Die Weltwirtschaft befindet sich seit der letzten großen Krise ab 2007 in einer Dauerkrise. Damals mussten Banken vom Staat gerettet werden und sie hängen immer noch am Tropf des Staates. Doch welche Rolle spielen Banken im Kapitalismus überhaupt? Volkswirt Thomas Walter beantwortet die wichtigsten Fragen
Was sind Banken?
Unternehmen und Handel
Unternehmen produzieren Waren, um sie mit Profit zu verkaufen. Bestimmte Tätigkeiten lagern sie dabei an andere Unternehmen aus. Das Handelskapital z. B. handelt mit Waren. Es kauft die Waren ab Werk, um sie später weiter zu verkaufen. Vorteil für die produzierenden Unternehmen: Sie kommen gleich zu Geld. Nachteil: Sie müssen einen Teil ihres Profits an das Handelskapital abgeben. Die Unternehmen verkaufen die Waren unter Wert, so dass das Handelskapital, wenn es später die Waren zu ihrem Wert verkauft, einen Profit macht, der sonst bei den Unternehmen angefallen wäre.
Vom Geldverleiher …
Statt die Waren an einen Händler zu verkaufen, kann sich ein Unternehmen aber auch Geld leihen. Seine Waren dienen dann als Sicherheiten für den Geldverleiher. Wenn dann das Unternehmen später seine Waren verkauft hat, zahlt es das Geld wieder zurück, um seine Schulden zu begleichen. Klappt das nicht, dann beschlagnahmt der Geldverleiher die Waren in der Hoffnung, sie noch verkaufen zu können.
Der Geldverleiher will Zinsen auf seinen Kredit. Diese Zinsen gehen zu Lasten des Profits des Unternehmens. Ist der Kredit in einem Dokument festgehalten (ein Schuldschein oder eine Anleihe), dann kann der Geldverleiher dieses Dokument gleich weiterverkaufen und kommt so selbst wieder zu Geld, das er wieder verleihen oder mit dem er Waren kaufen kann. Wird der Schuldschein oder die Anleihe fällig, bezahlt das Unternehmen dem letzten Eigentümer dieser Wertpapiere den Geldbetrag nebst Zinsen aus.
… zu den Banken
Zu solchen Geldgeschäften gehört gegenseitiges Vertrauen der beteiligten Unternehmen. Dies ist bei der Vielzahl der Unternehmen in aller Welt schwierig. Hier springen Banken ein. Sie prüfen die Kreditwürdigkeit ihrer Kunden, vermitteln Kredite, gewähren eigene Kredite, verlangen Zinsen und treiben die Schulden ein. Die Banken kaufen und verkaufen Schuldscheine und Anleihen von Unternehmen und Regierungen. Sie nehmen Geldeinzahlungen entgegen, auf die sie dann Zinsen zahlen, und verleihen das Geld an Unternehmen, an Regierungen, an Privatpersonen zu einem höheren Zins weiter. Die Zinsen setzen die Banken so fest, dass sie nicht nur Profite machen, sondern auch Verluste ausgleichen können, wenn etwa ein Kunde seinen Kredit nicht zurückzahlen kann. Außerdem handeln Banken auch mit Aktien oder helfen bei der Gründung von Aktiengesellschaften.
Was sind Aktien?
Unternehmen als Aktiengesellschaft (AG) finanzieren sich, indem sie Kredite aufnehmen oder Anleihen oder Aktien verkaufen. Anleihen müssen zum Stichtag mit Zins zurück gezahlt werden, Aktien nicht. Die Aktienkäufer erwarten aber regelmäßige Dividenden auf ihre Aktien. Die AG legt dabei fest, wieviel und ob überhaupt zu den festgelegten Zeiten Dividenden ausgezahlt werden. Die Käufer werden nur dann Aktien kaufen, wenn sie erwarten, dass im Großen und Ganzen Dividenden auf sie warten. Weiterer Vorteil für die Aktionäre: Sie haben gewisse Rechte bei der Unternehmensführung der AG. Sie können ihre Aktien auch weiter verkaufen und so zu Geld machen. Spekulanten hoffen darauf, dass die Aktien im Wert steigen, also gewinnbringend verkauft werden können.
Was ist eigentlich Geld?
Tauschmittel, Zahlungsmittel, Wertaufbewahrungsmittel
Wer einen Kredit gewährt, verleiht eine bestimmte Geldsumme, die er später mit Zinsen zurück fordert. Kredite sind also ein verliehener Betrag an Geld, aber was ist Geld? Marx unterscheidet Geld als Tauschmittel zum Kauf von Waren, Geld als Zahlungsmittel für die Rückzahlung von Krediten und Geld bei einer Bank oder im Tresor als Wertaufbewahrungsmittel. Alle diese Geldfunktionen setzen voraus, dass Geld einen Wert hat.
Der Wert der Geldware wird durch die Arbeitswerttheorie erklärt
Nach der Arbeitswerttheorie ist der Wert einer Ware durch die Arbeitszeit bestimmt, die zu ihrer Herstellung notwendig ist. Eine Ware übernimmt die Funktion der Geldware. Silber und Gold waren historische Geldwaren. Die Werte aller Waren können sich, gemäß der erforderlichen Arbeitszeiten, im Wert von z. B. einem Pfund Silber ausdrücken. Benötigt eine Ware eine Herstellungszeit von 300 Arbeitsstunden und ein Pfund Silber eine von 100 Arbeitsstunden (Förderung aus dem Silberbergwerk), dann hat diese Ware einen Preis von 3 Pfund Silber. Da Waren im Zuge des technischen Fortschritts in immer kürzerer Zeit hergestellt werden können, sinkt auch ihr Arbeitswert. Das gilt auch für die Geldwaren Silber oder Gold. Die in Silber- oder Goldeinheiten ausgedrückten Preise bleiben somit einigermaßen stabil.
