Christine Buchholz und Hubertus Zdebel erklären, warum sie Schäubles Erpressungspaket für Griechenland im Bundestag ablehnen werden.
Wir stimmen heute gegen den Antrag der Bundesregierung und gegen die Vereinbarung mit Griechenland, die an die Kredite gebunden ist.
Brutaler Kürzungskurs für Griechenland
Schäuble, Merkel und Gabriel setzen mit dem dritten Memorandum für Griechenland die Politik des brutalen Kürzungsdiktats der ersten beiden Memoranden fort. Gemeinsam mit der EU haben sie die griechische Regierung erpresst, die Vereinbarung zu unterschreiben. Dabei hat die EU ihren undemokratischen und neoliberalen Charakter gezeigt. Die Vereinbarung zwingt die griechische Regierung, die Renten zu kürzen, zahlreiche soziale und demokratische Errungenschaften der Arbeiterbewegung abzuschaffen und öffentliche Unternehmen und Eigentum zu privatisieren. Die sogenannten »Hilfsgelder« gehen vor allem in den Schuldendienst an die Institutionen und an die griechischen Banken.
Keine Hilfe für Griechenland
Schäuble, Merkel und Gabriel wollen der griechischen Bevölkerung nicht helfen. Deutsche und europäische Unternehmen sollen massiv von den Privatisierungen und der Entrechtung griechischer Beschäftigter profitieren. So berichtet die FAZ, dass der Verkauf von 14 griechischen Flughäfen zum »Schnäppchen«-Preis von 1,2 Mrd. Euro an die Fraport AG, die sich mehrheitlich im Besitz des Landes Hessen und der Stadt Frankfurt am Main befindet, eine der Bedingungen an Griechenland war. Den Verkauf hatte die Syriza-Regierung zunächst gestoppt. Privatisiert werden sollen nun auch Post, Stromnetz und Stromversorgung, die Eisenbahn, der Athener Flughafen und weitere regionale Flughäfen, die Wasserversorgung der Regionen Attika und Thessaloniki, die staatlichen Erdöl- und Erdgasunternehmen, die Häfen von Piräus und Thessaloniki sowie zehn regionale Häfen, die Autobahn und zahlreiche Immobilien. Darüber hinaus soll ein Privatisierungsfonds für weitere Betriebe und Immobilien unter Aufsicht der EU eingerichtet werden.
Schuldenschnitt für Griechenland
Selbst unter der Voraussetzung von massiver Privatisierung und Wirtschaftswachstum rechnet die Troika damit, dass sich die Schuldenlast Griechenlands stark erhöht. Statt des dritten Kürzungsdiktats fordern wir einen Schuldenschnitt für Griechenland. Unser »NEIN« ist ein internationalistisches Nein aus Solidarität zum Widerstand gegen das Kürzungsdiktat in Griechenland und ganz Europa.
»Nein« zur Hetze gegen Griechenland
Diejenigen aus den Regierungsparteien, die heute mit NEIN stimmen, befürworten im Gegensatz zur LINKEN das Kürzungsdiktat und die Erpressung der Bundesregierung gegenüber der griechischen Bevölkerung. Sie schüren chauvinistische Ressentiments u. a. mit der Falschdarstellung, »die Deutschen« würden für »die Griechen« zahlen. Der deutsche Staat profitiert finanziell von der Krise Griechenlands, denn er muss inzwischen lediglich extrem niedrige Zinsen für deutsche Staatsanleihen zahlen, in die sich Kapitalanleger flüchten. Das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) schätzt, dass seit der Krise der deutsche Staatshaushalt dadurch um gut 100 Milliarden Euro entlastet worden sei. Dies seien mehr als die rund 90 Milliarden Euro, die Griechenland Deutschland direkt und indirekt schulden.
