Mit bekannten Rassisten aus dem Ausland, wie beim Auftritt des Niederländers Geert Wilders am 13. April in Dresden, will die Pegida-Clique um Lutz Bachmann ihr Image aufpolieren. Von Freek Blauwhof.
Von Pegida erhofft sich Wilders eine europaweite Bewegung gegen die vermeintliche »Islamisierung«, wie er schon am 25. Januar in einem Grußwort ausrichten ließ: »Dresden zeigt wie’s geht. Ganz Europa schaut auf euch. (…) Ihr seid die Stimme des Volkes gegen die Eliten. Ihr seid das Volk!« Schon mehr als zehn Jahren wettert Wilders, Vorsitzender und einziges Mitglied der Partei der Freiheit (PVV) gegen Muslime und andere Minderheiten, die EU-Bürokratie, den Euro und »die linke Elite« in Politik und Medien – mit beachtlichem Erfolg: Seit 2006 fährt er regelmäßig Wahlergebnisse zwischen zehn Prozent (bei den Nationalwahlen 2012) und 17 Prozent (bei der Europawahl von 2009) ein. Seit Wilders im September 2004 aus der Fraktion der wirtschaftsliberalen Volkspartei für Freiheit und Demokratie (VVD) ausgeschlossen wurde, ist bei ihm eine kontinuierliche Radikalisierung festzustellen.
Wilders‘ Aufstieg in der niederländischen Politik ist ein Musterbeispiel für die Verrohung und Entsolidarisierung, die rassistische Bewegungen auch heute auslösen können, wenn sich in der Gesellschaft kein entschlossener Widerstand dagegen formiert. Der einst eher entspannte, weltoffene und solidarische Zeitgeist ist zum großen Teil mit einem Klima der Angst und Verdächtigung ersetzt worden. In Zeiten der Wirtschaftskrise und zunehmender Armut und Arbeitslosigkeit ist dies eine äußerst gefährliche Entwicklung.
Rassismus wird Mainstream
Wo der rassistische Politiker Hans Janmaat (Zentrumsdemokraten) in den 80er Jahren für Sprüche wie »Voll ist Voll« oder »Eigenes Volk zuerst« noch vor Gericht verurteilt und in der breiten Öffentlichkeit als Faschist gebrandmarkt wurde, ist Wilders heutzutage trotz diskriminierender Aussagen wie »Weniger Marokkaner«, »Grenzen zu für Muslime« oder »Kopflumpensteuer einführen« längst im Mainstream angekommen. Von 2006 bis 2009 war die liberal-christdemokratische Minderheitsregierung von Ministerpräsident Rutte (VVD) sogar von Wilders‘ Tolerierung abhängig.
Dieser Rechtsruck in den Niederlanden wurde erst möglich im angespannten Klima nach den Anschlägen auf das World Trade Center in New York (2001) und die Ermordung des rechten Politikers Pim Fortuyn (2002) sowie des islamophoben Filmmachers Theo van Gogh (2004.) Auch die rabiate Kürzungspolitik, die die herrschenden Parteien seit Ausbruch der Weltwirtschaftskrise gegen den Willen der Mehrheit der Bevölkerung durchdrücken, hat zu großem Frust über die etablierte Politik geführt. Verständlicherweise sind Millionen Menschen empört über Rentenkürzungen und die Rente mit 67, über Steuererhöhungen für Normalverdienenden und den massiven Abbau der öffentlichen Gesundheitsversorgung. So muss jeder Patient trotz Krankenversicherung mindestens die ersten 375 Euro Kosten, mit Ausnahme des Hausarztbesuches, selbst zahlen, bevor die Kassen irgendeine Rechnung übernehmen.
Genau diesen Frust versucht Wilders jetzt für sich zu mobilisieren, indem er sich als Sprachrohr der kleinen Leute gegen die Elite und die EU anbietet. Dabei gehörte er als Mitarbeiter und Abgeordneter der liberalen VVD (1990-2004) und als parlamentarische Stütze der Minderheitsregierung Rutte I (VVD-CDA) 2010 bis 2012 genau dieser neoliberalen Elite an. Auch danach stimmte Wilders‘ Partei entgegen ihren Wahlversprechen für Privatisierungen im ÖPNV und in der Pflege und gegen eine Veröffentlichungspflicht für Nebenverdienste von Ministerinnen und Minister. Wilders gibt sich also sozial vor der Wahl, um anschließend ebenfalls Kürzungspolitik zu betreiben.
Über die strukturelle Ursachen der Krise, die Schuld der Banken und Konzern oder den Abbau von Tarifverträgen und Arbeitsbedingungen in der EU sagt er nichts. Stattdessen macht er Minderheiten zu Sündenböcke, auf die er die Frust in der Bevölkerung lenken kann. So verbreitet er regelmäßig die Behauptung, die weißen niederländischen »Henk und Ingrid« würden für »Ahmed und Fatima« bezahlen. Auch polnischen LKW-Fahrerinnen und -Fahrern wirft er vor, den niederländischen Kollegen die Jobs wegzunehmen. Dementsprechend glaubt ein beachtlicher Teil seiner Wählerinnen und Wähler, dass sie ein persönliches wirtschaftliches Interesse an Diskriminierung, Ausgrenzung und Abschiebung verschiedener Minderheiten haben.
Wilders Hauptsündenbock sind eindeutig die Muslime. Wo er im Jahr 2004 seine Hetze »lediglich« auf radikale Muslime beschränkte, nahm er schon bald Muslime im Allgemeinen ins Visier. Inzwischen nennt er den Islam regelmäßig eine »faschistische Ideologie« und spricht er von einer »Islamischen Invasion« oder einem »Tsunami der Islamisierung«. Aber auch Marokkanerinnen und Marokkaner, Roma und Sinti und Menschen aus Osteuropa, Afrika und den niederländischen Antillen bleiben von Wilders Diffamierungen nicht verschont.