Vorteil: Das Geldwesen beruht auf einer »natürlichen« Grundlage. In Wirklichkeit muss diese aber staatlich – durch König, Kaiser oder modernem Staat – anerkannt sein. Nachteil: Die Zufälligkeiten der Gold- und Silberproduktion beeinflussen die Preise und damit die Wirtschaft. In Krisen-und Kriegszeiten wurde die Golddeckung oft ausgesetzt.
Goldstandard und Zentralbanken
Während des Goldstandards wurde das Gold ersetzt durch (möglichst fälschungssichere) Banknoten aus Papier. Diese mussten aber von der staatlichen Zentralbank in einem bestimmten Verhältnis in Gold umgetauscht werden, wenn ein Banknotenbesitzer das wünschte. Die Geschäftsbanken schufen eigenes Geld, indem sie ihren Kunden beispielsweise Girokonten einrichteten. Dieses Giral- oder Bankgeld ist kein Zentralbankgeld. Es hat aber die gleiche Bezeichnung wie dieses (Dollar, Mark, Franken). Es muss auf Wunsch in dieses oder auch – beim Goldstandard – in die entsprechende Goldmenge umgetauscht werden.
Ab der Weltwirtschaftskrise 1929 wurde der Goldstandard nach und nach aufgeweicht. Um den Vietnamkrieg zu finanzieren, brachte die US-Zentralbank (Federal Reserve Bank, kurz »Fed«) viel Papiergeld in Umlauf. Schließlich konnte die Fed ihrer internationalen Verpflichtung, für 35 Papier-Dollar eine Unze Gold (31 Gramm Gold) herauszugeben, nicht mehr nachkommen. 1971 stiegen die USA schließlich aus dem Goldstandard aus. Seitdem unterliegt der Goldpreis den Marktkräften. Im März 2021 kostete eine Unze um die 1700 Dollar.
Ohne Goldstandard ist der Wert des Geldes nicht mehr an den Wert des Goldes geknüpft. Stattdessen kündigen die Zentralbanken eine bestimmte allgemeine Preissteigerungsrate an, die Europäischen Zentralbank (EZB) z. B. eine Inflationsrate von knapp 2 Prozent. Die EZB simuliert sozusagen mit ihrem Geld, dem Euro, eine Goldwährung, bei der die notwendige Arbeitszeit für Gold, also dessen Arbeitswert, um knapp 2 Prozent jährlich stärker sinkt als für die Waren.
Warum sind Kredite für Unternehmen wichtig?
Die Handelskredite zwischen Unternehmen haben die Aufgabe, Warenhandel nicht mit Geld, sondern per Kredit abzuwickeln. Oft gleichen sich die Kreditbeziehungen zwischen den Unternehmen später aus. Bei Banken werden diese Kreditforderungen gegeneinander verrechnet (»Clearing«). Nach Verrechnung müssen nur noch kleine Ausgleichsbeträge in Geld bezahlt oder durch neue Kredite ausgeglichen werden. Die Unternehmen müssen so weniger Geld als Zahlungsmittel bereithalten.
Da Geldbestände (zum Beispiel der Geldvorrat, der für die Bezahlung der Löhne bereit gehalten werden muss) neben Gebäuden und Maschinen zum Kapitalstock eines Unternehmens gehören und die Profitrate eines Unternehmens sich errechnet als Profite im Verhältnis zum Kapitalstock, bedeutet jede Einsparung beim Kapitalstock, hier also bei den Geldkassen, eine Erhöhung der Profitrate.
Bei länger laufenden Krediten kommt hinzu, dass in der Konkurrenz sich das Unternehmen durchsetzt, welches am schnellsten das größte Rad dreht. Das Unternehmen, das am schnellsten die meisten, teuersten, modernsten Maschinen kaufen kann, kann als erstes am meisten produzieren, verkaufen und verdienen. Die Verkaufserlöse reichen dann, um Kredite mit Zinsen zurückzuzahlen und selbst noch einen Profit zu machen.
Unternehmen zahlen ihre Schulden nicht ab. Sie müssen natürlich ihre Schulden begleichen, aber an die Stelle der alten treten neue noch größere Schulden. Damit finanziert das Unternehmen den Kauf von immer mehr und moderneren Maschinen. Als Sicherheit für diese Kredite, die einerseits abbezahlt werden, andererseits neu dazu kommen, dient den Banken der Wert der Maschinen.
Wie schaffen Banken Geld?
Wenn Banken einem Kunden ein Bankkonto einrichten, kann dieser von diesem Konto aus Zahlungen vornehmen, solange noch Geld auf dem Konto ist. Dieses Geld hat die Bank bereit gestellt, nicht die Zentralbank. Solange Geldüberweisungen zwischen Kunden der Bank stattfinden, braucht die Bank auch kein Zentralbankgeld. Sie braucht auch keines, solange Abflüsse zu Kunden anderer Banken durch Zuflüsse von anderen Banken ausgeglichen werden. Nur in dem Maße, wie Kunden tatsächlich von ihrem Konto Zentralbankgeld abrufen oder wie Abflüsse nicht durch Zuflüsse ausgeglichen werden, benötigt die Bank Zentralbankgeld. Dieses kann sie sich, wenn sie kreditwürdig ist, von anderen Banken oder von der Zentralbank leihen.
