Woher rührt die existenzielle ökologische Krise des Planeten? In seinem neuen Buch »Im Angesicht des Anthropozäns – Klima und Gesellschaft in der Krise« begibt sich der Autor Ian Angus auf die Suche nach Antworten und räumt dabei auch mit dem Mythos auf, die gesamte Menschheit sei verantwortlich. Von Yaak Pabst
»Die Erde ist weder deshalb verschmutzt, weil der Mensch ein besonders schmutziges Tier ist, noch weil es so viele Exemplare von ihm gibt. Der Fehler liegt in der menschlichen Gesellschaft — in der Art und Weise, wie diese Gesellschaft die Reichtümer schafft, verteilt und nutzt, die die menschliche Arbeit den natürlichen Ressourcen dieses Planeten abgewinnt. Wenn aber der soziale Ursprung der Krise erkannt ist, dann kann man damit beginnen, soziale Maßnahmen zu konzipieren, die geeignet wären, sie zu beheben.« Mit diesem Zitat des US-amerikanischen Biologen und Umweltaktivisten Barry Commoner aus dem Jahre 1971 beginnt das Buch »Im Angesichts des Anthropozäns« von Ian Angus.
Was ist das Anthropozän?
Anthropozän – so wollen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler das heutige Erdzeitalter nennen. Der Grund: Das Schicksal der Erde wird maßgeblich vom Handeln des Menschen bestimmt. Das Buch »Im Angesichts des Anthropozäns« zeigt, dass es in diesem Zeitalter um mehr geht, als die Anhäufung ökologischer Probleme. Der kanadische Marxist und Autor Ian Angus verdeutlicht anhand der Erkenntnisse der Erdsystemforschung, dass es um eine existenzielle Krise des gesamten Erdsystems geht: »Eine Störung der globalen biologischen, chemischen und physikalischen Prozesse, die in ständiger Wechselwirkung stehen und bei denen sich die Veränderung eines Teils auf den Rest auswirken kann.«
Wer ist für die globale ökologische Krise verantwortlich?
Er räumt dabei auch mit dem Mythos auf, dass die Wissenschaft vom Anthropozän die gesamte Menschheit für die globale ökologische Krise verantwortlich mache. Stattdessen weist Angus nach, dass der Akkumulationsdrang des Kapitals dem Planeten tiefe und offene Wunden zufügt. In der Folge ist das, was Marx als einen »unheilbaren Riss in dem Zusammenhang des gesellschaftlichen Stoffwechsels« nannte, zu einem zusammenhängenden Netz globaler Risse geworden – die Erdsystemforschung fasst diese Entwicklung unter dem Stichwort »Kippelemente im Klima- und Erdsystem« zusammen.
Marxismus und Ökologie
Ian Angus setzt mit seinem Buch fort, was John Bellamy Foster, Kohei Saito oder Elmar Altvater begonnen haben: Den Marxismus für die ökologische Frage fruchtbar zu machen. Das Buch ist verständlich geschrieben. Zugleich ist es eine wissenschaftliche Anklage gegen ein System, dass Profite vor Menschen und die Natur stellt. Wer wissen will warum, sollte dieses Buch lesen.
Das Buch
Im Angesichts des Anthropozäns
Ian Angus
UNRAST Verlag
260 Seiten
18,00 Euro
2020
Schlagwörter: Bücher, Buchrezension, Klima, Klimakrise, Kultur, Rezension