Zur Rechtfertigung und Durchsetzung der geplanten Aufrüstung und Militarisierung der Gesellschaft erleben wir eine politische und mediale Kampagne, bei der Ängste geschürt und auf alte Feindbilder zurückgegriffen wird. Wir liefern Fakten und Argumente gegen die allgegenwärtige Kriegspropaganda
Führt die geplante Aufrüstung von Deutschland und EU zu mehr Sicherheit?
Aufrüstung hat noch nie zu mehr Sicherheit geführt. Sie wird vom potenziellen Gegner als Bedrohung wahrgenommen und deswegen von ihm mit einem eigenen Programm zur Aufrüstung beantwortet. Ein Rüstungswettlauf ist die Folge. Der Kalte Krieg, in dem sich die Nato und der Warschauer Pakt gegenüberstanden, ist das beste Beispiel dafür. Die beiden hochgerüsteten Militärblöcke führten zwar in Europa keinen Krieg gegeneinander, aber ihre imperialistische Konkurrenz führte zu zahlreichen Stellvertreterkriegen.
Nicht die vermeintliche militärische Schwäche oder Stärke eines Landes führt zum Krieg, sondern die politischen und ökonomischen Motive der herrschenden Klasse. Kriege sind immer die Fortsetzung von Politik mit anderen Mitteln. Sicherheit gibt es erst, wenn die beherrschten Menschen in allen Ländern ihr Schicksal in die eigene Hand nehmen und sich von der imperialistischen Konkurrenz als Handlungsmaxime befreien.
Was sind die Ursachen der geplanten Aufrüstung?
Seit Kriegsbeginn haben Deutschland und die europäischen Nato-Staaten Milliardenbeträge in den Krieg um die Ukraine investiert. Die Einbeziehung der Ukraine in die Europäische Union und damit der Zugriff auf ukrainische Märkte und Rohstoffe waren das heißbegehrte Ziel dieser Investitionen. Dann schlägt Trump unter Ausschluss der EU-Staaten Putin ein Waffenstillstandsabkommen vor, bei dem die EU-Staaten leer ausgehen. Plötzlich bekam die Trumpsche Wahlkampfparole »America first« eine ganz neue, realistische Bedeutung. »America first« ist wörtlich zu nehmen: Die anderen gehen leer aus. Der Schreck und die Empörung der herrschenden Eliten der EU und Großbritanniens waren entsprechend groß.
»Sicherheit« und »Verteidigung« sind die Nebelkerzen, die die Verschleierung der wahren Absichten verbergen sollen. Nicht die »Verteidigung« vor einem angeblich bevorstehenden russischen Angriff, sondern das drohende Scheitern der schon sicher geglaubten imperialen Ausdehnung des deutschen Kapitalismus nach Südosteuropa ist die eigentliche Triebkraft der neuen Rüstungsgeilheit der Herrschenden. Sie dient nicht der Verteidigung durch militärische Abschreckung, sie dient dem Angriff – der ökonomischen Expansion. Und vor allem hilft sie nicht, den Frieden zu bewahren, sondern ist die Vorstufe zu noch größeren, vielleicht weltweiten Kriegen.
Gibt es eine Bedrohung Deutschlands und der EU durch Russland?
»Was nützt uns die schönste (!) Schuldenbremse, wenn der Russe vor der Tür steht«, so Jens Spahn (CDU). Annalena Baerbock (Grüne) sieht die Russen sogar schon vor Berlin: Wenn Russland in der Ukraine nichts entgegengesetzt würde, »dann kommt Polen und dann kommt Ostdeutschland, zum Beispiel Brandenburg.«
Drei Jahre hat Putins Russland gebraucht, um etwa 20 Prozent der Ukraine zu erobern. Westlichen Schätzungen zufolge hat die russische Armee etwa 800.000 Soldaten verloren bei einer Gesamtstärke der russischen Armee von 1,3 Millionen Soldaten. Angesichts dieser Zahlen und Verluste ist die Vorstellung, dass Russland direkt als nächstes das hochgerüstete Nato-Mitglied Polen überfällt und damit einen Krieg mit der militärisch und ökonomisch stärkeren EU beginnt, ziemlich weit hergeholt.