Nicht nur der Bankkunde, auch die Bank muss kreditwürdig sein?
Ein Bankkredit geht tatsächlich in zwei Richtungen. Der Kunde muss als Schuldner den Kredit an die Bank zurückzahlen. Die Bank schuldet aber dem Kunden, dass sie den Kredit, wenn gewünscht, in Zentralbankgeld auszahlt. Die Bank leiht nur Kunden Geld, die sie für kreditwürdig hält. Die Kunden unterhalten nur Konten bei Banken, die sie für kreditwürdig halten, also fähig, auf Wunsch die Konten in Zentralbankgeld auszuzahlen.
Damit die Banken kreditwürdig sind, müssen sie Reserven in Zentralbankgeld, in der Eurozone z. B. Euro-Reserven bei der EZB, vorhalten. Um ihre Profitrate hochzuhalten, versuchen die Banken aber mit möglichst geringen Reserven an Zentralbankgeld, die für sie ja den erforderlichen Kapitaleinsatz erhöhen, auszukommen. Die Mindesthöhe solcher Reserven ist den Banken deshalb durch die Zentralbanken und internationale Abkommen vorgegeben. Solche Reserven reichen nicht, wenn in einer Krise viele Kunden der Kreditwürdigkeit ihrer Banken nicht mehr trauen. Bankgeld wird nicht mehr angenommen, weder in Form von Überweisungen noch als Kreditkartenzahlung. Verkäufer wollen sofort Zentralbankgeld in Form von Bargeld sehen.
Wie steht es derzeit um die Banken?
Um die Kreditwürdigkeit der Banken nachhaltig zu stärken, hat die EZB seit der Finanzkrise ab 2007 den Banken immer mehr Unternehmens- und staatliche Anleihen abgekauft und sie so mit EZB-Euro ausgestattet. Im November 2020 hatten die Banken Überschussreserven, also mehr als die vorgeschriebenen Mindestreserven, in Höhe von 2,8 Billionen Euro. Bis 2012 lagen diese Überschussreserven noch fast bei null.
Die ursprüngliche Absicht war gewesen, dass die Banken dieses EZB-Geld an Unternehmen verleihen und so die Wirtschaft ankurbeln. Die hohen Reserven schmälern ja die Profitrate der Banken. In der Eurozone müssen die Banken sogar Zinsen auf ihre Guthaben bei der EZB zahlen. Wegen der anhaltenden Krise des Kapitalismus finden die Unternehmen und Banken aber keine profitablen Anlagemöglichkeiten (»Anlagenotstand«). Die Banken bleiben auf ihren Überschussreserven sitzen, die sie als Puffer für allfällige Bankenkrisen nutzen können. Auch viele Unternehmen haben inzwischen ihre »Kriegskassen« aufgefüllt, um sich gegen Krisen zu wappnen.
Wer finanziert die Investitionen, die »Sparer« oder die Banken?
Nach bürgerlicher Ideologie geben die Bürger und Bürgerinnen nicht ihr ganzes Einkommen für Konsum aus, sondern ein Teil davon wird »fleißig« gespart. Die Ersparnisse gehen auf das Sparkonto bei einer Bank und von dort aus als Kredit an die Unternehmen. Als Belohnung für »eisernes Sparen« gibt es Zinsen. Oder der einzelne Bürger gründet als Kapitalist mit seinen Ersparnissen, seinem Kapital, selbst ein Unternehmen. Als Belohnung erhält er die Gewinne seines Unternehmens. Derzeit ist die »Vulgärökonomie« (Marx) allerdings verwirrt, weil Sparen nicht belohnt, sondern mit Negativzinsen belastet wird. Weil es an profitablen Anlagemöglichkeiten mangelt, wird Geld bei Regierungen und Zentralbanken geparkt, selbst wenn dies Geld kostet.
Nach Marx sind Zinsen und die Profite der Unternehmen Teil des Mehrwerts, den die Kapitalisten den Arbeitern und Arbeiterinnen abpressen. Diese erhalten zwar einen Lohn. Der Lohn ist aber niedriger als der Wert der insgesamt produzierten Güter. Die Differenz heimsen sich die Kapitalisten als Mehrwert gratis ein.
Indem die Kapitalisten den Mehrwert erpressen, schaffen sie sich ein Profiteinkommen, das sie »sparen« und investieren können. Sie sind nicht auf die Ersparnisse der Arbeiter angewiesen, auch wenn sie sich diese gerne leihen, wenn Profit lockt. Sie sind schon deshalb nicht auf die Ersparnisse von Arbeiterinnen und Arbeitern angewiesen, weil die Banken gegen Zins Geld leihen, wenn Profit lockt. So können die Kapitalisten Waren kaufen. Andere Kapitalisten verkaufen diese Waren und realisieren so deren Wert. Mit diesen Einnahmen zahlen sie Kredite an Banken mit Zins zurück und machen darüber hinaus möglichst noch Profit.
Was sind Zentralbanken und was sind ihre Aufgaben?
