Der Kinofilm »Wackersdorf« leidet unter seinem kleinen Budget, macht aber dennoch Mut zum Widerstand. Von Hans Krause
Schlecht steht es Anfang der 80er Jahre um Wackersdorf im Landkreis Schwandorf, Oberpfalz. In den 70ern noch eine der reichsten Gemeinden Bayerns, stieg die Arbeitslosigkeit nach dem Ende des Braunkohleabbaus 1982 auf über 20 Prozent. SPD-Landrat Hans Schuierer (Johannes Zeiler) wird von den Einwohnern beschimpf und ihm droht die Abwahl.
Der Landrat führt den Widerstand
Da kommt der plötzliche Besuch des bayrischen Umweltministers wie ein Geschenk des Himmels: Mindestens 3000 gut bezahlte Arbeitsplätze soll die Wiederaufarbeitungsanlage (WAA) in Wackersdorf schaffen. Hier sollen Brennelemente aus Atomkraftwerken in wiederverwertbare Anteile und radioaktiven Abfall getrennt werden, ähnlich wie im französischen La Hague und im britischen Sellafield.
Die Argumente der Atomkraft-Gegner scheinen Schuierer zunächst lächerlich. Doch er empfindet Verantwortungsgefühl für die Einwohner des Landkreises, informiert sich über die Gefahren der Atomkraft und wird vom Unterstützer zur Führungsfigur des Widerstands gegen die WAA Wackersdorf.
Die Antwort heißt »Widerstand«
Man könnte auf die Idee kommen, dass über 30 Jahre nach dieser Bewegung ein Film darüber überflüssig sei. Zumal das letzte Atomkraftwerk in Deutschland 2022 abgeschaltet wird. Doch es ist gerade die Stärke von »Wackersdorf«, dass es nur am Rande um Atomkraft geht.
Im Mittelpunkt steht viel mehr die Frage, was zu tun ist, wenn die mächtigen Männer im Staat ihr eigenes Recht und Gesetz brechen. Und »Wackersdorf« findet darauf am Beispiel des Landrats Schuierer eine ebenso klare wie eindringliche Antwort: Widerstand.
Zwei Demonstranten sterben
Und tatsächlich zeigt diese Bewegung aus der Oberpfalz in den 80er Jahren wie kaum eine andere, wozu der deutsche Staat auch heute noch fähig ist und dass er trotzdem besiegt werden kann. Weil die WAA auf dem Höhepunkt der Kalten Krieges auch atomwaffenfähiges Plutonium hergestellt hätte, wurde der Kampf um Wackersdorf zum zentralen Projekt der westdeutschen Anti-Atomkraft und Anti-Kriegsbewegung. Im Februar 1985 demonstrierten 35.000, im Oktober 50.000 und im März 1986 100.000 Menschen gegen die WAA.
Gleichzeitig schlug die Polizei mit einer für viele Menschen unvorstellbaren Grausamkeit zurück. Anfang März 1986 starb die Wackersdorfer Hausfrau Erna Sielka bei einem Angriff der Polizei an Herzversagen. Bei der Großdemonstration Ende März flog die Polizei mit Hubschraubern dicht über die Menschen und warf Tränengas-Kartuschen ab. Der Ingenieur Alois Sonnleitner erlitt daraufhin einen Asthma-Anfall und starb ebenfalls noch auf der Demonstration.
Ein Film, der Hoffnung macht
Womit wir beim Schwachpunkt des »Wackersdorf«-Films wären. Denn wohl wegen des knappen Budgets, sieht man von all dem wenig. Für das Nachstellen einer Massendemo und angreifenden Polizeihubschraubern fehlte offensichtlich das Geld. So konzentriert sich Regisseur Oliver Haffner auf den tapferen Landrat Schuierer, der im Büro mit sich selbst ringt und als eingefleischter Parlamentarier lange braucht, bis er sich auf eine kleine Kundgebung wagt.
Trotzdem ist »Wackersdorf« ein Film, der Hoffnung macht. Er ist links und im positiven Sinne radikal, wie man es im Kino selten sieht. Zu Beginn wirft eine Anti-Atom-Aktivistin dem von der WAA noch begeisterten Schuierer an den Kopf, er sei »eine Marionette des Großkapitals« und nach dem dieser sich wandelt, poltert der Landrat seine historisch belegten Sprüche raus, wonach der Unterschied zwischen »Militärdiktaturen und Bayern immer kleiner« werde und man in einer »Ein-Mann-Demokratur« lebe. Womit der bayrische CSU-Ministerpräsident Franz-Josef Strauß gemeint war.
Damals Wackersdorf, heute Hambacher Forst
Der Film zeigt kein moralisches Dilemma und stellt nicht nur Fragen, sondern hat den Mut, auch Antworten zu geben. Verständnis zeigt er mit den Einwohnern, die auf Arbeitsplätze hoffen, aber niemals mit den Herrschenden, die Bevölkerung und Lokalpolitiker für ihre Profit- und Machtinteressen über den Tisch ziehen.
»Wackersdorf« kommt (zufällig) genau jetzt in die Kinos, während Umweltschützer den Hambacher Forst gegen den Braunkohleabbau verteidigen und ist damit topaktuell. Der Film zeigt, dass es möglich und nötig ist, auch Menschen, die nie zuvor demonstriert haben, für eine solche Bewegung zu gewinnen. Und mit all dem hat »Wackersdorf« etwas, was es gerade im deutschen Film viel zu wenig gibt: einen Standpunkt. Schon das macht den Film empfehlenswert.
Der Film:
Wackersdorf, Deutschland 2018, 123 Minuten, Kinostart: 20. September
Schlagwörter: Antiatombewegung, film, Filmrezension, Hambacher Forst, Kino, Kultur, Protest, Rezension, Umweltschutz, Widerstand