Die Mär vom bevorstehenden Angriff Russlands auf Deutschland ist alles andere als neu. Sie wurde in den Zeiten des Kalten Kriegs nach 1945 an allen deutschen Schulen gelehrt. Und sie wurde immer dann ausgepackt, wenn neue »Nach«-rüstungspläne oder Raketenstationierungen legitimiert werden sollten. Putin ist ein grausamer, imperialistischer Diktator, aber er ist kein größenwahnsinniger Irrer wie Adolf Hitler.
Warum wird eine Bedrohungslage inszeniert?
Die angeblichen Angriffspläne Russlands auf die Europäische Union, Polen oder Deutschland sind eine Erfindung der herrschenden Eliten. Auslöser für die Wiederentdeckung alter Bedrohungsszenarien aus den Zeiten des Kalten Kriegs war das Telefongespräch Trumps mit Putin, das die Kriegsziele in den europäischen Hauptstädten und in Brüssel zunichte machte: Nato-Mitgliedschaft und EU-Mitgliedschaft der Ukraine und damit eine weitere militärische und wirtschaftliche Schwächung des russischen Imperialismus. Die EU-Osterweiterung ohne die Ukraine als größtes, bevölkerungsreichstes und auch wirtschaftlich interessantestes Land des ehemaligen Ostblocks ist nur eine halbe Sache.
In Abwandlung des Zitats von Jens Spahn könnte man auch sagen: »Was nützt uns die schönste Schuldenbremse«, wenn Deutschland (und die EU) nicht bei der Aushandlung eines »Friedens«vertrags« für die Ukraine und damit bei der Beuteverteilung dabei sind.
Ist Europa/die EU in der Lage, sich zu verteidigen?
Eine von Greenpeace 2024 veröffentlichte Studie kommt bei einem Vergleich von Rüstungsausgaben zu folgendem Ergebnis: »Selbst ohne die Ausgaben der USA und unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Kaufkraft bleibt das deutliche Übergewicht zugunsten der Nato gegenüber Russland bestehen (430 Milliarden US-Dollar zu 300 Milliarden US-Dollar). Russland investiert derzeit rund ein Drittel seines gesamten Staatshaushaltes in das Militär (etwa sieben Prozent des BIP) – eine Belastung, bei der fraglich erscheinen muss, ob sie auf Dauer tragbar ist.« Die Höhe der Rüstungsausgaben spiegelt sich in einer Gegenüberstellung von Waffen, die das Handelsblatt am 7.3.2025 veröffentlicht hat, wider (siehe Post von Raul Zelik).
Nato -Europa (blau) ist Russland (rot) bei allen konventionellen Waffensystemen überlegen – außer bei defensiven Raketenabwehrsystemen.
Was sagt uns das über »Europas Friedfertigkeit« und die »russische Bedrohung«?
— Raul Zelik (@raulzelik.bsky.social) 9. März 2025 um 12:08
In der militärischen Überlegenheit der Europäer spiegelt sich deren überlegene Wirtschaftskraft und die Absicht, ihre imperialistischen Interessen zu verfolgen. Das kaufkraftbereinigte BIP der EU ist etwa fünfmal größer als das von Russland. Ganz anders als die chinesische Wirtschaft hat sich die Russlands in den letzten 30 Jahren nicht durch technische Innovationen ausgezeichnet, sondern stützt sich in hohem Maße auf den Export von Öl und Gas.
Ist die Nato am Ende?
Schon in der ersten Amtszeit von Trump (2017-21) hatte er gedroht, solchen Nato-Staaten den Beistand zu entziehen, die »nicht bezahlen«. Trumps Ziel ist es, die europäischen militärischen Bündnispartner – allen voran Deutschland –, die zugleich ökonomische Konkurrenten sind, zu zwingen, mehr zu rüsten und weniger (in die USA) zu exportieren. Dabei haben die europäischen Nato-Staaten bereits in den letzten Jahren ihre Rüstungsausgaben drastisch erhöht. Aus dem angedrohten Nato-Rückzug der USA leitet die Bundesregierung nun die Notwendigkeit der Verdoppelung und Verdreifachung der Rüstungsausgaben in kürzester Zeit ab – alles mit dem Argument der Verteidigung vor einem nun drohenden Angriff Russlands. Nichts deutet jedoch darauf hin, dass die USA unter Trumps Führung sich völlig aus der Nato zurückziehen will.
