Vom 20. bis 27. September findet der »Globale Klimastreik« statt. Während in New York der UN-Klimagipfel tagt, haben Aktivisten und Aktivistinnen rund um den Globus dazu aufgerufen, für einen sofortigen Ausstieg aus fossiler Energiegewinnung auf die Straße zu gehen. Wir sprachen mit Lea Knoff von »Students For Future« Leipzig über die geplanten Proteste in Deutschland
Lea Knoff ist aktiv bei »Students For Future« an der Universität Leipzig sowie bei Die Linke.SDS.
marx21: Diesen Freitag beginnt der globale Klimastreik. Auf der ganzen Welt wollen Aktivistinnen und Aktivisten streiken, demonstrieren und protestieren. Eine ganze Woche lang soll es zahlreiche Aktionen geben. Was erwartet uns in Deutschland?
Lea Knoff: Am Freitag, den 20.9. findet der dritte globale Klimastreik statt. Dieser stellt den Auftakt zu einer »Climate Week« dar, die von den verschiedensten Klimaaktivistinnen und -aktivisten getragen wird. Es soll Workshops, Podien, Proteste und Aktionen des zivilen Ungehorsams geben. Der dritte globale Streik läuft unter dem Motto #allefürsKlima. Wir wollen so viele Menschen wie möglich auf die Straße bekommen und neben Schülerinnen und Studis vor allem auch Berufstätige mobilisieren. Deswegen sind wir in Kontakt mit Gewerkschaften, Lehrerinnen und Lehrern sowie Cafés und Bars in unseren jeweiligen Stadtteilen. Wir wollen ebenso migrantische Communities mit ins Boot holen.
Was erhofft ihr euch von der Streikwoche, abgesehen von viel medialer Aufmerksamkeit?
Wir wollen die verschiedenen Klimaaktivistinnen und -aktivisten besser miteinander vernetzen und diese Woche dafür nutzen, uns in Fragen der Klimakrise weiterzubilden und zu diskutieren.
Vollversammlungen an den Unis
In Deutschland bilden, wie in vielen Ländern, die Schülerinnen und Schüler die Speerspitze der Klimabewegung. Ihr habt mit »Students for Future« den Protest jetzt auch an die Hochschulen geholt. Kannst du uns mehr darüber berichten?
Seit April gibt es »Students for Future« auch an der Universität in Leipzig. Zu unserem ersten Treffen sind bereits sechzig Studierende gekommen und wir haben es geschafft, im letzten Semester eine Vollversammlung mit 1300 Studierenden zu organisieren. Hier haben wir Forderungen beschlossen, die sich an die Uni, aber auch an die Stadt Leipzig richten.
Die Idee der Vollversammlung wurde von vielen Studigruppen aufgegriffen und mittlerweile haben zwölf Vollversammlungen an verschiedenen Unis stattgefunden. Das war ein erster großer Schritt, um an den Hochschulen dieses Thema zu setzen. Wir sind bundesweit mit den verschiedenen Studigruppen vernetzt und im ständigen Austausch. So können wir nächste Aktionen planen, die dann an verschiedenen Unis gleichzeitig stattfinden.
Klimastreik: Druck von unten aufbauen
Was sind die aktuellen Debatten und Strategiediskussionen bei FFF und »Students for Future«?
»Fridays for Future« plant zur Zeit intensiv den 20. September, der richtig groß werden soll. Weiterhin ist für alle klar: Wir können jetzt nicht leiser werden. Wir müssen mehr werden und weiter Druck von unten aufbauen. Deswegen müssen wir auch neue Zielgruppen ins Auge fassen. Dafür brauchen wir eine Vision, wohin die Bewegung führen soll.
Die FFF-Bewegung ist politisch sehr breit aufgestellt, was natürlich dazu führt, dass auch konträre politische Meinungen aufeinandertreffen. Eine Frage, die zum Beispiel diskutiert wird, ist die Kooperation mit großen Unternehmen. Hier gibt es durchaus Meinungen in der Bewegung, die dafür stehen, je mehr Leute desto besser und deswegen auch gerne eine Kooperation mit Großunternehmen sehen.
Für uns ist es wichtig die breite Masse der Gesellschaft zu organisieren
Was denkt ihr darüber?
