Eine Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz ist falsch. Denn der Staat ist kein verlässlicher Partner im Kampf gegen die Nazis. Von Lisa Hofmann
Nach den rechten Ausschreitungen in Chemnitz und dem »Schulterschluss« der Partei »Alternative für Deutschland« (AfD) mit Pediga, Indentitärer Bewegung (IB) sowie anderen rechten und neofaschistischen Strukturen, fordern führende Politiker von SPD, CDU und Grünen eine Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz. Doch warum eigentlich?
Nulpenverein Namens »Verfassungsschutz«
Was soll der Inlandsgeheimdienst denn bitte schön herausfinden? Etwa, dass die AfD sich seit ihrer Gründung als Anti-Euro-Partei vielerorts zum Kristallisationspunkt für die extreme Rechte entwickelt hat und sich in ihren Reihen überzeugte und gewalttätige Nazis sammeln? Das die AfD den völkischen Nationalismus wieder hoffähig macht? Das sie gezielt das Feindbild Islam schürt? Das führende Vertreterinnen und Vertreter die Verbrechen des deutschen Faschismus relativieren? Das wissen wir schon! Dafür brauchen wir nicht die Zuarbeit dieses Nulpenvereins Namens »Verfassungsschutz«.
Die AfD und die »nationalen Revolution«
Die AfD ist eine Gefahr für alle Menschen. Sie ist eine Gefahr für die Demokratie. Unter der Führung von Björn Höcke und Alexander Gauland sammeln sich in dieser Partei neofaschistische Kräfte. Sie verfolgen das Ziel, die diversen bisher eher auseinanderstrebenden Teile des rechten Spektrums in einer neuen Partei zu bündeln und diese zum parlamentarischen Erfolg zu führen, um damit die rechte Bewegung auch außerhalb der Parlamente zu stärken.
Diese sind gewillt, eine Widerstandsbewegung für die »nationalen Revolution« aufzubauen, wie der stellvertretender Bundesvorsitzender der AfD, Albrecht Glaser, jüngst erklärte. Oder wie es der Sprecher von Alice Weidel (AfD-Fraktionschefin) und Bundestagsabgeordneter der AfD Markus Frohnmaier ausdrückte: »Ich sage diesen linken Gesinnungsterroristen, diesem Parteienfilz ganz klar: Wenn wir kommen, dann wird aufgeräumt, dann wird ausgemistet, dann wird wieder Politik für das Volk und nur für das Volk gemacht – denn wir sind das Volk, liebe Freunde!«.
Der völkische Flügel in der AfD ist stärker geworden. Er kontrolliert die Partei noch nicht im Ganzen. Aber die AfD ist eine faschistische Partei im Werden. Und ganz ehrlich: Wer das noch nicht verstanden hat, dem hilft auch ein um drei Seiten ergänzter Verfassungsschutzbericht 2019 nicht.
Warum der Verfassungsschutz das denkbar schlechteste Instrument im Kampf gegen die AfD ist
Aber ganz davon abgesehen. Der Verfassungsschutz ist das denkbar schlechteste Instrument, um die AfD zu bekämpfen. Der Geheimdienst ist selbst ein Fremdkörper in der Demokratie und gehört abgeschafft. Ausgestattet mit Milliarden von Euro muss diese Institution niemanden Rechenschaft ablegen. Eine Überwachung des Verfassungsschutzes findet effektiv nicht statt. Parlamentarische Kontrollkommissionen und Untersuchungsausschüsse stochern meist nur im Nebel herum, ohne relevante Informationen wirklich öffentlich machen zu können. Zudem überwacht das Bundesamt für Verfassungsschutz nicht nur nur passiv, sondern betreibt aktiv Politik: Das erste Verbotsverfahren gegen die NPD scheiterte daran, dass zu viele Mitarbeiter und Informanten des Verfassungsschutzes Funktionen innerhalb der NPD übernahmen und niemand mehr sagen konnte welche Aktionen der NPD von Mitgliedern der NPD und welche vom Verfassungsschutz angestoßen und umgesetzt wurden.
Verfassungsschutz, der NSU und der V-Mann-Skandal
Der Skandal um das Nazi-Terrortrio NSU war nicht zuletzt ein V-Mann-Skandal des Verfassungsschutzes. Nazi und Kriminelle wurden als Spitzel eingesetzt, lieferten aber keine relevanten Informationen, sondern kassierten viel Geld und investierten es in die Szene. Während sich die Behörde damit beschäftigte mehrere Abgeordnete der Fraktion DIE LINKE abzuhören, zogen mit dem NSU Nazis mordend durchs Land. Als letztere aufflogen, war die erste Reaktion der Verfassungsschutzbehörden nicht etwas zur Aufklärung beizutragen, im Gegenteil, es wurden massenhaft Akten geschreddert. Der Verfassungsschutz hat mit seinen Mitarbeitern und Informanten über Jahrzehnte am Aufbau der Rechten- und Neonaziszene mitgearbeitet. Aus diesem Sumpf rekrutieren sich auch AfD-Funktionäre. Ach ja! Falls es jemand vergessen hat: Es war übrigens niemand anderes als Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen der in Gesprächen der AfD Führungsspitze Ratschläge gegeben hat, wie die AfD einer Beobachtung durch den Verfassungsschutz entgehen könne.
Der Staat und die braune Brut
All das zeigt mir: Die Forderung nach Beobachtung wirkt eher wie ein hilfloses Hoffen darauf, dass der Staat die braune Brut schon irgendwie wieder in den Griff bekommen wird. Doch der Staat ist kein verlässlicher Partner im Kampf gegen Rechts. Das lehrt auch die Erfahrung mit dem Aufstieg der Nazis in der Weimarer Republik: Die Sozialdemokratie hat vor 1933 auf einen »staatsgläubigen« Antifaschismus gesetzt. Sie vertraute auf Justiz, Polizei und Armee zur Verhinderung der Nazidiktatur und scheiterte damit kläglich.
Politische Auseinandersetzung statt Verfassungsschutz
Viel effektiver ist es, der AfD und den Nazis zu zeigen, dass sie in der eigenen Stadt, Schule oder Universität nicht willkommen sind, und ihre Aufmärsche mit breiten Bündnissen zu blockieren. Aufmärsche, welche die AfD oder ihr Umfeld organisiert, müssen wir unbedingt verhindern. Sie müssen merken, dass große Teile der Bevölkerung nicht nur ihre Meinung ablehnen, sondern auch bereit sind, sich ihnen aktiv in den Weg zu stellen. Warum ist das so wichtig? Wenn die Nazis nicht marschieren können, entmutigt man vor allem ihr Umfeld, das durch machtvolle Aufmärsche und Kundgebungen beeindruckt werden soll. Die AfD und die neuen Nazis können nur in der politischen Auseinandersetzung gestoppt werden und nicht durch eine Verlagerung des notwendigen politischen Kampfes in die Hände des »Verfassungsschutzes«.
Schlagwörter: Antifaschismus, Inland