Die Zentralbanken sind staatliche Institutionen. Sie sind im jeweiligen kapitalistischen Staat die Bank der Banken. Die EZB, als Beispiel für eine Zentralbank, setzt »Geldpolitik« ein, um stabile Preise und damit die Wertaufbewahrungsfunktion des Geldes zu sichern. Steigen die Preise aus Sicht der EZB zu stark (Inflation), dann verknappt sie die Geldzufuhr. Sie verlangt von den Banken höhere Mindestreserven und für Kredite höhere Zinsen. Sie verkauft aus ihrem Besitz Anleihen, die sie früher von Unternehmen und Regierungen gekauft hat, um Geld aus dem Umlauf zu nehmen. Steigen die Preise zu schwach oder droht gar Deflation, dann machen die Zentralbanken das Umgekehrte.
Die Zentralbanken sind auch »letzter Geldverleiher in der Not« (»lender of last resort«). In der großen Finanzkrise ab 2007 halfen die Zentralbanken massiv mit zinsgünstigen Krediten sowohl den Unternehmen als auch den Regierungen. Sie kauften massiv den Banken Anleihen ab. Der Kapitalismus erlebte keinen Einbruch à la Weltwirtschaftskrise 1929. Wegen unterausgelasteten Produktionskapazitäten und Unterbeschäftigung bleibt auch eine Inflation aus. Die Kehrseite der Medaille ist, dass »letzter Geldverleiher in der Not« für die Zentralbanken zu einem Dauerjob geworden ist.
Kommt die Zentralbank den Geschäftsbanken nicht zur Hilfe, dann können diese bankrott gehen, wenn sie ihren Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommen können. Die Verbindlichkeiten (Schulden) der Bank sind dann höher als ihre Forderungen und Vermögenswerte.
Können Zentralbanken pleite gehen?
Nein, sie drucken ja ihr eigenes Geld. Aus politischen und ideologischen Gründen darf das aber niemand wissen. Wie Geschäftsbanken auch, haben die Zentralbanken eine Bilanz. Auf der einen Seite stehen die Kredite, die sie an die Banken vergeben haben. Auf der anderen Seite steht das Geld, das dadurch in Umlauf kam, als »Verbindlichkeit«. (Das erinnert an die Zeit, als die Zentralbanken ja tatsächlich ihre umlaufenden Banknoten auf Verlangen in Gold eintauschen mussten.) Auf der einen Seite stehen Vermögen wie Dollar- und Goldreserven. Auf der anderen Seite steht das Eigenkapital, das sozusagen den Wert der Zentralbank darstellt.
Die Zentralbanken machen technisch auch »Gewinne« und »Verluste«. Sie kassieren Zinsen auf ihre Kredite, müssen aber auch mit Ausfällen bei diesen Krediten rechnen. Dann wird das Eigenkapital womöglich negativ, wie z. B. gelegentlich bei der tschechischen Zentralbank. Eine Geschäftsbank wäre jetzt pleite. Nicht so die Zentralbank. Sie macht einfach weiter. Das hindert freilich wenigstens in Deutschland wirtschaftsliberale Kommentatoren nicht, die Pleite der EZB an die Wand zu malen, wenn ihnen die EZB-Politik nicht passt.
Eine Zentralbank kann allerdings im Welt-Geld Dollar verschuldet sein. Druckt sie jetzt ihr Geld, um Dollar zu kaufen und die Dollarkredite zu begleichen, werden der Dollar und damit Importe immer teurer. Die Preise steigen, das heimische Geld verliert an Wert. Schließlich rufen die lokalen Eliten internationale Organisationen, die von den großen kapitalistischen Staaten kontrolliert sind, zu Hilfe, damit diese mit Dollarkrediten helfen. Als Gegenleistung schaffen sie durch Lohn- und Sozialabbau für internationale Konzerne profitable Investitionsmöglichkeiten. Als auf die Finanzkrise ab 2007 die Eurokrise folgte, fehlten den Regierungen Euro. Die EZB und die Eliten der schwächeren Staaten gingen gegen die Arbeiterklasse vor, um für Konzerne profitable Investitionsgelegenheiten zu erzwingen. So sollten die schwächeren Staaten für Euro-Kredite kreditwürdig werden.
Sind die Zentralbanken unabhängig und unpolitisch?
Offiziell ja. Tatsächlich dienen sie herrschenden Interessen. Beispielsweise wurde der Vietnamkrieg durch Kredite der Fed an die US-Regierung finanziert, obwohl dadurch während der 70er Jahre die Inflation in den USA auf schließlich 11 Prozent stieg. Erst nach dem Ende des Vietnamkrieges 1975 entdeckte die Fed wieder ihren »Auftrag« zur Preisstabilität. Sie verlangte jetzt unter ihrem Präsidenten Paul Volcker fast 20 Prozent Zinsen auf Kredite. Die folgende Pleitewelle trieb die Arbeitslosigkeit auf 10 Prozent. Dieser »Volcker-Schock« schwächte die Gewerkschaften und war mit der Beginn des Neoliberalismus ab den 1980er Jahren. Ein späterer Nachfolger von Volcker, Ben Bernanke, lobte die so erzwungene »Große Moderation«. Gemeint war die große Lohnmoderation, die Lohnzurückhaltung der Gewerkschaften.
Wie mächtig sind die Zentralbanken?
