Stefan Bornost erklärt, warum die fehlenden Sozialreformen im Koalitionsvertrag der GroKo bei Weitem nicht das größte Problem sind
Der Koalitionsvertrag für eine Große Koalition steht. DIE LINKE konzentriert sich in ihrer Kritik an der Neuauflage der schwarz-roten Regierung auf die soziale Frage. Das ist falsch. Denn die GroKo startet mit einem scharfen Rechtsruck in der Flüchtlings- und Innenpolitik. Das ist ein Aufbauprogramm für die AfD.
Schlüssel für den Erfolg der AfD ist, dass sie es geschafft hat, eine allgemeine politische und soziale Verunsicherung in Richtung einer Stimmungsmache gegen Geflüchtete, Muslimas und Muslime zu lenken. Nötig wäre jetzt eine antirassistische Großaktion, verbunden mit einer scharfen Kampfansage gegen die Reichen und Konzerne. Doch die GroKo geht den entgegengesetzten Weg – sie bricht vor den Forderungen der AfD ein.
Muslime unter Generalverdacht
Sieben Mal kommt das Wort »Islam« im Koalitionsvertrag vor. Dabei wird meist der Islam als Religion selbst als problematisch dargestellt und nicht der antimuslimische Rassimus. Insbesondere bei der Terrorbekämpfung spielt der Islam für die GroKo die zentrale Rolle – trotz NSU und der dramatischen Zunahme von Angriffen auf Moscheen und Flüchtlingsheime.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz soll verstärkt »die Analyse in Angelegenheiten des islamistischen Terrorismus« betreiben, heißt es in dem Entwurf. Und zwar auch bei solchen Phänomenen, »die zunächst keinen unmittelbaren Gewaltbezug aufweisen«. Das heißt: Auch wenn Muslime nichts tun außer ihre Religion auszuüben, stehen sie unter Generalverdacht.
»Wir werden den radikalen Islam in Deutschland zurückdrängen«, schreiben CDU/CSU und SPD und bringen eine Deutschpflicht für Imame ins Spiel: »Wir erwarten, dass Imame aus dem Ausland Deutsch sprechen.« Bislang war das sogar innerhalb der Unionsparteien eine heiß diskutierte Streitfrage.
GroKo setzt auf Überwachungsstaat
Bis jetzt fiel vor allem die AfD mit der Forderung nach der Schließung von Moscheen auf. Jetzt sind CDU und SPD auf diesen Kurs eingeschwenkt und schreiben im Koalitionsvertrag: »Radikalisierte Moscheen werden wir beobachten und gegebenenfalls schließen.« Es fehlen dabei jegliche Kriterien, was denn eine »radikalisierte Moschee« sei. Eine Moschee, in der der Rassismus gegen Muslime und die Untätigkeit des Staats mit scharfen Worten angeprangert wird? In der Kritik an der Vertreibung von Palästinenserinnen und Palästinensern durch die israelische Regierung geäußert wird? Das liefe auf ein politisches Betätigungsverbot für Muslime hinaus. Dass der deutsche Staat willens und fähig ist, so etwas durchzusetzen, zeigt er seit Jahren bei den Kurdinnen und Kurden, die sich strafbar machen, wenn sie öffentlich Organisationen wie die PKK und die YPG unterstützen.
Dazu kommt die Zementierung der schon im Sondierungspapier angelegten Einschränkung der Rechte von Geflüchteten: Faktisch gilt eine Obergrenze von 220.000 Geflüchteten pro Jahr. Der Familiennachzug von Kriegsflüchtlingen ist auf 12.000 jährlich begrenzt. Abschiebungen sollen erleichtert werden. Flankiert wird dies mit einem Ausbau des Überwachungsstaats und der Aufrüstung im Inneren wie im Äußeren. So sollen 15.000 neue Polizistinnen und Polizisten eingestellt, DNA-Analyse, Videoüberwachung und Computerschnüffelei ausgeweitet werden.
Die AfD wird es freuen – sie kann mit Fug und Recht behaupten, dass sie die GroKo politisch treibt, und so weiter wachsen. Der Koalitionsvertrag unterstreicht nochmal, was wir vorher schon ahnten: Von oben wird es keinen Widerstand gegen die rassistische Offensive geben, wir müssen den Kampf von unten organisieren.
Foto: markus spiske
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