Unsere Analyse als Linke ist eine andere: Für uns ist es wichtig die breite Masse der Gesellschaft zu organisieren – die 99 Prozent der Gesellschaft, die ihre Arbeitskraft verkaufen müssen. Progressive Veränderungen in der Geschichte wurden dadurch erkämpft, dass Menschen sich organisiert und selbst ermächtigt haben. Wir glauben, dass wir mit Methoden des struktrubasierten Organizings Mehrheiten gewinnen können.
Im Moment besteht außerdem noch viel Angst anzuecken. Wir müssen als Bewegung erkennen, dass wir anecken müssen. Die Forderungen, die wir stellen, sind radikal und greifen die Herrschenden an. Es wird sich nichts ändern, wenn wir nur nett bitten. Deswegen ist es für uns notwendig, auch in Konflikte zu geraten.
Streiken für das Klima?
Die Idee eines Streiks für das Klima klingt vielversprechend. Aber wird tatsächlich richtig gestreikt oder bleibt es bei symbolischen Streikaktionen?
Das kommt auf den Kontext an. Wenn es darum geht, dass Schülerinnen und Schüler am Freitag nicht zur Schule gehen, können wir von einem Streik sprechen. Sie bestreiken die Schule, weil es das Mittel ist, mit dem sie am meisten Gehör finden. In Deutschland ist der politische Streik aber nach wie vor verboten. Deswegen verwenden wir, wenn wir uns an die Gewerkschaften wenden, den Begriff des Klimaaktionstages. Dass wir in Zukunft Seite an Seite mit Gewerkschaften und Beschäftigten streiken, ist für uns natürlich wünschenswert, zur Zeit aber noch nicht realisierbar.
Wie verhalten sich die Gewerkschaften denn zur Klimabewegung?
Wir sind seit einiger Zeit auf Bundesebene mit unterschiedlichen Gewerkschaften im Gespräch. Auch auf lokaler Ebene haben wir damit angefangen. Bis jetzt sind wir hier auf sehr offene Ohren gestoßen. Für den 20. September gibt es verschiedene Gewerkschaften, die aufrufen, sich auch an den Demos zu beteiligen. In Zukunft gilt: Gemeinsame Linien finden und deutlich machen, was uns verbindet. Wenn es zum Beispiel um den Ausbau des ÖPNV geht, ist das nicht nur im Hinblick auf die Klimapolitik relevant, sondern auch bei der Frage nach den Arbeitsbedingungen.
Die Herrschenden müssen anfangen, Angst zu kriegen
Auf wen wollt ihr durch die Streiks Druck ausüben?
Auf die Herrschenden. Damit meine ich besonders die großen Unternehmen. 100 Unternehmen sind für 70 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich. Damit stellt sich auch die Frage: Wer produziert was und für wen? Und wem gehört eigentlich die Fabrik, die das produziert? Die Herrschenden müssen anfangen, Angst zu kriegen. Wir müssen zeigen, dass wir es ernst meinen. Wie Greta Thunberg schon gesagt hat: Das Haus brennt! Deswegen brauchen wir jetzt Veränderungen. Keine Forderung von FFF wurde bis jetzt umgesetzt und die Politik ist weit davon entfernt, relevante Maßnahmen dahingehend einzuleiten. Wir werden von diesen Forderungen nicht abweichen. Sie müssen umgesetzt werden.
Klimastreik: Macht der Arbeiterklasse
Was ist deiner Meinung nach der richtige Ansatz, um der Klimabewegung zu mehr Durchschlagskraft zu verhelfen und Politik und Wirtschaft tatsächliche Veränderungen abzuringen?
Ich denke, dass wir eine Mehrheitsbewegung von unten brauchen. Es reicht nicht, sich an konsumkritischen Fragen aufzuhängen. Wir müssen große gesellschaftliche Veränderungen fordern. Um diese auch durchzusetzen, braucht es Massenproteste und letztlich auch das schärfste Schwert, das wir im Kampf gegen den Kapitalismus haben: den Streik. Es ist die Arbeiterklasse, die aufgrund ihrer gesellschaftlichen Machtstellung den größten Druck aufbauen kann.
Ein politischer Streik für den Klimaschutz? Ist das nicht vollkommen unrealistisch und rechtlich sowieso nicht möglich?
