Was sagt die radikale Linke in Griechenland zum Ausgang des Referendums? Wir dokumentieren eine Erklärung von Diethnistiki Ergatiki Aristera (DEA, Internationale Arbeiterlinke), einer Organisationen, die der »Linken Plattform« in Syriza angehört.
1. Der Triumph des »Nein« beim Referendum mit einem Vorsprung, der über alle Erwartungen hinausging, stellt einen großen Sieg für die Arbeiterklasse und die Bevölkerung Griechenlands dar. Die Bevölkerung hat die Frage, die ihr gestellt wurde, korrekt verstanden: Befürwortet ihr die Politik der extremen Sparpolitik, wie sie in den Memoranden und in den neueren Forderungen der Gläubiger formuliert wurden, oder lehnt ihr sie ab? Ihr »Nein« zeigt die wahren Gefühle »von unten« der Massen der arbeitenden Bevölkerung in der griechischen Gesellschaft und es zeigt die Dynamik der Kräfteverhältnisse, wie sie sich in den letzten Jahren in Griechenland entwickelt hat – in einem Griechenland, das sowohl von einer tiefen Krise als auch von gesellschaftlichem Widerstand geprägt ist.
2. Die »Nein«-Seite gruppierte sich um die städtischen und ländlichen Arbeiterinnen und Arbeiter Griechenlands, die Erwerbslosen und die Armen. Die Arbeitenden haben sich trotz der Drohungen entschieden geäußert – sie hatten bereits die Folgen der Bankenschließungen, der Drohungen mit Entlassungen, den Warnungen, dass ihr Widerstand wahrscheinlich zu einem Bruch mit dem Euro führen würde, zu spüren bekommen. Sie sahen sich einer beispiellosen Propagandakampagne ausgesetzt, wonach der Ausgang des Referendums Hunger, fehlende Arzneimittel oder mangelnden Brennstoff nach sich ziehen würde. Das Ausmaß des »Nein«, trotz alldem, ist ein ausdrückliches Mandat, mit der Sparpolitik zu brechen.
Auf der Seite des »Ja« standen die herrschende Klasse und die obere Mittelschicht – in anderen Worten, all jene, die ein Interesse daran haben, mit den Gläubigern eine Abkommen »um jeden Preis« zu schließen, besonders wenn dieser Preis bedeutet, dass andere die Opfer dafür bringen.
Klare Klassenspaltung
3. Zu dieser Frage entstand eine klare Klassenspaltung. Die Seele des »Nein« war die radikale Linke, was in der Zukunft entscheidende Auswirkungen haben wird. Die Führung von Syriza – die die Stärke fand, sich nicht den Diktaten der EU zu unterwerfen, und die zu einem Referendum aufrief, damit die Bevölkerung ihren Willen ausdrücken konnte – ist die Siegerin.
Die Kräfte von Antarsya (Bündnis der radikalen, antikapitalistischen Linken, Anm. d. Red.), die ihre eigenen politischen Differenzen haben, versammelten sich im Lager des »Nein«. Sie haben mit der Basis von Syriza neue Beziehungen geknüpft – Beziehungen, die für die kommenden Kämpfe wichtig sein werden.
Andererseits weigerte sich die KKE (Kommunistische Partei Griechenlands) mit ihrer zweideutigen Linie – ihre unakzeptable Haltung des »Weder ja noch nein« – zu entscheiden, mit wem und gegen wen sie steht. Diese Haltung wird, auch wenn sie nicht von einem großen Teil ihrer Basis und ihrer Mitglieder mitgetragen wurde, für die Führung der KKE noch lange Zeit Auswirkungen haben.
4. Das Resultat hat die politischen Kräfte der Bourgeoisie gelähmt. Der Rücktritt des früheren Ministerpräsidenten Antonis Samaras vom Vorsitz der Partei Nea Dimokratia (ND), kurz nach dem Rücktritt von Evangelos Venizelos vom Vorsitz der PASOK, zeigt, dass die Gläubiger und ihre Memoranden von 2010 und 2012 keine sichere politische Vertretung in Griechenland mehr haben. Die »postpolitischen« Sozialliberalen von To Potami (Der Fluss) sind keine Lösung für dieses Problem und können es auch nicht sein. Die Tatsache, dass all dies bei diesem wichtigen Referendum deutlich geworden ist, schafft große Möglichkeiten für Syriza. Aber dies wird auch einen beispiellosen Druck auf sie ausüben.
Verstaatlichung der Banken Griechenlands
5. Der große Sieg der Arbeiterinnen und Arbeiter und der Volksmassen beim Referendum angesichts der Strangulation des Bankensystems und der Erpressung durch die Unternehmer wird in der kommenden Periode zu kritischen Konflikten führen, angefangen mit der ersten Maßnahme des Kräfteverhältnisses: der Wiederaufnahme der Verhandlungen mit den Gläubigern in dieser Woche.
Wir verstehen den Druck und die Dilemmata, denen die Regierung ausgesetzt ist – besonders die erpresserischen Taktiken der Gläubiger mit ihren Drohungen gegen das Bankensystem. Diese Drohungen können nur durch die Verstaatlichung der Banken und die Errichtung einer öffentlichen Kontrolle, unter der Leitung der in diesem Sektor Arbeitenden, beantwortet werden. Dies ist entscheidend für das Funktionieren der gesamten Ökonomie.
Das »Nein« bei der Abstimmung war eine unerschütterliche Forderung nach der Aufhebung der Sparpolitik. Es ist eine Aufforderung an Syriza, in entscheidender Weise das Programm der radikalen Linken umzusetzen und dabei alle notwendigen ökonomischen, politischen und finanziellen Maßnahmen durchzuführen. Davon können die Regierung und Syriza nicht abgehen.
Die Hoffnungen nicht enttäuschen
Ein Abkommen, das im Wesentlichen dem Vorschlag nahe käme, der beim Referendum zur Abstimmung stand, würde Enttäuschung produzieren und den Sieg des »Nein« zunichtemachen. Es würde den bürgerlichen Parteien Gelegenheit bieten, sich zu reorganisieren und einen Gegenangriff zu führen, mit dem Ziel, die Syriza-Regierung so schnell wie möglich zu stürzen. Die Repräsentantinnen und Repräsentanten der führenden europäischen Regierungen haben offen erklärt, dass aus ihrer Sicht die Existenz einer linken Regierung in Griechenland mit der Politik unvereinbar ist, die sie in diesem »Moment« der tiefen Krise sowohl auf europäischer Ebene als auch in Griechenland durchsetzen wollen.
Zu diesem Punkt müssen wir die internationalistische Solidarität betonen, die gegenüber der Arbeiterklasse und der Linken in Griechenland gezeigt worden ist. Entstanden und machtvoll ausgedrückt wurde sie an vielen Orten in der ganzen Welt.
Wir haben eine Pflicht, diese von den Demonstrationen der Solidarität ausgedrückten Hoffnungen nicht zu enttäuschen. Dies ist eine Verpflichtung für die Führung der Regierung und sie beinhaltet wesentliche Aufgaben, nicht nur für die Mitglieder von Syriza, sondern für alle, die für das »Nein« gekämpft haben.
Die kommenden Tage werden entscheidend sein für die Festigung und die weitere Entwicklung dieses entscheidenden Wahlsieges.
Dieser Text ist erstmals auf Deutsch auf der Website der isl erschienen. Es handelt sich um eine Übersetzung aus dem Englischen. Die griechische Originalversion gibt es hier.
Foto: aestheticsofcrisis
Schlagwörter: Antarsya, Griechenland, KKE, Oxi, Referendum, Syriza