In seinem jüngsten Buch plädiert Bernd Riexinger für einen Green New Deal. Können wir so den Kampf für eine sozial- und klimagerechte Zukunft gewinnen? Von Freek Blauwhof
In seinem neuen Buch »System Change – Plädoyer für einen linken Green New Deal« stellt Bernd Riexinger die Systemfrage in der Tiefe, die die ökologische Krise erfordert: »Der Kapitalismus ist auf Wachstum der Profite angewiesen. Doch in einer Welt endlicher Ressourcen und begrenzt belastbarer Ökosysteme mündet das in Katastrophen. (…)
Der Kapitalismus stößt an die Grenzen der natürlichen Ressourcen und an die Grenzen seines Modells der Verwertung. Grundlegende Änderungen der Wirtschafts- und Lebensform werden zur Überlebensfrage.« Seine Antwort darauf: Ein linker Green New Deal.
Vorschlag für einen Green New Deal
Riexingers Vorschlag ist ein radikales Reformprogramm, das auf allen Ebenen einen riesigen Fortschritt bedeuten würde. Er entwickelt detailliert, wie eine »am Gemeinwohl ausgerichtete« Gesellschaft die Klimakrise bekämpfen kann. Er tappt nicht in die Falle, die ökologische Frage gegen die soziale Frage auszuspielen. Die Forderungen, Positionen und Maßnahmen bestehen zum größten Teil aus bekannten Punkten. DIE LINKE hat sie bereits entweder in Parteiprogrammen oder in Klima-Aktionsplänen beschlossen.
Teilweise geht er auch über den Konsens in der Partei hinaus. Zum Beispiel, indem er richtigerweise dafür plädiert, nicht nur die Rüstungsindustrie umzurüsten. Auch die Auto- und Chemieindustrie soll auf klimafreundliche und nachhaltige Produktion neuer Güter umstellen. Riexinger entwickelt auch Kritik an der Vorstellung einer grünen Marktwirtschaft, welche besonders von den Grünen vertreten wird.
Außerparlamentarischer Kampf
Bemerkenswert an Riexingers Vorschlag ist der Stellenwert, den er dem außerparlamentarischen Kampf für diese Reformen einräumt. Dazu zählt er auch, dass DIE LINKE die Bündnisarbeit mit ökologischen und sozialen Bewegungen sowie Gewerkschaften und gesellschaftlichen Organisationen vorantreiben muss.
Er betont, dass die sozial-ökologische Transformation von Millionen Menschen von unten erzwungen, eingefordert und umgesetzt werden muss. Wie Riexinger zurecht erwähnt, entstehen »revolutionäre Prozesse aus der Praxis der Menschen, in historischen Ausnahmesituationen, aus den tatsächlichen Klassenkämpfen«.
Eine linke Partei kann dabei ein verbindendes und antreibendes Element sein. Sie bringt eine breite gesellschaftliche Bewegung zusammen und verleiht ihr politischen Ausdruck. Dass Riexinger dies immer wieder betont, markiert seinen wesentlichen Beitrag zur Weiterentwicklung der LINKEN als aktivistische Organisation.
Gegen die Macht der Konzerne
Im Kapitel »Mächtige Gegner« geht er darauf ein, dass »ein linker Green New Deal (..) gegen die geballte Macht von Konzernen, Kapitalverbänden und den Parteien, die deren Interessen vertreten, durchgesetzt werden« muss. Seine Antwort darauf ist jedoch nicht nur die Mobilisierung breiter gesellschaftlicher Bewegungen von unten und Arbeitskämpfe.
Für Riexinger kann auch eine linke Regierung, gestützt auf starke Gewerkschaften und Bewegungen, die richtige Wahl sein. Als positives Beispiel nennt er den Mietendeckel in Berlin. Jedoch setzt er diesen Etappensieg der LINKEN im Senat nicht mit Skandalen, wie der Ausschreibung der S-Bahn, den wahnsinnigen Räumungen in der linken Szene oder dem rechten Sumpf in Polizei, Justiz und dem Verfassungsschutz ins Verhältnis.