Mächtig, aber nicht allmächtig. Sie werden von links (etwa beim Volcker-Schock), aber auch von rechts kritisiert. In den 70er Jahren wollte Friedrich von Hayek, ein Gründervater des Neoliberalismus, die Zentralbanken abschaffen, weil es staatliche Institutionen sind. Jede private Bank sollte ihr eigenes Geld, etwa Banknoten, in Umlauf bringen dürfen ohne Einlösungspflichten. Die Deutsche Bank würde Geld ausgeben und Zinsen festlegen genauso wie die Commerzbank. Es gäbe einen veränderlichen Wechselkurs zwischen dem Geld der Deutschen Bank und dem der Commerzbank. Das Brötchen beim Bäcker würde vielleicht 90 Deutsche-Bank-Pfennig kosten, 1,20 Commerzbank-Mark oder 85 Sparkassen-Cent.
Die Konkurrenz zwischen diesen Bankgeldern würde nach Hayek stabile Geldarten hervorbringen, die nicht – so Hayek – staatlich manipuliert wären. Die staatlichen Zentralbanken hätten ausgedient. Tatsächlich gründet aber auch »Diem«, die neue Währung von Facebook, auf einer Einlösegarantie in Geld der großen Währungen wie Dollar oder Euro. Facebook macht den Banken Konkurrenz, aber nicht den Zentralbanken.
Stehen die Zentralbanken in Konkurrenz zueinander?
Ja, sie konkurrieren wie ihre jeweiligen kapitalistischen Staaten gegeneinander. Während der jetzigen Krise fällt das nicht so auf, weil alle großen Zentralbanken ihre Kapitalisten retten wollen und so unwillkürlich »koordiniert« handeln. In der Vergangenheit hat es aber auch »Währungskriege« gegeben, etwa von den USA gegen Japan, wenn es zu exportstark wurde. Die Fed mit dem Dollar als Weltgeld spielt nachwievor die erste Geige.
Als neue Konkurrenz gilt auch künstliches Geld wie Bitcoin. Der Wert von Bitcoin beruht wie der Wert von Gold darauf, dass es letztlich nur durch einen Arbeitsaufwand, in diesem Fall einem Stromaufwand, gewonnen werden kann. Bitcoin verbraucht derzeit so viel Strom wie die Volkswirtschaft Norwegens. (So viel zur ökologischen Nachhaltigkeit im Kapitalismus.) Der britische Ökonom John Maynard Keynes hat einmal Gold als das barbarische Metall bezeichnet. Der Arbeitsaufwand, der im Gold steckt, dient kaum einer Bedürfnisbefriedigung, sondern dem Bedürfnis des Kapitalismus, ein Wertaufbewahrungsmittel zu haben. Das gilt auch für Bitcoin.
Wirtschaftsliberale wie Hayek übersehen, dass Geld immer staatlich ist. Auch der Goldstandard war staatlich angeordnet. Der Staat bestimmt, in welchem Geld er seine Steuern haben will. Daran kann Bitcoin nichts ändern.
Welche Rolle spielt die EZB?
Die Konstruktion der EZB spiegelt die Konkurrenz der kapitalistischen europäischen Staaten gegeneinander, aber auch gemeinsame Interessen wider. Die EZB ist das Ergebnis eines Machtkampfes. Der Sitz der EZB ist im deutschen Bankenzentrum Frankfurt, die Geschäftssprache ist Englisch, die Präsidenten waren bislang immer Nicht-Deutsche. Einige Staaten der Europäischen Union (EU) haben sich auf eine gemeinsame Währung Euro geeinigt. Die EZB liefert den Euro. Die ehemaligen Zentralbanken dieser Eurozone sind jetzt Filialen der EZB. Deren Präsidenten sind die Filialleiter. Sie bilden den EZB-Rat. Zusammen mit dem EZB-Präsidenten bestimmen sie die Euro-Geldpolitik. Es geht nach Mehrheit der Stimmen, wobei stärkere Staaten wie Deutschland oder Frankreich mehr Stimmen haben als andere.
Ein Richter des deutschen Bundesverfassungsgerichtes, Peter M. Huber, sagte: »Europa ist ein Verbund von souveränen Nationalstaaten, die sogar austreten können, wenn es ihnen nicht mehr passt.« Im Klartext: auch eine »Filiale« könnte eines Tages beschließen, wieder zu einer selbständigen Zentralbank zu werden, die dann wieder Lire, Peso oder Francs druckt.
Welche Rolle spielt die Deutsche Bundesbank?
Bundesbankpräsident Jens Weidmann hat zwar viele Stimmen im EZB-Rat, er kann aber überstimmt werden. Im Spiel »guter Bulle, böser Bulle« markiert Weidmann den bösen Bullen. Er mahnt, dass die EZB nicht zu viele Kredite vergeben soll. Er vertritt damit die Interessen deutscher Banken. Statt dass südeuropäische Länder gezwungen werden, Löhne und Sozialleistungen (noch weiter) zu kürzen, um so für deutsche Banken kreditwürdig zu werden, bekommen sie ihre Kredite an den deutschen Banken vorbei direkt von der EZB.
Die EZB wiederum, in deren Rat Weidmann ja auch sitzt, sorgt sich um die Profite auch deutscher Konzerne. Diese haben kein Interesse, dass ihre südeuropäischen Absatzmärkte oder ihre dortigen Produktionsstandorte instabil werden. Sie unterstützen die Kredite der EZB.
Sind die Banken an den Krisen schuld?
Begriffe wie »Finanzkrise« oder »Bankenkrise« legen nahe, dass »wankende Banken« die Hauptverursacher der Krisen sind. Tatsächlich unterliegen Banken genauso wie Unternehmen der Profitlogik und der Krisentendenz des Kapitalismus. Banken sind nicht weniger und nicht mehr als andere Unternehmen an der Krise »schuld«.
