Frauen werden in unserer Gesellschaft immer noch unterdrückt. Warum alle, die sich dagegen wehren, am 8. März gemeinsam auf die Straße gehen sollten, erklärt Kerstin Wolter, Mitorganisatorin der Demonstration
marx21: Ich kenne den 8. März noch als Tag, an dem Männer Frauen Blumen mitbrachten. Seit wann ist der »Frauentag« wieder politisch?
Kerstin Wolter: Eigentlich war der 8. März ein Kampftag für die politische und soziale Gleichstellung von Frauen. Anfang des 20. Jahrhunderts waren vor allem die Forderung nach einem Frauenwahlrecht, aber auch gewerkschaftliche Forderungen wie Arbeiterinnenschutz oder Kinderbetreuung zentral. Während des Ersten Weltkriegs forderte die proletarische Frauenbewegung Frieden und ein Ende der Militarisierung. Später ist der Internationale Frauentag in Deutschland immer mehr zum Tag der Blumen statt des Kampfs geworden ‒ obwohl viele Forderungen der Frauenbewegung noch lange nicht erfüllt sind. Deshalb fanden wir, dass der Frauentag wieder ein Kampftag werden muss.
Gab es einen bestimmten Anlass?
Zu den uneingelösten Forderungen der Frauenbewegung kam im Zuge der Krise in Europa ein antifeministischer Rollback. Das hat uns im SDS und der Linksjugend [´solid] zum Nachdenken gebracht. Die Versuche, bereits erstrittene Rechte, wie das Recht auf Schwangerschaftsabbruch, wieder einzuschränken, die fehlende Anerkennung von sogenannten Frauenberufen, aber auch der alltägliche Sexismus waren allgegenwärtig. Auch mit den Verhältnissen innerhalb unserer Verbände waren wir unzufrieden. Es war Zeit, aktiv einzugreifen und etwas zu verändern. Damit sind wir nicht allein. Immer und an vielen Orten findet feministischer Widerstand statt. Doch gab es nur wenig Vernetzung. Das Bündnis für den Frauenkampftag will diese vielen Aktivitäten zusammenbringen und symbolisch am 8. März auf der Straße sichtbar machen. Zur ersten kämpferischen Demonstration nach zwanzig Jahren kamen letztes Jahr in Berlin 5000 Menschen.
Wer beteiligt sich an dem Bündnis?
Wir sind ein plurales Bündnis aus autonomen Organisationen, Gewerkschaften, Parteien und Einzelpersonen. Den Aufruf haben im vergangenen Jahr über 80 Organisationen und noch mehr Einzelpersonen unterzeichnet.
Was sind die zentralen Forderungen?
Im Zentrum stehen die Forderungen nach guter Arbeit und gutem Leben (auch durch radikale Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich), nein zum Krieg, für sexuelle Selbstbestimmung und Abschaffung des Paragraphen 218, gegen Homo-, Trans- und Interphobie. Unsere Forderungen sind so vielfältig wie die verschiedenen Widerstandsformen. Es reicht nicht, nur an einem Knoten zu ziehen, sonst zieht sich ein anderer zu. Es geht uns darum den ganzen Herrschaftsknoten zu lösen.
Gibt es Verbindungen zu anderen sozialen Kämpfen?
Bisher arbeiten wir eng mit dem Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung zusammen, das die Proteste gegen die Märsche der sogenannten Lebensschützer organisiert. Es gibt einen Austausch mit dem Charité-Bündnis, das in seinen Forderungen nach mehr Pflegepersonal im Krankenhaus auch feministische Anliegen vertritt.
Um den 8. März wird es auch Tarifauseinandersetzungen in den Sozial- und Erziehungsdiensten geben. Wir freuen uns, wenn auch hier eine engere Zusammenarbeit entsteht.
Gerade am 8. März ist die internationalistische Perspektive für uns zentral. So arbeiten wir eng mit der Internationalistischen Fraueninitiative zusammen, in der sich vor allem kurdische Frauenvereine zusammengeschlossen haben.
Und wie geht es weiter?
Im letzten Jahr haben wir inhaltliche Projektgruppen gegründet, in denen wir auch zwischen den Frauenkampftagen zusammenarbeiten. Unser Ziel ist es, den Internationalen Frauentag langfristig wieder als politischen Kampftag zu etablieren.
Aber auch ansonsten ist Feminismus ein wichtiges Thema im SDS. Noch im März findet zum Beispiel ein internationaler Kongress zu Marxismus-Feminismus in Berlin statt, an dem wir uns beteiligen.
(Die Fragen stellte Clara Dircksen.)
Zentrale Demonstration am Frauen*kampftag: 8. März 2015, 13 Uhr, Berlin, Rosa-Luxemburg-Platz
Foto: Mike Herbst CC BY-NC
Schlagwörter: 8. März, Feminismus, Frauenkampftag, Frauentag, Gleichberechtigung, Homophobie, Marxismus, Paragraf 218, Selbstbestimmung