Noch sind wir sicher weit davon entfernt, aber langfristig müssen wir dieses Ziel im Auge behalten. Mit dem globalen Klimastreik am Freitag sind wir da schon auf einem guten Weg, finde ich. Und ob politisch gestreikt werden kann, war noch nie eine rein juristische Frage, sondern immer schon eine Frage der Kräfteverhältnisse. Außerdem dürfen wir uns nicht von den Menschen kleinreden lassen, die sagen, dass das unrealistisch ist, was wir machen und fordern, und das System alternativlos. Wir müssen verstehen, dass wir vor einer Menschheitskrise stehen. Greta Thunberg hat gesagt: Die Welt ist in dieser Frage schwarz-weiß. Entweder wir retten unseren Planeten oder wir tun es nicht. Dafür brauchen wir eine sozialökologische Transformation. Das wird im Kapitalismus aber nicht funktionieren, weshalb wir für ein Wirtschaftssystem kämpfen müssen, dass nicht nach Mehrwert, sondern nach Bedürfnissen produziert. Die Klimafrage ist auch eine Klassenfrage.
Klimagerechtigkeit muss global, antikapitalistisch und antirassistisch sein
Wie meinst du das?
Wer kann es sich im Moment leisten, das Klima individuell zu schützen? Wer ist am meisten von der Klimakrise betroffen? Wir sitzen nicht alle im selben Boot. Menschen im globalen Süden sind jetzt schon zu Millionen gezwungen, aus ihrer Heimat zu fliehen, aufgrund von Überschwemmungen, Dürre oder extremer Hitze. Und auch im reichen Norden sind längst nicht alle Menschen gleich betroffen. Auch hier sind es aber die Reichen, die einen viel größeren Anteil an den Ursachen der Klimakatastrophe tragen. Die Ungleichheitsverhältnisse, die ohnehin im Kapitalismus existieren, werden durch die Klimakrise um ein vielfaches verstärkt. Klimagerechtigkeit muss global, antikapitalistisch und antirassistisch sein.
Kämpfe zusammen denken
In Brasilien lässt der neofaschistische Präsident Bolsonaro die Agrarkonzerne und Großgrundbesitzer den Regenwald abbrennen, während hierzulande die AfD gegen Kohleausstieg und Verkehrswende mobil macht. Müssen wir den Kampf gegen den Klimawandel stärker mit dem Kampf gegen rechts verbinden?
Ich denke, dass der Kampf für Klimagerechtigkeit unteilbar mit dem gegen rechts zusammengehört. Dass die AfD keine gute Antwort auf die Klimakrise hat, ist uns allen bewusst. Nicht nur, dass die AfD gegen den Kohleausstieg mobilisiert, es sitzen auch Klimawandelleugner in hohen Positionen der Partei. Das Ziel der AfD ist es, die Gesellschaft zu spalten. Das versuchen sie auch, wenn es um Klimafragen geht. So versuchen sie zum Beispiel auch die Kohlekumpel gegen die Klimabewegung aufzubringen. Hier müssen wir gegenhalten.
Und was erwartet uns nach der globalen Klimastreikwoche? Kannst du schon einen Ausblick auf den Herbst oder das kommende Jahr geben?
Die ersten Forderungen von FFF laufen bis zum Ende des Jahres aus. Es sieht nicht so aus, als ob sie bis dahin umgesetzt sind. In der FFF Studi-AG diskutieren wir mögliche Optionen eines Unistreiks Ende des Jahres als Antwort auf das Nichthandeln der Politik. Wir werden weitermachen und nächste Schritte diskutieren. Die Zeit läuft uns davon. Wir brauchen massive Veränderungen in den nächsten Jahren. Es muss erkannt werden, dass die Klimakrise uns alle betrifft und wir es nur gemeinsam schaffen, sie abzuwenden.
Danke Dir für das Gespräch.
Das Interview führte Martin Haller.
Eine Übersicht über die Streiks am 20.09 findest Du unter: www.fridaysforfuture.de.
Auch DIE LINKE ruft zur Teilnahme am Klimastreik auf. Mehr Informationen findest Du hier.
Foto: tim.lueddemann
Schlagwörter: Inland, Klima, Klimabewegung, Klimakrise