Die Unternehmen nutzen ihre Profite und nehmen Kredite auf, um Produktionskapazitäten aufzubauen. Dass diese in der Summe über die mögliche Nachfrage z. B. nach Autos oder Stahl hinausgehen, kümmert die einzelnen Unternehmen, Auto- oder Stahlproduzenten, sowie die kreditgewährenden Banken nicht. In der Krise behaupten sich die Firmen mit den größten Produktionskapazitäten noch am besten. Sie können am ehesten ihre Kredite bedienen. Das wissen auch die Banken. Daher sind solche Investitionen aus Sicht der einzelnen Kapitalisten und der Banken, die ihnen die Kredite gewähren, rational, auch wenn sie insgesamt zu einer Überakkumulation an produktivem Kapital führen. Deshalb haben die Banken bei der großen Finanzkrise ab 2007 in den USA die Immobilienkäufe finanziert, wohl wissend, dass das nicht für alle gut gehen kann. Aber für die Banken gilt wie für die Unternehmen: Wer das größte Rad dreht, steht in der Krise immer noch besser da als die Konkurrenz.
Schließlich können Banken in der Hoffnung, dass sich ein Unternehmen wieder berappelt, diesem mit neuen Krediten helfen, wenn es seine alten Schulden nicht bezahlen kann. Die Banken hoffen, wenigstens einen Teil ihrer Kredite zu retten, wenn ihre Unternehmen im Konkurrenzkampf letztlich übrig bleiben. So gehen Unternehmen nicht pleite, sondern werden als »Zombies« vom Bankensystem – Banken und Zentralbanken – künstlich am Leben erhalten. Das löst keine Krise, sondern führt nur dazu, dass wir, wie Friedrich Engels im Vorwort zum »Kapital« schrieb, »im Sumpf der Verzweiflung einer dauernden und chronischen Depression landen […]. Die ersehnte Periode der Prosperität will nicht kommen.«
Sind Banken und Finanzmärkte von der Realwirtschaft entkoppelt und führen ein Eigenleben?
Ja und nein. Weltweit haben Finanzvermögen und das Gegenstück, die Schulden, stärker zugenommen als das Bruttoinlandsprodukt (BIP), der Wert aller produzierten Waren und Dienstleistungen. Das hat auch einfache Gründe. Lieferketten dehnen sich weltweit aus, ihnen folgen die Kredite. Unternehmen beteiligen sich an anderen Unternehmen, also nehmen solche Finanzbeteiligungen zu. Länder wie Deutschland häufen über Exportüberschüsse immer größere internationale Finanzvermögen auf. Die USA wiederum leisten sich eine immer größere Verschuldung. Schließlich nehmen, wie Marx festgestellt hat, auch die realen Vermögen (Fabriken und Gebäude) stärker zu als das BIP. Damit nehmen auch die Kredite, die diese Kapitalakkumulation finanzieren, stärker zu.
Die Finanzkrisen scheinen jedenfalls diesen Finanz-Überschwang geschwächt zu haben. Null- oder negative Zinsen deuten nicht auf super-dynamische Finanzmärkte. Dies gilt auch für Aktien, denen oft eine besondere Dynamik zugesprochen wird. Betrug in der Weltwirtschaft der Wert aller umlaufenden Aktien, der sogenannte Börsenwert, 1980 mit 2,5 Billionen Dollar noch 20 Prozent des Welt-BIP von 11,2 Billionen Dollar, dann waren 1999 beide Größen ungefähr gleich groß, rund 33 Billionen Dollar. Das wiederholte sich 2007 mit jeweils rund 60 Billionen Dollar und 2017 mit jeweils rund 80 Billionen Dollar. Zwischendurch war der Welt-Börsenwert auf 70 Prozent (2002) und 50 Prozent (2008) des Welt-BIP zurückgefallen. In Deutschland ist das Finanzvermögen (und das Gegenstück, die sogenannten Verbindlichkeiten), einschließlich der Aktien, etwa seit dem Jahr 2000 nicht über das Anlagevermögen (Fabriken, Gebäude) hinausgewachsen.
Wie kam es zur großen Finanzkrise 2007?
Einerseits machen Banken den Kapitalismus krisenfester. Sie haben viele Kunden. Einzelne Zahlungsausfälle können aufgefangen werden. Aber die Banken wissen das. Genau deshalb können sie stärker ins Risiko gehen als etwa ein einzelnes Unternehmen, das seinen Kunden einen Kredit einräumt. Der Zwang zum Profit zwingt sie sogar dazu. Ein krasses Beispiel ist die Finanzkrise 2007. Sie kann durch ein Gleichnis zur kapitalistischen Umweltverschmutzung ganz gut beschrieben werden:
Eine Fabrik belastet ihre lokale Gemeinde mit Abgasen. Sie erhöht den Fabrikschornstein, die Abgase verteilen sich über eine größere Fläche, die Umweltbelastung je Quadratmeter lässt nach. Die staatlichen Aufsichtsbehörden sind zufrieden. Immer mehr Fabriken folgen diesem Beispiel. Immer mehr Fabriken werden zugelassen. Die Grenzwerte werden eingehalten, solange bis plötzlich überall die Umweltverschmutzung zu hoch ist. Keine einzelne Fabrik kann mehr verantwortlich gemacht werden. Alle sind daran mit ihren hohen Schornsteinen beteiligt.