Fokus auf Muslime
Für Wilders stellen Muslime eine wesentliche Bedrohung für die »westliche« oder »jüdisch-christliche Zivilisation« dar. Genauso wie Pegida verbreitet er die rassistische Verschwörungstheorie, dass »die Muslime« nach Europa kommen würden, um mit Billigung oder Hilfe der »linken Elite« einen Großkalifat zu errichten. Dieser Prozess sei bereits im vollen Gange. Im Jahr 2008 führte Wilders auf einer Veranstaltung des Hudson Institute in New York aus: »Sie kommen, um unsere Gesellschaft in ihren Dar-al-Islam einzugliedern. Also sind sie Siedler. (..) Wir befinden uns vielleicht in den letzten Phasen der Islamisierung Europas. Dies ist nicht nur eine klare Bedrohung für die Zukunft Europas, sondern auch für die USA und den Westen an sich.«
Auf dieser Art und Weise deutet er seit Jahren das Tagesgeschehen. So verkündete er am 13. September 2014 in einer eigenen Pressemitteilung, im Viertel Schilderswijk in Den Haag sei ein »kleines Kaliphat« bereits »errichtet worden«. Und nach dem Anschlag auf die Redaktion der Satirezeitschrift »Charlie Hebdo« in Paris erklärte er, die Islam und »die linke Elite«, die die Muslime ins Land geholt und damit »das Problem verursacht hat«, seien schuld daran, und forderte den Einsatz der Armee im Inneren.
Trotz seiner absurden Falschbehauptungen und seines Rassismus ist Wilders in den Medien und im Parlament keineswegs isoliert. Im Gegenteil – mit seiner andauernden Hetze konnte er mehr Medienaufmerksamkeit gewinnen als alle andere Politikerinnen und Politiker in den vergangenen zehn Jahren. Damit hat er das politische Klima in den Niederlanden ernsthaft vergiftet. Dies wird noch dadurch verstärkt, dass die Parteien der Mitte und zum großen Teil auch die linken Parteien dabei versagt haben, Wilders Rassismus klar zu benennen und ihn prinzipiell zu bekämpfen. Nach dem Motto »ignorier ihn, dann wird er sich selbst schon enttarnen« weigerten sich die sozialdemokratische Partei der Arbeit (PvdA), die grüne Partei Grünlinks und zum großen Teil auch die Sozialistische Partei (SP), Wilders einen Rassist zu nennen, geschweige denn aktiv an Protesten teilzunehmen.
Rückwirkung auf die Gesellschaft
Die politischen Folgen sind vielfältig und verheerend. So lehnt Ministerpräsident Rutte es grundsätzlich ab, zusätzliche Flüchtlinge im Rahmen EU-weiter Maßnahmen aufzunehmen. Auch sperrt der niederländische Staat jedes Jahr 20.000 Flüchtlinge in geschlossenen Heime oder Abschiebeknäste. Zudem führt die Exekutive trotz gegenteiliger Urteile des Europäischen Gerichtshofes auch Abschiebungen in Länder wie Afghanistan, den Irak oder den Sudan durch. Menschen mit Migrationshintergrund werden laut vieler Berichte signifikant öfter von der Polizei angehalten. Sie bilden 48 Prozent aller von Gerichten Verurteilten. Darüber hinaus sind sowohl Wilders als die Regierung konsequente Unterstützer aller Kriegseinsätze der Nato der letzten Jahren gewesen.
Auch die Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt bringt massiven wirtschaftlichen Folgen für verschiedene Minderheiten mit sich. Die prozentuale Arbeitslosigkeit von Menschen mit Migrationshintergrund ist in den Niederlanden höher als in fast allen anderen europäischen Landern (außer Schweden). Trotzdem erklärte Ministerpräsident Mark Rutte (VVD) am 15. März, er könne das Problem nicht lösen. Stattdessen sei es die Aufgabe der Betroffenen: »Neulinge haben sich immer schon anpassen müssen, und immer mit Vorurteile und Diskriminierung zu tun gehabt. Man muss sich reinkämpfen.«
Genau deshalb ist es auch in Deutschland so wichtig, jeden Anfang einer rassistischen oder faschistischen Bewegung im Keim zu ersticken. Denn nur selbstbewusste und breit verankerte antirassistische und soziale Bewegungen, an den Menschen unterschiedlicher Herkunft teilnehmen, können dauerhaft sicherstellen, dass ein solcher Rechtsruck nicht auch in Deutschland erfolgt.
Die Niederlagen auf der Straße und die politische Isolation von Pegida auf Bundesebene sind das Verdienst von Hunderttausenden, die zum richtigen Zeitpunkt in Januar und Februar gegen Pegida auf die Straße gegangen sind. Gemeinsam haben wir gezeigt, dass ernsthafte rassistische Aufmärsche im Großteil Deutschlands keine Chance haben. So konnte auch in den Medien nicht der Eindruck entstehen, Pegida würde tatsächlich für »das Volk« sprechen. Dies ist ein Erfolg der antirassistischen und antifaschistischen Bewegung.
Doch Pegida ist keineswegs endgültig geschlagen. Gegenmobilisierungen bleiben unbedingt erforderlich. Denn in Dresden kommen immer noch mehrere Tausende zu den sogenannten »Montagsmahnwachen« und auch in Berlin, Düsseldorf oder Leipzig finden immer noch wöchentliche Pegida-Aktionen statt.
Foto: Alex E. Proimos
Schlagwörter: Dresden, Homophobie, Inland, Islamophobie, Niederlande, Pediga, Rassismus