Geflüchtete wie der Taxifahrer Yama T. haben während Corona doppelt zu kämpfen: Neben dem Gesundheitsschutz fehlt es an sozialer Absicherung
marx21: Wo arbeitest du? Als was arbeitest du?
Yama T.: Ich arbeite als Taxifahrer in Darmstadt.
Wie viele Taxifahrer arbeiten in Darmstadt?
Ungefähr 130 arbeiten in Darmstadt.
Arbeiten alle noch?
Nein, viele haben aufgehört, weil es keine Arbeit gibt und sie bekommen Hilfe vom Jobcenter.
Arbeitest du während des »Lockdowns«?
Ja, wie soll ich sonst meine Miete bezahlen?
Wie ist deine Situation und wie hat der »Lockdown« deine Arbeit verändert? Hattest du Kurzarbeit beantragt?
Ich bin Student und arbeite gleichzeitig als Taxifahrer, Bafög bekomme ich nicht.
Im November habe ich einen Antrag auf Kurzarbeitergeld gestellt und bis jetzt noch keine Antwort bekommen.
Ich arbeite nachts, weil ich tagsüber studiere. Vor Corona hatte ich ungefähr 10-20 Fahrten pro Nacht und jetzt während Corona mache ich ein bis zwei Fahrten. Deswegen gibt es generell nicht viel Arbeit. Da ich weniger arbeite, fällt es mir schwer, meinen Lebensunterhalt zu sichern, und es gibt keine anderen Stellen, wo ich arbeiten könnte. Ich habe mich als Aushilfe beim Supermarkt beworben, aber meine Bewerbung wurde abgelehnt.
»Die Situation von Geflüchteten ist noch viel schlimmer«
Ich bin alleine aus Afghanistan nach Deutschland geflüchtet, deswegen habe ich keine Eltern hier, die mich finanziell unterstützen könnten, wie das bei anderen Studierenden der Fall ist. Die Situation von Menschen mit Fluchterfahrungen, die während Corona in finanzielle Not geraten, ist noch viel schlimmer als die Situation von anderen Menschen in der Gesellschaft. Unsere Stimmen werden zu oft überhört und unsere prekäre Existenz wird in der Öffentlichkeit nicht wahrgenommen.
Wie ging es den anderen Kolleginnen und Kollegen, die auch Taxifahrer sind?
Alle haben sehr schlechte Laune und machen sich Sorgen über ihre finanzielle Lage. Die meisten haben eine Familie, um die sie sich kümmern müssen. Seit dem ersten Tag von Corona läuft es für Taxifahrer sehr schlecht, weil so wenige Leute unterwegs sind und es wenig Aufträge gibt. Manche mussten sogar einen Kredit aufnehmen, weil die Unternehmer nur einmal Corona-Hilfe bekommen haben (diesen Kredit durften sie nur im Betrieb ausgeben). Wir hoffen, dass die Situation besser wird, aber es scheint nur täglich schlechter zu werden.
Wie ist der Gesundheitsschutz bei dir im Taxi geregelt?
Wir haben eine Schutzscheibe aus Plastik selber im Taxi eingebaut und wir tragen eine Schutzmaske als Taxifahrer.
Gibt es kostenfreie FFP2-Masken?
Nein.
Was erwartest du von der LINKEN?
Dass sie sich für die Arbeiter und Arbeiterinnen einsetzt. Ich möchte keine leeren Worte mehr hören, sondern radikale Veränderungen im Sinne der arbeitenden und arbeitslosen Menschen.
Von der Regierung wird über Umweltschutz oder Corona-Schutz geredet, aber das sind leere Worte ohne Konsequenzen. Beispielsweise muss ich im Bus mit 40 Menschen fahren, aber ich darf nicht im eigenen Auto mit Personen aus mehr als zwei Haushalten sitzen. Die Corona-Schutzmaßnahmen genauso wie Umweltschutz oder ähnliches müssen konsequent und schlüssig sein im Sinne der Menschen. Denn Menschen sind wichtiger als Profite. Das verstehen die Kapitalisten an der Macht nicht, aber jeder Arbeiter und jede Arbeiterin versteht das.
»Die Mieten müssen ausgesetzt werden«
Es muss eine radikale Umverteilung des Vermögens in Deutschland geben, damit Arbeiterinnen und Arbeiter auch in Menschenwürde leben können. Dazu muss durchgesetzt werden, dass die Mieten ausgesetzt werden. Das ist eines der größten Probleme für Leute, die fast ihr ganzes Gehalt für die Miete ausgeben müssen. So kann man nicht leben! Es sollten keine Mieten gezahlt werden müssen während Corona.
Wie könnte sich die Situation verbessern?
Wenn es der Regierung so egal ist, wie es Menschen geht, dann sollten wir eigentlich bedingungsloses Grundeinkommen erhalten, weil arme Menschen am schlimmsten von der Corona-Krise betroffen sind. Durch ein bedingungsloses Grundeinkommen würde es Menschen, die am härtesten betroffen sind, besser gehen. Geflüchtete Menschen könnten das sehr gut gebrauchen. Man muss reiche Menschen viel mehr besteuern, damit es Menschen in prekären Verhältnisse besser geht. Politiker und Politikerinnen der Regierung, die im Bundestag sitzen, bekommen gutes Geld, sie verstehen nicht, wie schlimm es normalen Arbeitern und Arbeiterinnen und Arbeitslosen geht. Wieso wird uns nicht zugehört?
Mach mit!
#CovidAtWork – unter diesem Hashtag werden im Zuge des Aufrufes ZeroCovid weltweit Geschichten aus dem Arbeitsalltag gesammelt und veröffentlicht. marx21 beteiligt sich mit einer eigenen Serie namens #Schichtgeschichten, und du kannst dabei helfen. Was erlebst du im Job unter den Bedingungen von Corona? Hier geht es zu unserem Online-Formular: Schichtgeschichten.
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