Außenminister Rubio versicherte auf einer Konferenz der Nato-Außenminister in Brüssel seinen europäischen Kollegen, dass Präsident Trump zu den »Verpflichtungen« des militärischen Beistands in der Nato stehe: »Wir wollen, dass die Nato stärker wird. Wir wollen, dass die Nato leistungsfähiger wird.« Trump will, dass die europäischen Mächte für die Nato-Strukturen in Europa allein aufkommen, das heißt bezahlen. Die USA wollen eine Nato, die von den Europäern geführt, aber von den USA kontrolliert wird. Warum sollte Trump ein solches Militärbündnis aufkündigen? Aus seiner Sicht ist die Nato eine unverzichtbare Macht, um im Konflikt mit China dessen Bündnispartner Russland militärisch zu binden.
Ist die Nato ein Verteidigungsbündnis?
Die Nato war nie ein bloßes Verteidigungsbündnis zur Wahrung gemeinsamer Werte, wie es in ihren Gründungsakten von 1949 steht. Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs bis zum Zusammenbruch der UdSSR und des Warschauer Pakts 1990/1 haben die Nato-Mitgliedsstaaten USA, Frankreich und Großbritannien zusammen 60 Kriege und bewaffnete Überfälle auf kleiner Nationen und ehemalige Kolonien geführt. In keinem dieser Kriege wurden sie im militärischen Sinne angegriffen, keiner dieser Kriege war ein »Verteidigungskrieg«.
In den 1990er Jahren hat die Nato drei Kriege im ehemaligen Jugoslawien geführt, auch hier wurde kein Nato-Staat angegriffen. Seit 1999 ist die Nato auch nach den eigenen Statuten kein Verteidigungsbündnis mehr. Wichtigste Neuerung des »Strategischen Konzepts der Allianz« von 1999 waren die »Out-of-Area-Einsätze«, mit denen militärische Operationen außerhalb des Nato-Gebietes zur »prophylaktischen Gefahrenabwehr« möglich sein sollten. Zum strategischen Konzept der Nato gehört seitdem, dass sich die Mitgliedsstaaten nicht nur zur gemeinsamen Verteidigung verpflichten, sondern auch zu »Frieden und Stabilität«. Der über zwanzigjährige Krieg der Nato in Afghanistan und der Libyenkrieg der Nato 2011 folgten dem neuen »out-of-area«-Prinzip, das auch – zurecht – als »out-of-defence«-Prinzip bezeichnet wurde.
Geht es der EU um die Verteidigung einer »wertegestützten Ordnung«?
Dem Westen und seinem Militärbündnis, der Nato, ging es noch nie um den Erhalt von Frieden, Freiheit und Menschenrechten. Die ehemaligen europäischen Kolonialmächte und die USA betrachteten auch nach Aufgabe der Kolonien die Länder der kapitalistischen Peripherie als ihre Hinterhöfe, in denen sie Regierungen stürzen, Rohstoffen rauben und Sklavenarbeit verrichten ließen. Und welche Werte »verteidigen« wir mit Trumps USA oder Netanjahus Israel, die offen Annexionen, also Landraub betreiben und planen? Welche Demokratie meinen sie, wenn sie am Bündnis mit Trump festhalten, der überall in Europa faschistische Parteien wie die AfD unterstützt und deren Machteroberung betreibt?
Aber Kriegsminister Pistorius (SPD) ist auch jetzt noch der Ansicht: »Wir wollen das enge Verhältnis zu den Amerikanern nicht in Frage stellen.« Wie geht das mit der Verteidigung einer angeblichen westlichen Wertegemeinschaft zusammen? Wie in allen imperialistischen Kriegen geht es auch im Ukrainekrieg nicht um Werte wie nationale Unabhängigkeit und territoriale Integrität, sondern um die Aufteilung der Welt in Macht- und Einflusszonen der großen Mächte zu Lasten kleinerer und schwächerer Nationen. Julius Hammer, amerikanischer Delegierter auf dem Stuttgarter Kongress der II. Internationale (1907) sprach aus, was auch heute noch gilt: »Wir müssen eine große Nation der Ausgebeuteten bilden.«
Foto: Belgian Presidency of the Council of the EU 2024 / Commons.Wikimedia.org / CC BY 2.0
Schlagwörter: Aufrüstung, Bundeswehr, Imperialismus, Krieg, NATO, Putin