der die Demokratie in seinem Land – und man könnte auch sagen darüber hinaus – vernichtete. Dieser Mann wurde in der deutschen Hauptstadt mit einem roten Teppich begrüßt.
Abdelfattah al-Sisi ist auch berüchtigt für das schlimmste Massaker in der modernen Geschichte Ägyptens, als seine Truppen im August 2013 die Sitzstreiks in Rabaa und Nahda in Kairo stürmten und Berichten zufolge 1.200 bis 2.000 Demonstranten am helllichten Tag ermordeten, von denen einige bei lebendigem Leib in ihren Zelten verbrannten.
Im Jahr 2015 wurde der Besuch von Abdelfattah al-Sisi von Teilen des deutschen Staates negativ aufgenommen. Obwohl die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel Sisi herzlich empfing, weigerte sich der damalige Bundestagspräsident Norbert Lammert, ihn aufgrund seiner Menschenrechtsbilanz zu treffen.
Ein katastrophale Situation
Seit 2015 hat sich die Situation definitiv nicht verbessert. Unter seiner Herrschaft wurden 16 Gefängnisse gebaut, um die, Berichten zufolge, 60.000 bis 70.000 politischen Gefangenen unterzubringen. (Politische) Gefangene in ägyptischen Gefängnissen werden unter unmenschlichen Bedingungen festgehalten. Von ihnen werden viele gefoltert und ohne faires Verfahren verurteilt, die meisten sogar ohne jeglichen Prozess. Ägypten stand im Jahr 2021 weltweit an dritter Stelle bei den Hinrichtungen, direkt hinter China und dem Iran. Menschenrechtsgruppen haben seit 2013 1.163 Todesfälle in ägyptischen Haftanstalten dokumentiert.
Der Besuch im Jahr 2022 ist von größerer Bedeutung als der im Jahr 2015, da Sisi möglicherweise eine Lösung für die deutschen Befürchtungen von Gaslieferungskürzungen aus Russland sein könnte. Dabei hat Scholz nicht nur Gas aus Ägypten im Visier, sondern auch Wasserstoff.
Deutsche Waffen, deutsches Geld…
Deutschland, dessen Waffenverkäufe an Ägypten im Jahr 2021 einen neuen Rekord erreichten, hat einen großen Einfluss auf das ägyptische Regime. Hinzu kommt, dass deutsche Unternehmen Mega-Infrastrukturprojekte in Ägypten durchführen, und obendrein ist Deutschland ein potenzieller Abnehmer von Treibstoff aus Ägypten. Es ist an der Zeit, dass Deutschland dieses Druckmittel nicht nur im Interesse des ägyptischen Volkes, sondern auch im Interesse der Stabilität der Region vor den Toren Europas einsetzt.
Ebenfalls in Berlin stand Sanaa Seif, dessen in Ägypten inhaftieter Bruder Alaa Abdel Fattah sich seit 109 Tage im Hungerstreik befindet. Während der internationale Aufschrei für seine Freilassung nicht stark genug war, um seine Freiheit zu sichern, erinnerte Sanaa Scholz und die Welt daran, dass Sisi so handelt, weil sich niemand gegen ihn stellt. Die deutsche sowie westliche Regierungen unterstützen offen einen Diktator, den Ägypter:innen nicht gewählt haben, wobei sie viel eher ihren Einfluss nutzen könnten, um die gravierenden Menschenrechtsverletzungen in Ägypten anzuprangern.
Es löst die Probleme nicht, die Treibstofflieferungen des einen Diktators zu stoppen und sie durch Treibstoff eines anderen Diktators zu ersetzen, insbesondere wenn dieser Diktator Europa erpresst, indem er die Notlage der Flüchtlinge als Druckmittel benutzt, um Grenzregime durchzusetzen, wenn er keine finanzielle Unterstützung erhält.
Deutschland hilft das Regime aufrechtzuerhalten
Dabei muss die Forderung klar sein: Die Bundesregierung muss alle Waffenverkäufe an Ägypten aussetzen und eine Menschenrechtsprüfung vornehmen. Die Bundesregierung muss alle Anstrengungen unternehmen, um Druck auf den ägyptischen Diktator auszuüben, damit die Menschenrechte respektiert werden und alle politischen Gefangene frei gelassen werden.
Die ägyptische Initiative für Persönlichkeitsrechte hat eine Liste mit sieben Forderungen veröffentlicht, darunter die Freilassung aller Gefangenen, die Beendigung der Hinrichtungen und die Aufhebung des Ausnahmezustands. Mehr über die Initiative kann hier gelesen werden.
Der Aufruf der ägyptischen Kampagne für Klima und Demokratie angesichts des geplanten COP 27 Gipfels in Scharm el-Scheich kann hier gelesen werden.
Mehr Informationen zu den ägyptischen politischen Gefangenen, wie dem Journalisten Hisham Fouad Abdel Alim oder dem Anwalt Haitham Mohamedain kann auf der Seite der Revolutionary Socialists gefunden werden.
Zuerst erschien dieser Artikel bei The Left Berlin auf Englisch.
Foto: Hossam el-Hamalawy
Übersetzung: Nidal Thawri
Schlagwörter: Ägypten, Menschenrechte, Militär, Militärdiktatur