Angriff auf die Demokratie in Griechenland
Die vorliegende Vereinbarung lässt der griechischen Regierung keinen finanziellen Spielraum und ist ein Angriff auf die Demokratie. Wie schon bei den ersten beiden »Rettungspaketen« wird die Demokratie durch die Kontrolle der Troika ersetzt. Die Vereinbarungen werden wie bisher vierteljährlich von der Troika überprüft und erst dann werden Gelder ausgezahlt. Die Regierung wurde verpflichtet, bestimmte jährliche Haushaltsüberschüsse zu erzielen. Dafür sind zusätzliche Kürzungen vereinbart und laut Troika für das Jahr 2018 wahrscheinlich. Nur wenn Griechenland bereits Eigentum im Wert von 25 Milliarden Euro privatisiert hat, darf es von den weiteren Erlösen die Hälfte behalten. Die andere Hälfte geht in den Schuldendienst.
Die Syriza-Regierung in den Fängen der Troika
Die Syriza-Regierung muss sechs der von ihr eingeführten Gesetze zurücknehmen und kann Gesetze zukünftig nur mit Einverständnis der Troika beschließen. Errungenschaften der Arbeiterbewegung sollen abgeschafft werden. Die Gesetzgebung zu Massenentlassungen, Streiks und Tarifverhandlungen darf die ILO, die Internationale Arbeitsorganisation, zwar prüfen, aber die Gesetze werden in Übereinstimmung mit der Troika gemacht. Und: Eine Rückkehr zum früheren kollektiven Tarifrecht, die die Syriza-Regierung versprochen und in den Verhandlungen gefordert hatte, ist ausdrücklich ausgeschlossen. Selbst das Urteil des griechischen Verfassungsgerichts wird umgangen. Es erklärte die Rentenkürzungen des Memorandums von 2012 für verfassungswidrig. Nun soll es »gleichwertige Maßnahmen« geben, die ihre Auswirkungen »vollständig ausgleichen«.
Ohne Widerstand keine Reformen
Von den Maßnahmen, die die neue griechische Regierung im ersten Halbjahr ihrer Amtszeit auf den Weg gebracht hat, bleiben u.a. das Armutsbekämpfungsprogramm in Höhe von 200 Mio. Euro, die Wiedereinrichtung der staatlichen Fernsehanstalt ERT, die Wiedereinstellung einiger Angestellter im Öffentlichen Dienst, darunter der Reinigungskräfte im Finanzministerium, sowie ein kleinerer Teil der Steueranhebungen für höhere Einkommen.
Das zeigt, dass der jahrelange Widerstand der entlassenen Putzfrauen des Finanzministeriums und der Beschäftigten der staatlichen Fernsehanstalt ERT sowie die breite Solidarität mit ihren Kämpfen der einzige Weg sind, der Troika etwas entgegenzusetzen.
Der Kampf geht weiter
Der Kampf gegen die Privatisierungen und das Kürzungsdiktat in Griechenland wird weitergehen. In dem Referendum vom 5. Juli 2015 haben 61 Prozent der Wählerinnen und Wähler zum Kürzungsdiktat der Troika mit OXI (Nein) abgestimmt. Besonders stark war die Ablehnung unter jungen Menschen, Arbeitslosen, Arbeiterinnen und Arbeiter und Angestellten.
Die Gewerkschaft der Beschäftigten der staatlichen Häfen hat bereits im Juni angekündigt, gegen die Privatisierung zu kämpfen. Bei der Abstimmung im griechischen Parlament am 15. Juli organisierte die Gewerkschaft des öffentlichen Dienstes einen 24-stündigen Generalstreik gegen das dritte Memorandum. In den Sommerferien streikten die griechischen Eisenbahnerinnen und Eisenbahner und Fluglotsen gegen die Privatisierungspläne. Die kommunalen Angestellten von Thessaloniki verhinderten zum wiederholten Mal die Privatisierung der Stadtreinigung. Beschäftigte von Museen, unter anderem die Angestellten der Akropolis, legten die Arbeit aus Protest gegen ausbleibende Lohnzahlungen nieder.
Solidarität mit dem Widerstand gegen das Kürzungsdiktat
Unsere Solidarität gilt dem Widerstand gegen das Kürzungsdiktat in Griechenland, deshalb stimmen wir heute mit Nein zum Antrag des Bundesfinanzministeriums.
Foto: linksfraktion
Schlagwörter: Analyse, Angela Merkel, Bundestag, Christine Buchholz, Griechenland, Hubertus Zdebel, Klassenkampf, Linke, marx21, Privatisierung, Solidarität, Syriza, Tsipras, Widerstand, Wolfgang Schäuble