Die EU hat, unter der Federführung von Angela Merkel, mit der Abschiebung von Flüchtlingen begonnen. Doch der sogenannte Türkei-Deal ist das falsche Signal. Er hat den Geflüchteten nicht geholfen und wird die Situation weiter verschlechtern. Von Hai-Hsin Lu.
Das Abkommen zementiert die auf Abschreckung und Abschottung setzenden Asylpolitik der europäischen Union – Flüchtlinge werden schon weit vor den europäischen Grenzen gestoppt. Effektiv wird die Türkei nun als Türsteher für die EU eingespannt, ungeachtet dessen, dass dort prekäre Zustände für Geflüchtete herrschen. Zwischen rechtswidrigen Abschiebungen und Inhaftierungen wird Tag für Tag gegen fundamentale Menschenrechte verstoßen.
Rechte der Flüchtlinge wahren
Das UN-Flüchtlingshilfswerk äußert sich kritisch zur Lage in Griechenland, denn auch hier drohen Menschenrechtsverletzungen: Um Flüchtlinge möglichst zügig abschieben zu können, müssen sie festgehalten werden. Die Sprecherin des Hilfswerks, Melissa Fleming, forderte die EU auf, die Rechte der Flüchtlinge in Griechenland zu wahren. Jeder Einzelne müsse angehört werden und die Chance bekommen, einen Asylantrag zu stellen, forderte Fleming im SWR, sonst dürfe er nicht zurück in die Türkei abgeschoben werden. Allein auf der griechischen Insel Lesbos wollten ihres Wissens nach rund 2.000 Menschen Asyl beantragen. Doch in der heillosen Überforderung, kann Griechenland weder adäquat Menschen unterbringen, noch Personal einsetzen, um die Fälle zu bearbeiten.
EU-Türkei-Deal: Geschäft für Schlepper
Die Befürworter des Abkommens, wie der EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD), verteidigt den Deal, weil damit angeblich illegalen Schlepperbanden ein empfindlicher Schlag versetzt werden könne. Laut PRO ASYL wird genau das Gegenteil der Fall sein: Durch die Schließung der Ägäis-Route verlagert sich die Fluchtbewegung über Libyen und die zentrale Mittelmeer-Route, die viel länger und deutlich gefährlicher ist. Die miserable Situation lässt den Menschen wenig Alternativen – denn auch in Libyen sind die Bedingungen katastrophal. Das spielt den Schleusern in die Hände, sie können ein mehrfaches des Preises der Ägäis-Route verlangen.
Deals mit Despoten
Trotz der menschenunwürdigen Zustände wird das Abkommen mit der Türkei jetzt von den EU-Eliten als Vorbild genommen: Der italienische Ministerpräsident Renzi schlägt unter anderem vor, solche Abkommen jetzt auch mit afrikanischen Staaten abzuschließen. Nach seinem Plan gibt die EU Geld, damit andere Staaten Menschen am Auswandern hindern. – inklusive Auffanglagern vor Ort und einem Asylsystem, das »zwischen Flüchtlingen und Wirtschaftsmigranten« unterscheiden soll. Dies schließt auch Libyen mit ein, ein Land in dem nach der verheerenden militärischen Intervention der Großmächte USA, Frankreich und Großbritannien, Bürgerkrieg herrscht. Doch anstatt die Armut und die humanitäre Notlage der Menschen zu bekämpfen, geht es der EU nur darum möglichst viele Geflüchtete abzuhalten – egal unter welchen Bedingungen die Menschen leben müssen.
Das Boot ist nie voll
Ein wiederkehrendes Argument, dass das Abkommen legitimieren soll, sind die Kapazitätsgrenzen Europas und insbesondere Deutschlands. Die EU soll den »Zustrom« von Geflüchteten nicht verkraften können. Aber an was fehlt es eigentlich? Offensichtlich an politischem Willen – denn der deutsche Staat könnte anstatt seines astronomischen Verteidigungshaushalts, der Steuerbegünstigung der Reichsten, Banken und Konzernen, Millionen von Flüchtlingen aufnehmen und diesen ein menschenwürdiges Leben ermöglichen. Das wurde schon in der Vergangenheit, mit deutlich schlechteren Voraussetzungen getan. Die prekären Umstände in Flüchtlingsunterkünften in Deutschland sind gewollt herbeigeführt worden – und nun wurde ein Versuch gestartet, sie außerhalb der EU-Außengrenzen auszulagern. Diese Politik wird den Geflüchteten nicht helfen und die Situation weiter verschlechtern.
Foto: United Nations Development Programme
Schlagwörter: Abschiebung, Angela Merkel, Erdoğan, Flüchtlinge, Geflüchtete, marx21, Mittelmeer-Route, Pro Asyl, Schlepper