Phil Butland findet den Rückblick auf das Wirken des Musikers durchaus sehenswert – und unterhaltsam
Irgendwann in Thorsten Schüttes neuem Dokumentarfilm über Frank Zappa redet der Musiker und Komponist über Ruhm: »Nur sehr wenige Leute kennen mich überhaupt und wenn, dann meistens als den Typ mit dem Schnurrbart, der ab und zu im Fernsehen ist. Fast niemand hat meine Musik gehört.« Das war vor vielleicht dreißig Jahren so, als er tatsächlich ab und zu im Fernsehen zu sehen war. Jetzt ist er seit mehr als zwanzig Jahren tot und es stellt sich die Frage: Brauchen wir einen Film über Frank Zappa?
Was ist mit der Musik?
Schüttes Film zeigt gute Gründe, warum wir Zappa immer noch ernst nehmen sollten. Bei seinen Medienauftritten ist Zappa immer redegewandt und intelligent, aber die vielleicht größte Überraschung des Films ist die Musik. Die meisten Leute, die Zappas Musik überhaupt kennen, kennen die Wegwerfpoplieder wie »Bobby Brown«, aber plötzlich sehen und hören wir auch komplexen Jazz und klassische Stücke, die mehr Aufmerksamkeit verdienen.
Nichtsdestotrotz liegt der Schwerpunkt des Films auf dem Mann und seinen Ideen. Wie seine Musik waren Zappas Meinungen nicht immer einfach zu fassen. Ein überzeugter Antifaschist, der die radikale Linke mit Nazis vergleicht. Ein Kämpfer für Meinungsfreiheit – insbesondere seine eigene Freiheit, dumme sexistische und homophobe Witze zu machen. Zappa hat gegen die reaktionäre Rechte gekämpft, war aber gleichzeitig ein brutaler Bandleader, der Gewerkschaften hasste und stolz davon erzählte, wie er zahllose Musikerinnen und Musiker entlassen hat.
Zappas politische Einstellung kann man vielleicht am besten mit »libertär« beschreiben. Er verabscheute Ungleichheit, glaubte aber, dass sie nicht durch Solidarität, sondern durch einzelne Handlungen von besonders begabten Leuten bekämpft werden sollte. Leute wie, zum Beispiel, Frank Zappa. Gefragt, warum seine Musik nicht erfolgreicher ist, antwortete er: »Die Menschen sind Exzellenz nicht gewöhnt.« Bei Interviews war er normalerweise hochnäsig und ablehnend – wobei angesichts mancher dummer Fragen, die ihm gestellt wurden, diese Ablehnung nicht immer grundlos war.
Im Reich der Dummen
Zappas Beschreibung der USA unter der Präsidentschaft von Ronald Reagan erinnert uns an viele Berichte aus dem Land des Präsidenten Trump: »Wir sind kulturell nichts, wir bedeuten nichts … Wir als Nation haben Käse als Lebensart gewählt (…) wir haben Levis, Hamburger, REO Speedwagon, Journey (beides Rockbands der 1980er, Anm. d. Red.), Neutronenbomben und Giftgas.« Solche Tiraden sind lustig und machen Spaß. Sie beinhalten aber ein politisches Problem.
Genauso wie viele, die heute Trumps Wählerinnen und Wähler kritisieren, betrachtete Zappa offenbar die Mehrheit der Bevölkerung als Dummköpfe, die nicht in der Lage sind, kluge Entscheidungen zu treffen. Es gab für ihn zwei Gruppen in der Gesellschaft – aber die Kluft lag nicht zwischen den 99 Prozent und dem einen Prozent, noch weniger zwischen Arbeiterinnen und Arbeitern und ihren Bossen. Für Zappa scheint der große Riss in der Gesellschaft anderswo zu verlaufen: zwischen den wenigen, die Frank Zappa mögen, und den blöden Massen, die lieber REO Speedwagon hören.
Kämpfer gegen die Zensur
Trotz seiner Einzelkämpferpose und seiner Ablehnung des Idealismus der Hippies wirkt Zappa oft inspirierend, nicht zuletzt im Kampf gegen Zensur. Im Jahr 1985 gründeten vier Frauen von führenden Politikern in den USA das »Parents Music Resource Center« (PMRC – Eltern-Musik-Ressourcen-Zentrum), angeblich, um Kinder vor gewaltverherrlichenden und übersexualisierten Songtexten zu schützen. Lieder und Alben, die ihnen nicht gefielen, wurden nicht im Radio gespielt und mit »Parental-Advisory«-Aufkleber (etwa: jugendgefährdend, Anm. d. Red.) markiert. Einzelhandelsketten wie Walmart – wo die meisten Platten in den USA damals gekauft wurden – weigerten sich, solche Platten zu verkaufen. Endergebnis war nicht nur, dass Kinder sie nicht hören durften (was auch schon fragwürdig ist). Effektiv hatte niemand Zugang zu der Musik, wenn er oder sie nicht in einer Großstadt mit unabhängigen Musikläden wohnte.
Eine Gruppe von Musikern – mit Zappa und dem Countrysänger John Denver als Aushängeschildern – hat sich gegen dieses Zensur gewehrt und im US-Senat ausgesagt. Der Film zeigt einen Teil der Anhörungen – Szenen, die für meinen Geschmack viel länger hätten sein können. Mit dem richtigen Gegner im Visier konnte Zappa auf verheerende Weise ihre Irrwege aufzeigen. Seine Auftritte vor dem Senat sind pures Theater.
Die andere Seite
Abseits der großen Bühne sehen wir auch einen anderen Zappa, der sympathisch und bescheiden rüberkommt. Als ein Interviewer ihn nach seinem Erbe fragt, scheint er ehrlich überrascht, darüber nachdenken zu müssen, und sagt dann: »Das ist nicht wichtig«. Genauso behauptet er, es sei ihm ein Gräuel, Musik für Geld zu produzieren: »Wenn du denkst, ›Wird das Geld einbringen?‹, ist es keine künstlerische Entscheidung mehr. Es ist eine geschäftliche Entscheidung.«
Hier sehen wir Zappa in allen seinen Widersprüchen. Ein erfolgreicher Geschäftsmann, der die Welt des Big Business ablehnt. Oder andersrum, ein talentierter Musiker, dessen Publikum zu seinen Lebzeiten zu klein war und jetzt noch kleiner wird.
Brauchen wir also einen Film über Frank Zappa? Ich glaube schon. Auch wenn er keine absoluten Wahrheiten verkündet, ist, was er sagt, nie uninteressant. Und vielleicht lohnt es sich, der Musik doch noch eine Chance zu geben – auch beziehungsweise besonders der, die beim ersten Hören nicht so erträglich für die Ohren ist.
Der Film: Frank Zappa – Eat That Question, Frankreich, Deutschland 2016, Drehbuch und Regie: Thorsten Schütte, Verleih: Arsenal Filmverleih, Länge: 93 Minuten, Start: 8. Dezember 2016
Foto: Heinrich Klaffs
Schlagwörter: Filmrezension, Kino, Kultur