Im Juli organisiert das Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung eine Konferenz gegen die Kriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs und für Frauenrechte. Die Strategie dahinter ist historisch informiert, politisch aktuell und konsequent antirassistisch. Wir sprechen mit Mitorganisatorin Judith Benda
marx21: Judith, du bist aktiv im Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung. Was sind eure Ziele?
Judith Benda: Seit Jahren sind das Aufleben traditionell-biologistischer Rollenerwartungen an Männer und Frauen, die Zunahme von Homophobie und Sexismus spürbar. Radikale Gegnerinnen und Gegner des Schwangerschaftsabbruchs gewinnen immer stärkeren Einfluss. Regelmäßig veranstalten selbsternannte »Lebensschützer« in Berlin eine Demonstration mit mehreren Tausend Teilnehmenden. Dagegen hilft nur eine breite Mobilisierung.
Unser Bündnis gründete sich 2013, inzwischen gehören ihm mehr als 30 Verbände und Institutionen und über 1000 Personen an. Wir fordern die Abschaffung des Strafrechtsparagrafen 218, kostenfreien Zugang zur »Pille danach« und umfassende Sexualaufklärung. Unterschiedliche Lebensentwürfe müssen gleichberechtigt gelebt werden können und staatlich gefördert werden. Wir müssen dem konservativ-reaktionären Familienbild etwas entgegensetzen. Sexuelle Selbstbestimmung ist ein Menschenrecht.
Ihr organisiert die Konferenz »Mein Körper – meine Verantwortung – meine Entscheidung: Weg mit § 218«. Was gibt es für Linke da noch zu diskutieren?
Die Diskussion über das Recht auf Schwangerschaftsabbruch wird seit einiger Zeit von einer gefährlichen Allianz aus christlichen Fundamentalisten und der neuen und alten Rechten besetzt. Die Europaabgeordnete der AfD, Beatrix von Storch, läuft regelmäßig hinter dem Leittransparent beim »Marsch für das Leben«. Ihre Partei forderte ein Verbot des Schwangerschaftsabbruchs, »um das Überleben des eigenen Volkes zu sichern«. Wegen dieser Angriffe bedarf das Thema weiterhin unserer Aufmerksamkeit. DIE LINKE tritt als einzige Partei für die ersatzlose Streichung des § 218 ein. Die Konferenz soll eine neue Debatte über den § 218 entfachen.
Kannst du einen Ausblick auf das Programm geben?
Wir beginnen mit der Geschichte des Widerstands gegen den Strafrechtsparagrafen 218. Anschließend wollen wir einen Blick auf die heutige rechtliche Lage werfen und diskutieren, inwieweit Gewerkschaften sich mit dem Thema befassen und welche Rolle das Thema in den Medien spielt. Sicherlich werden die Diskussionsgruppen zur AfD und Angriffen von rechts sowie zur Debatte um weibliche Geflüchtete und Migrantinnen zentral sein. Wir wollen außerdem eine Resolution verabschieden und konkrete Aktionen für den 17. September planen. Es ist ermutigend, dass sich europaweit großer Widerstand gegen Angriffe auf Frauenrechte formiert. Aktivistinnen und Aktivisten aus diesen Bewegungen werden auch teilnehmen. Dies bietet eine tolle Möglichkeit, sich zu vernetzen und Erfahrungen über Ländergrenzen hinweg auszutauschen. Mehr Informationen über das Programm gibt es natürlich online.
Der Marsch der Abtreibungsgegner und der Aktionstag für sexuelle Selbstbestimmung finden am Tag vor den Berliner Abgeordnetenhauswahlen statt. Wo siehst du Anknüpfungspunkte zu anderen politischen Debatten?
Da gibt es natürlich viele Forderungen in der Sozial-, Bildungs- und Familienpolitik, aber ich möchte den Blick auf eine Frage lenken: Unser Kampf für sexuelle Selbstbestimmung ist antirassistisch! Wir dürfen nicht zulassen, dass die politische Rechte Frauen für ihre Hetze instrumentalisiert, indem sie die Lüge verbreitet, sexualisierte Gewalt sei ein Problem von Muslimen oder zugewanderten Männern. Das ist falsch und rassistisch. Es ist eine bittere Ironie, dass dieselben gesellschaftlichen Kräfte, welche noch 1997 die Bestrafung von Vergewaltigung in der Ehe verhindern wollten, heute mit dem Thema Stimmung gegen Zugewanderte machen.
Zur Person: Judith Benda ist Mitglied im Parteivorstand der LINKEN und Europäischen Linken (EL) und aktiv im Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung (BfsS).
Zur Konferenz: Mein Körper – meine Verantwortung – meine Entscheidung: Weg mit § 218 | 9. und 10. Juli | Schloss 19 | Schlossstraße 19, 14059 Berlin | Hier gibts den Flyer und hier gehts direkt zur Anmeldung
Zum Aktionstag: Gegen den »Marsch für das Leben« christlicher Fundamentalisten am 17. September aktuelle Informationen hier
Foto: caruso.pinguin
Schlagwörter: Abtreibungsgegner, AfD, Feminismus, Frauenrechte, Inland, Schwangerschaftsabbruch, Sexuelle Selbstbestimmung