Am 8. Mai 1945 endete der Zweite Weltkrieg. Doch die Befreiung von den Nazis war nicht immer gleichbedeutend mit Freiheit.
Mai 1945: Nazideutschland liegt in Trümmern. Der Alptraum ist zu Ende. Das Tausendjährige Reich währte letztendlich nur zwölf Jahre. Doch das genügte, um unfassbare Verbrechen zu begehen und die Welt in einen brutalen Krieg zu stürzen. Das Grauen, das Hitler und seine Konsorten über die Menschheit brachten, ist nur schwer zu begreifen. Mit dem Holocaust begingen die Nazis industriellen Massenmord an Millionen Menschen. Sie löschten fast Zweitdrittel des europäischen Judentums aus, ermordeten zehntausendfach Sinti und Roma, Homosexuelle, Menschen mit Behinderung und politische Gegner. Völlig zu Recht verstehen daher laut einer Forsa-Umfrage 89 Prozent der Deutschen den 8. Mai 1945 – jenem Tag, an dem Deutschland kapitulierte – als Tag der Befreiung.
Der Zweite Weltkrieg endete ganz anders als sein Vorgänger. In den letzten Monaten des Ersten Weltkrieges hatten etliche Staaten Massenproteste, Aufstände, Revolutionen erlebt. Millionen Menschen waren damals zwischen Moskau und Tokio, zwischen Barcelona und Buenos Aires auf die Straße gegangen, um gegen den Krieg und seine Auswirkungen zu protestieren. Allein vier europäische Monarchen wurden 1917/18 gestürzt, darunter der deutsche Kaiser. Im Sommer 1945 beendete hingegen keine Bewegung von unten das Massensterben, sondern das Militär: amerikanische, britische und russische Soldaten.
Die deutsche Arbeiterbewegung, einstmals die größte der Welt, war nicht in der Lage, Hitler zu stürzen. Dafür hatte er selbst gesorgt: Unmittelbar nach der Machtübertragung im Januar 1933 zerschlug er ihre Organisationen. Kommunistinnen und Kommunisten, Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sowie Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter waren die ersten Insassen der neu gebauten Konzentrationslager. Dennoch gab es auch unter dem Naziregime Widerstand aus der deutschen Bevölkerung. Rote Kapelle, Gruppe Funke oder Edelweißpiraten nannten sich die zahlreichen Kleingruppen, die den Nazis bis zuletzt durch Sabotage und Gegenaufklärung die Stirn boten.
Massenhafter Widerstand gegen die Besatzung
Anders als im Deutschen Reich nahm der Widerstand in vielen der besetzen Länder Massencharakter an: Die französische Resistance, die polnische Heimatarmee oder die jugoslawischen Partisanen hatten einen wichtigen Anteil an der militärischen Niederlage Deutschlands. Umso bitterer musste es ihnen erscheinen, als sie nach der Befreiung selbst bekämpft wurden. In Griechenland verwickelten nun die Briten die ehemalige Partisanenbewegung in einen blutigen Bürgerkrieg. Offiziere der polnischen Heimatarmee wurden vom sowjetischen Geheimdienst erschossen oder in den Gulag verschickt.
Hier wie in Deutschland selbst war Befreiung also keineswegs immer gleichbedeutend mit Freiheit. Das mussten die Arbeiterinnen und Arbeiter Ostberlins, deren Streikbewegung am 17. Juni 1953 von den Panzern der Roten Armee begraben wurde, ebenso schmerzvoll erfahren wie die Kommunisten in der Bundesrepublik, deren Partei 1956 ein zweites Mal nach 1933 verboten wurde. Zudem hatte das Ende des Dritten Reichs die Welt keineswegs auf Dauer zu einem sicheren Ort gemacht. Vielmehr erhob sich aus seinen Trümmern bald der Kalte Krieg. Dessen Begleiterscheinungen hießen: Atomare Bedrohung, Stellvertreterkonflikte und Wettrüsten.
Für die deutschen Eliten endete derweil im Mai 1945 der Traum, »Lebensraum im Osten« zu erobern. Mit dem Nationalsozialismus brachen sie daraufhin ideologisch. Doch ihr Projekt, Europa unter deutsche Vorherrschaft zu bringen, haben sie niemals aufgegeben. Einzig die Instrumente dafür haben sich verändert. Sie heißen nun Europäische Zentralbank und EU-Kommission.
Foto: San Diego Air & Space Museum Archives
Schlagwörter: 8. Mai, Hitler, Kriegsende, Tag der Befreiung, Zweiter Weltkrieg