Der Dokumentarfilmer Lars Kollros hat den G20-Gipfel und die Proteste in Hamburg mit der Kamera begleitet. Wir haben mit ihm über seine Doku »Festival der Demokratie« gesprochen
Lars Kollros ist Aktivist, freier Journalist und Künstler.
marx21: Deine Doku hat den Titel »Festival der Demokratie« – angesichts der Bilder vom Gipfel ein eher irritierender Titel. Wie kam er zustande?
Lars Kollros: Hamburgs Innensenator, Andy Grote, hat diesen Satz geprägt. Er versprach im Vorfeld, dass der G20-Gipfel in Hamburg ein Festival der Demokratie werden würde. Nun ja, mein Film zeigt, was er darunter versteht.
In den Medien wurde vor allem die Gewalt von Seiten der Demonstranten gezeigt. Dein Film richtet den Fokus eher auf die Polizeigewalt?
Ich würde gar nicht sagen, dass mein Fokus auf der Polizeigewalt liegt. Ich habe die Proteste begleitet und leider wurden die von permanenter Grundrechtsverletzung und Polizeigewalt überschattet. Aber Bürgermeister Olaf Scholz, designierter Bundesfinanzminister, hat ja erklärt, dass es keine Polizeigewalt gegeben hat.
Ziel des Films war es aber schon, eine gewisse Gegenöffentlichkeit zu schaffen. Der mediale Fokus liegt ja, wenn G20 überhaupt noch behandelt wird, auf den Krawallen des Freitagabends. Aber welche Ereigniskette dorthin geführt hat und welcher Polizeistaat sich in der G20-Zeit in Hamburg erhoben hat, wird wenig thematisiert. Nach G20 wird viel von schärferen Gesetzen gesprochen. Mein Eindruck ist jedoch eher, dass wir eine schärfere Kontrolle des Polizeiapparates und auch eine bessere Gewährleistung der Gewaltenteilung benötigen.
Die Filmaufnahmen bei der Räumung des Camps und der »Welcome-to-Hell«-Demonstration sind mitten zwischen den Fronten entstanden. Wie hast du das gefilmt?
Ich war mit meiner Kamera schon eine Woche vor G20 permanent unterwegs. Der Gedanke war auch, dass durch die Anwesenheit einer Filmkamera Aktionen und Demonstrationen geschützt sind. Und das ist auch so gewesen. Eine Polizistin oder ein Polizist überlegt zweimal, was sie oder er tut, wenn eine Filmkamera dabei ist. Bei der »Welcome to Hell« zeichnete sich aber schon im Vorfeld ab, dass das krass wird.
Ich war da mit meiner Partnerin unterwegs und wir hatten Helme auf und waren sehr deutlich als Presse erkennbar. Immerhin das hat auch funktioniert, also uns ist nichts passiert. Die Schutzwirkung der Kameras für Demonstrierende war aber nur noch gering. Während der Dreharbeiten wurden die Kameras auch mehrmals von Wasserwerfern getroffen, was eine auch nicht überstanden hat.
Gibt es einen Moment, der sich dir besonders eingeprägt hat?
Definitiv: die Zerschlagung der »Welcome-to-Hell«-Demonstration. Ich merke, dass mich die Bilder nach wie vor berühren. Ich möchte sagen, dass ich ziemlich demonstrationserfahren bin und schon viel erlebt habe. Aber dass die Polizei derart unprovoziert und grundlos und mit einer solchen Gewalt eine Demonstration angreift, habe ich noch nie erlebt. Das hätte ich mir auch bis zu diesem Zeitpunkt nicht vorstellen können.
Ich muss dazu sagen, dass ich durch die Filmkamera, meinen Helm und meinen Pressestatus absolut geschützt war. Ich wurde maximal mal von der Polizei weg gedrängt, aber gleichzeitig wurden direkt vor mir Menschen zusammengeschlagen und auf die Flutschutzmauer getrieben. Der Film soll auch Betroffenen helfen, Erlebtes zu verarbeiten und über ihre Erlebnisse zu sprechen.
Aber etwa eine Stunde später standen die Menschen wieder in der Hafenstraße und wollten ihre Demo machen. Und die Wasserwerfer fuhren rückwärts. Das war sehr beeindruckend und bewegend.
Das Interview führte Lisa Hofmann.
Der Film:
Lars Kollros
ca. 78 Minunten
Deutschland 2018
seit März in ausgewählten Kinos
Foto: Konrad Lembcke
Schlagwörter: Demokratie, Demonstration, Doku, Dokumentarfilm, film, g20, G20-Gipfel, Gewalt, Hamburg, Kino, Kultur, Polizei, Polizeigewalt, Scholz