In den kommunalen Kitas zeichnet sich bei den Erzieherinnen eine große Streikbewegung ab. Schon macht in Freiburg ein Solidaritätsbündnis auf die Situation der Beschäftigten aufmerksam. Wir sprachen mit der Aktivistin Songül Baspinar
Marx21.de: Songül, eure Initiative »Mehr wert – Solidaritätsbündnis Sozial- und Erziehungsdienste Freiburg« will die Beschäftigten in ihrer anstehenden Tarifbewegung unterstützen. Was ist die Idee dahinter?
Songül Baspinar: Es fing damit an, dass ein Genosse von der LINKEN, der mit mir an der Pädagogischen Hochschule in Freiburg studiert, auf mich zukam. Dann haben wir uns gemeinsam Gedanken gemacht, wie wir die Beschäftigten unterstützen können. Für mich ist es vor allem interessant, weil ich Kindheitspädagogik studiere und damit später selbst in diesem Bereich beschäftigt sein werde. Durch Praktika in Kitas und anderen Einrichtungen habe ich auch schon erlebt, welche Herausforderungen diese Arbeit stellt. Umso wichtiger ist es mir, mich frühzeitig zu solidarisieren. Politisch ist es für mich auch eine spannende Auseinandersetzung, da die Sozial- und Erziehungsdienste (SuE) leider ein Paradebeispiel für weibliche, prekäre Beschäftigung sind.
Wer beteiligt sich denn an dem Bündnis?
In erster Linie war es uns natürlich wichtig, die Gewerkschaften, also ver.di und die GEW, anzusprechen. Bei den letzten beiden Treffen konnten wir auch direkt mit Beschäftigten ins Gespräch kommen. Soweit es ihre Zeit zulässt, wollen sie sich am Bündnis beteiligen. Darüber hinaus sind auch Studierende mit dabei – viele sind direkt durch entsprechende Studiengänge »betroffen«, aber es beteiligen sich auch welche aus ganz anderen Fachrichtungen. Daneben gibt es großen Zuspruch von linken Gruppierungen bis hin zu antifaschistischen Gruppen. Interessant ist, dass viele, die uns unterstützen, eben nicht direkt betroffen sind und trotzdem für und mit den Beschäftigten aktiv werden wollen.
Wie haben die Gewerkschaften reagiert?
Da gab es große Offenheit und sogar Freude darüber, dass Studierende Solidaritätsarbeit angestoßen haben. Der regionale Fachbereichsleiter arbeitet kontinuierlich im Bündnis mit. Unser nächstes Ziel ist es, auch landesweit den Kontakt zu ver.di herzustellen, um ähnliche Aktivitäten in anderen Städten anzuregen.
Der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske sagte, dass die Forderungen im Bereich der Sozial- und Erziehungsdienste die höchsten seien, die seine Gewerkschaft jemals aufgestellt hätte. Welche Rolle kann ein Solidaritätsbündnis bei den Auseinandersetzungen einnehmen?
Für die SuE-Beschäftigten ist es weitaus schwieriger, ökonomischen Druck durch Streikaktionen auszuüben als zum Beispiel in der Metallindustrie. Umso wichtiger ist es, dass wir an die Öffentlichkeit gehen und den politischen Kontext der Tarifbewegung bekannt machen. So können wir dann Druck ausüben. Ich denke, das kann die Beschäftigten sehr bestärken und dazu beitragen, dass sie noch selbstbewusster in die Auseinandersetzung gehen. Gerade die Eltern werden dabei entscheidend sein.
Welche Aktionen habt ihr schon gemacht und was ist noch geplant?
Uns geht es darum, Bewusstsein für die Situation der Beschäftigten zu schaffen. Wir haben gemeinsam mit Studierenden der Pädagogischen Hochschule in Freiburg einen Videoclip gedreht. Der erklärt mit einem Augenzwinkern, warum es für die gesamte Gesellschaft wichtig ist, dass die Beschäftigung im Sozial- und Erziehungsdienst aufgewertet wird – aber er macht auch deutlich: Wir sind solidarisch. Ähnlich ist auch unsere Foto-Solidaritätsaktion angelegt: Wir haben Menschen direkt gebeten, für die Beschäftigten »Gesicht zu zeigen«, und dies mit einer kleinen Botschaft zu verbinden, warum sie die Tarifbewegung unterstützen.
Außerdem planen wir eine Unterschriftenkampagne, Infostände und Aktionen vor Betrieben, an der Universität und in der Innenstadt.
Und wenn es nun zum Streik kommt: Wie können die Beschäftigten dann unterstützt werden?
Ganz genau wissen wir das noch nicht, wir dikutieren im Bündnis noch über verschiedene spannende Ideen. Was aber auf jeden Fall wichtig sein wird, ist die Unterstützung durch die Eltern. Erste Kontakte in diese Richtung haben wir auch schon geknüpft. Das wird bei einem Streik mitentscheidend sein, denn natürlich ist es ein Spagat: Berufstätige Eltern haben zu Recht ein Interesse daran, dass ihre Kinder auch während eines möglichen Streiks betreut werden. Andererseits profitieren auch sie langfristig davon, wenn die Tätigkeit von Erzieherinnen und Erziehern aufgewertet wird und die Betreuung sich verbessert.
Bis es zu Aktionen der Beschäftigten kommen kann, sind noch einige Wochen Zeit. Denkst du, in anderen Städten lässt sich noch eine ähnliche Unterstützung wie in Freiburg aufbauen?
Ja, auf jeden Fall! Es war schön zu sehen, dass mich vor allem nach der Veröffentlichung des Videoclips viele Leute aus dem SuE-Bereich angesprochen haben. Sie fragen mich zum Beispiel nach Tipps, was sie bei sich vor Ort machen können. Meine Antwort: Geht einfach mal auf die jeweiligen Fachbereichsleiter in den Gewerkschaften zu und versucht, Bündnispartner zu finden. Meine Wunschvorstellung ist, dass wir während der Tarifbewegung eine landes- oder gar bundesweite Vernetzung der Solidaritätsarbeit auf die Beine stellen.
Songül Baspinar studiert Kindheitspädagogik und ist aktiv im Solidaritätsbündnis Sozial- und Erziehungsdienste Freiburg.
(Die Fragen stellte Daniel Anton.)
Foto: Province of British Columbia
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