In einem vorab veröffentlichten Musikvideo griff Kaveh die antideutsche Ideologie an und sorgte damit für heftige Diskussionen. Auch der Rest seines neuen Albums steht in der besten Tradition des politischen Hip Hop. Von Alexander Schröder
Kaveh ist einer der politisch bewusstesten Musiker in Deutschland. Der Künstlername des Berliner Rappers ist einem Widerstandskämpfer aus der persischen Mythologie entlehnt, der den Freiheitskampf gegen Tyrannei und Unterdrückung symbolisiert. So ein Name verpflichtet natürlich, wie auch das gerade erschienenes Album »Gegen den Strom« beweist.
Es beginnt mit einem Disstrack, einem Schmählied gegen den deutschtümelnden Rap-Kollegen Harris, für den Rassismus gerade mal einen »Augenblick« dauert und nicht Alltag ist. Kaveh kritisiert in »Nur ein Augenblick?« den Hass auf Geflüchtete, Moslems und Migrantinnen. Rassismus ist auch ein Thema in anderen Songs, wie im künstlerisch absolut genialen »Spuck auf Rechts« und in »Gewitterregen«, das teils in doppelter Geschwindigkeit gerappt wird. Das ist für Kaveh eher untypisch, zeigt aber seine handwerklichen Fähigkeiten. Auch »Mehr als nur ein 16er« und »Es hat’n Grund« unterliegen teilweise solch einer Doubletime.
Ein sexistischer und rassistischer Shitstorm
Bereits vor Erscheinen des Albums löste der mit seiner Kollegin Thawra aufgenommene Track »Tahya Falastin« einen sexistischen und rassistischen Shitstorm im Internet gegen die beiden Künstler aus. Kein Wunder, erklärt doch das Stück prägnant, wie die getroffenen Hunde ticken: »Antideutsche solidarisieren sich unkritisch mit Israel und den USA.« Wer jemandem das Phänomen des pro-westlichen Nationalismus und antimuslimischen Rassismus in der deutschen linken Szene erklären will, kann diese gesungene Kampfansage an die Antideutschen vorspielen.
Neben dem Inhalt sorgt auch die musikalische Umsetzung für gute Laune. Nicht nur bereichert Thawra das Stück enorm, der Beat passt zudem perfekt zum Text. Rhythmus und Pausen werden meisterhaft eingesetzt. Trillern, Englisch, Arabisch und Französisch verfeinern diesen grandiosen Disstrack. Mehr Stücke in diesem Stil hätten gewiss nicht geschadet. Allenfalls »Therapie« und »Spuck auf Rechts« haben ähnlich viel Ohrwurmpotenzial.
Kaveh experimentiert mit Jazz-Rap
»Das Kapital«, »Radikal«, »Revolution«, »Eskalation« und »Apartheid« sind Kritiken am Kapitalismus – politisch sehr ordentlich, musikalisch leider weniger interessant. Einige Stücke wie »Solidarität« und »Aufstand« gehören offenbar zum Genre des Jazz-Rap, während »Farben«, »Sehnsucht« und »Dankeschön«, die ruhigsten Stücke des Albums, eher meditativ sind.
Kavehs »Gegen den Strom« ist insgesamt ein sehr hörenswertes Album in der besten Tradition des politischen Hiphop. Es ist inhaltlich auf höchstem Niveau, stilistisch durchaus vielseitig und technisch solide. Vom Klang her erinnern einige Stücke an die 1990er Jahre, etwa an den Künstler 2Pac, auf den Jazz ebenfalls keinen geringen Einfluss hatte. Trotz aller Sympathie wünscht man sich für das nächste Album aber neue Stilmittel und Techniken, wie man sie etwa von Amewu, KIZ oder Sookee kennt. Kavehs Musik könnte von mehr Wortspielen, sprachlichen Wendungen und Witz nur profitieren. Denn seine Botschaften hätten ein etwas liebevolleres Gewand unbedingt verdient.
Album: Kaveh – Gegen den Strom, Digitale Dissidenz, 2015
Schlagwörter: Antimuslimischer Rassismus, Hip Hop, K.I.Z., Kultur, Musik, Rap, Rassismus