Ähnlich in der Finanzkrise: Die Banken fanden Instrumente, um die Risiken ihrer Kredite auf immer mehr Schultern zu verteilen. Kreditausfälle trafen viele, aber jeden einzelnen verkraftbar. Die Methode machte Schule. Die staatliche Aufsicht war zufrieden. Bis schließlich die vielen Kleinrisiken zu einem einzigen undurchschaubaren Großrisiko verschmolzen. Plötzlich waren die Banken insgesamt zu einem Risiko geworden, sie waren nicht mehr kreditwürdig. Niemand lieh ihnen mehr Geld. Ihr Bankgeld war nutzlos geworden, weil die Einlösung in Zentralbankgeld ungewiss war. Also konnten die Banken kein Geld mehr verleihen.
Die ganze US-Wirtschaft, dann die ganze Weltwirtschaft geriet in eine »große Rezession« (Beginn 2007, Höhepunkt 2009), wie einige Ökonomen diese Zeit heute nennen. Die Krise wäre noch viel schlimmer ausgefallen, wenn nicht Regierungen und Zentralbanken nun ihrerseits den wankenden Banken mit Krediten zur Überbrückung der Krise geholfen hätten.
Wer sind die »neuen Kapitalakteure« neben den Banken?
Im Zuge des Neoliberalismus ließ 2003 die Regierung Gerhard Schröder (SPD) »neue Kapitalakteure«, wie sie der Publizist Werner Rügemer nennt, zu. Dazu gehören Hedgefonds oder Private Equity Unternehmen. Die neuen Kapitalakteure haben keine Bankenlizenz, sind dafür aber auch weniger reguliert. Hedgefonds sammeln Ersparnisse ein und investieren diese in Wertpapiere und in Beteiligungen an Unternehmen. Darüber hinaus versuchen sie, das von ihnen verwaltete Vermögen gegen Wertverlust zu versichern. Zu diesem Zweck stehen auf den Finanzmärkten Versicherungsunternehmen bereit, die solche Aufgaben übernehmen und dafür Versicherungsprämien kassieren. Statt von Versicherungen sprechen manche von Spekulanten. Diese gewinnen dann, wenn der Versicherungsfall nicht eintritt und verlieren, wenn er eintritt. Hinter diesen steht wieder die Fed. Diese hatte im Zuge der Finanzkrise das US-Versicherungsunternehmen AIG, bei dem auch die Deutsche Bank Vermögen versichert hatte, vor dem Bankrott gerettet.
Private Equity Unternehmen kaufen Unternehmen auf und »strukturieren« sie neu. Dabei bleiben schon mal Arbeitsplätze und Arbeitsbedingungen auf der Strecke. Deshalb wurden sie 2005 vom damaligen SPD-Vorsitzenden Franz Müntefering, dessen Partei solche Unternehmen überhaupt erst zugelassen hat, mit »Heuschrecken« verglichen.
Wie stehen Linke zu Banken und was sollten sie fordern?
Linke Politiker und Politikerinnen wie Fabio De Masi, das Parteiprogramm der LINKEN oder Alexandria Ocasio-Cortez von den Demokratischen Sozialisten Amerikas fordern nicht nur eine großzügige Versorgung mit Krediten, sondern auch eine demokratische Kontrolle der Banken. Die Zentralbanken sollen Geld für soziale Zwecke, nicht für Profit, in Umlauf bringen.
Die Linke sollte sich aber auf einen Streit um viel oder wenig Staatsschulden, auch wenn sie von der Zentralbank finanziert sind, nicht einlassen. Um soziale Ausgaben zu finanzieren, braucht es Steuern auf hohe Einkommen und hohe Vermögen. Wenn schon der Staat Unternehmen mit Krediten hilft oder zum Freundschaftspreis Aktien kauft, dann soll er auch Kontrolle über die Unternehmen erhalten und die Arbeitsplätze müssen soziale abgesichert werden.
Lenin schließlich forderte für Russland für die Zeit nach der Oktoberrevolution die »Nationalisierung [Verstaatlichung] der Banken« und »die Vereinigung aller Banken zu einer einzigen«. Damit sollte die Kontrolle aller Wirtschaftsvorgänge insbesondere der noch kapitalistischen Unternehmen erreicht werden. Letztlich muss nicht nur der Finanzsektor, sondern die Wirtschaft insgesamt demokratisch kontrolliert werden. Dafür muss die Arbeiterklasse organisiert kämpfen. Die Arbeiterklasse oder die »assoziierten Produzenten«, wie Marx sie nennt, werden die Wirtschaft neu gestalten. Es wird sich dann zeigen, ob in frühen Stadien des Sozialismus es zunächst noch Bestandteile des Kapitalismus geben wird wie Geld, Kredit oder Banken.
Wie ordnet Marx die Banken historisch ein?
– Die Kapitalisten enteignen die Handwerker
Marx sah im Kapitalismus den Widerspruch, dass einerseits die Produktivkräfte heutzutage nach einer gesamtgesellschaftlichen Produktion verlangen, andererseits aber die Produktion privat von wenigen kontrolliert wird. Gemeint ist damit: Die Menge an Produkten, die heutzutage weltweit produziert werden, könnte von Bauern und Handwerkern nicht erstellt werden.