Bilanz von Regierungsbeteiligung
Das ist eine Leerstelle im Buch. Riexinger ist zu unkritisch mit den bisherigen Erfahrungen linker Regierungsbeteiligungen (national, wie international) im Hinblick auf eine sozial-ökologische Veränderung der Gesellschaft. Gerade diese Frage ist aber eine zentrale, auch für die Partei DIE LINKE. Denn die Einbindung in eine Regierung steht dem Ziel entgegen, die Kräfteverhältnisse über außerparlamentarischen Widerstand zu organisieren.
In diesem Kontext bleibt eine systematische Auseinandersetzung mit der Herrschaft und den Machtmitteln des Kapitals, die dem linken Green New Deal gegenübersteht, zu oberflächlich.
Kapitalismus beseitigen
Unklar bleibt bei Riexinger, was genau daraus folgt, wenn der zentrale Antrieb des Kapitalismus einem dauerhaft gesunden Stoffwechsel zwischen Mensch und Natur diametral im Wege steht. Wichtige marxistische Autoren, die zur Klimakrise und ihren Auswirkungen publiziert haben, wie John Bellamy Foster, Kohei Saito, Ian Angus oder Elmar Altvater, finden in Riexingers Buch leider keine Erwähnung.
Sie haben aufgezeigt, dass sich der Widerspruch zwischen dem Akkumulationszwang des Kapitals einerseits und dem ökologischen Gebot der Beschränkung schädlicher wirtschaftlicher Aktivität andererseits auf Dauer nicht schlichten lässt. Daraus folgt, dass eine revolutionäre Krise auf dem Weg in die sozial- und klimagerechte Gesellschaft unausweichlich ist. Dementsprechend argumentieren sie für einen revolutionären Bruch mit dem Kapitalismus. Bei Riexinger bleibt diese explizite Vorstellung, den Kapitalismus in Gänze zu beseitigen, und was es bedeutet, sich das als linke Partei zum Ziel zu setzen, unterentwickelt.
Green New Deal als Reformprogramm
Das hat den verständlichen Hintergrund, dass die »Green New Deal«-Debatte geprägt ist von Vorschlägen für Reformprogramme von Organisationen und Personengruppen, die darauf abzielen, möglichst breite Unterstützung zu sammeln. Dies ist natürlich notwendig für eine breite Massenbewegung, die große Teile der Gewerkschaften und der Zivilgesellschaft umfassen sollte. Zurecht erwähnt Riexinger auch, dass »revolutionäre Prozesse aus der Praxis der Menschen, in historischen Ausnahmesituationen, aus den tatsächlichen Klassenkämpfen erwachsen«. Das revolutionäre Bewusstsein entsteht aus der Bewegung heraus, die zuerst »nur« Reformen einfordert.
Doch das kommt nicht aus dem Nichts: auch in den größten gesellschaftlichen Zuspitzungen braucht es antikapitalistische Agitation und Organisation. Eine Partei wie DIE LINKE muss nicht nur solche Bewegungen voranbringen, sie muss gleichzeitig auch einen Weg aus dem Kapitalismus aufzeigen und auf dieser Basis Neumitglieder gewinnen. Das heißt, DIE LINKE muss den Sozialismus mit der Vorstellung eines besseren Lebens füllen und sich dafür in den Bewegungen stark machen.
Auch wenn dieser Strang in dem Buch fehlt, bietet die Flugschrift einen wichtigen Denkanstoß zur Weiterentwicklung der Klimabewegung und dem Agieren der LINKEN darin. Sie liefert Kernargumente für einen entscheidenden Kampf und stellt diese in einen programmatischen Zusammenhang. Genossinnen und Genossen, die DIE LINKE zum Motor der aktuellen Klima- und sozialen Bewegungen machen wollen, können und müssen davon profitieren.
Bernd Riexinger
System Change. Plädoyer für einen linken Green New Deal – Wie wir den Kampf für eine sozial- und klimagerechte Zukunft gewinnen können. Eine Flugschrift
VSA Verlag
Hamburg
2020
144 Seiten
12 Euro
Foto: Heidi de Vries (CC BY 2.0)
Schlagwörter: DIE LINKE, Green New Deal, Kapitalismus