Die Entwicklung der Produktivkräfte war möglich, weil Bauern und Handwerker enteignet und als Lohnarbeiter dann dem Kapitalisten unterstellt wurden. Dieser eignet sich den Mehrwert an, der auf dem unbezahlten Teil der Arbeitszeit der Arbeiter beruht. Er akkumuliert so sein Kapital. Der einzelne Kapitalist leitet also die Produktion vieler Arbeiter an. Er produziert so mehr und verdrängt die Einzelproduzenten. (Marx vermutet, dass die Kapitalakkumulation nicht im selben Maße zu mehr Beschäftigung führt, weil Arbeit wegrationalisiert wird. Das bedeutet aber, dass auch der Mehrwert hinter der Kapitalakkumulation zurückbleibt: tendenzieller Fall der Profitrate als langfristiges Krisenmenetekel des Kapitalismus.)
Die Produktion ist im Kapitalismus gesellschaftlicher geworden. Es produzieren nicht mehr Handwerker individuell und tauschen dann die Produkte über den Markt, sondern Arbeiter arbeiten kollektiv unter der Anleitung eines Kapitalisten, der die Produkte auf dem Markt verkauft.
– Die Konzerne enteignen die Einzelkapitalisten
Kapitaleigentümer und Manager
Diese erste Zeit des Kapitalismus ist inzwischen nach Marx vorbei. Eine neue Enteignungswelle rollt. Auf dem Weltmarkt müssen Kapitalmassen eingesetzt werden, welche die Privatkapitalisten nicht aufbringen können. Gesellschaften von Kapitalisten (Marx: »Unternehmensgesellschaften«), die ihr Kapital zusammenlegen etwa in Aktiengesellschaften, beherrschen die Szene. Sie verdrängen und enteignen so die Privatkapitalisten, die »kleinen und mittleren Unternehmen« (Marx, heute KMU abgekürzt). Die noch überlebenden Privatkapitalisten sind auf Bankkredite angewiesen und geraten so in deren Abhängigkeit. Ultra-High-Net-Worth-Individuals (UHNWIs, Multimillionäre) oder HNWIs (Millionäre) legen ihr Geld bei Banken an, die dieses an Unternehmen weiter verleihen. So können Unternehmen mit »Fremdkapital« noch größere Räder drehen und müssen dies wegen der Konkurrenz auch.
Die Produktion ist jetzt noch gesellschaftlicher geworden. Nicht nur die Arbeiter werden in Produktionsstätten zusammengefasst, sondern auch die Kapitalsummen der Kapitalisten werden gebündelt. Die Kapitaleigentümer verlieren die Kontrolle über ihr Kapital. Sie leihen es Banken, die damit Großunternehmen finanzieren. Es kommt zu einer Trennung zwischen Managern, die diese Kapitalmassen steuern, und den Eigentümern, die sich mit Zinsen und Dividenden »begnügen« müssen.
»Staatseinmischung«
Die Manager gehen »ganz anders ins Zeug« als die Privatkapitalisten, da sie nicht ängstlich auf ihr eigenes Kapital achten müssen. Als die eigentlichen Insider sind sie schwer durch die Kapitaleigentümer zu kontrollieren. Marx drückte es so aus: Das Kreditwesen »reproduziert eine neue Finanzaristokratie, eine neue Sorte Parasiten in Gestalt von Projektenmachern, Gründern und bloß nominellen Direktoren; ein ganzes System des Schwindels und Betrugs mit Bezug auf Gründungen, Aktienausgabe und Aktienhandel. Es ist Privatproduktion ohne die Kontrolle des Privateigentums.« So können bei Großprojekten wie dem Berliner Flughafen oder Stuttgart 21 kaum Verantwortliche ermittelt werden.
Der Milliardär Peter Thiel, einer der Wirtschaftsberater von Trump, schrieb im Wall Street Journal: »Competition is for losers. If you want to create and capture lasting value, look to build a monopoly.« Staatliche Kartellbehörden versuchen dies im Interesse des Gesamtkapitals zu steuern. Diese »Staatseinmischung« hat schon Marx erwartet. Tatsächlich spielt der Staat im Neoliberalismus eine große Rolle. Regierungen und Zentralbanken retten nicht nur in Krisen.
– Ausblick: Die Arbeiterklasse enteignet die Konzerne
Nach Marx ist mit dem Kreditwesen eine Stufe an gesellschaftlicher Produktion erreicht, über die hinaus der Kapitalismus die Produktivkräfte nicht mehr weiter steigern kann. Im Gegenteil, die gegeneinander konkurrierenden Kapitaleigentümer und ihre Manager werden der Produktivkräfte nicht mehr Herr. Wenn Konzerne »too big to fail« sind und staatlich gerettet werden müssen, dann kann Privateigentum an den Produktionsmitteln nicht einmal mehr bürgerlich gerechtfertigt werden. Konzerne achten aus Kostengründen nicht auf die Umwelt. Inzwischen ist das Leben auf der Erde durch Umweltkatastrophen bedroht.
Der nächste logische Schritt wäre, dass die eigentlich Produzierenden, die Arbeiterklasse, die Manager und Kapitalisten enteignen und sich die Produktionsmittel aneignen. Damit wäre die Produktion noch einmal gesellschaftlicher geworden. Sie wird nicht mehr von gegeneinander konkurrierenden Kapitalmassen bestimmt. Die »assoziierten Produzenten«, die Arbeiterklasse, kontrollieren jetzt gemeinsam die Weltproduktion für die Bedürfnisse der Menschheit insgesamt.
Quelle Titelbild: Wikipedia, user:Epizentrum
Schlagwörter: Bankenkrise, Europäische Zentralbank, Finanzkrise, Finanzsektor, Zentralbanken