Der südafrikanische jüdische Künstler Adam Broomberg berichtet über den Kampf gegen Siedlungskolonialismus, über den Vorwurf von Deutschen an ihn, Antisemit zu sein, und warum der Apartheidvergleich zwischen Südafrika und Israel doch nicht so passend ist
Guten Tag, Adam, danke für deine Bereitschaft, mit uns zu sprechen. Könntest du dich kurz vorstellen?
Adam Broomberg: Ein großer Teil meiner Identität wurde kürzlich infrage gestellt. Aber: Ich bin ein weißer, 52 Jahre alter Mann. Alle meine Vorfahren stammen aus Litauen in Osteuropa. Ich stamme also aus der Pfütze eines aschkenasischen jüdischen Genpools. Die Eltern meines Vaters verließen Litauen um die Wende zum 20. Jahrhundert, die Eltern meiner Mutter wanderten Anfang der 1930er Jahre aus. Die Pogrome und die wachsende Gefahr für ihr Leben machten ihnen die Dringlichkeit dafür bewusst. Meine Großeltern väterlicher- wie mütterlicherseits landeten mit 250.000 bis 300.000 anderen Juden aus diesem Gebiet in Südafrika. Und ich wuchs in dieser jüdischen Gemeinde auf.
Ich wurde im Jahr 1970 geboren, zur Hochzeit der Apartheid. Meine Großmutter sprach Jiddisch und sie hat nie richtig Englisch gelernt. Ein Großteil der Gespräche zwischen meiner Mutter und meiner Großmutter fand also auf Jiddisch statt. Ich wurde zu einer jüdisch-religiösen zionistischen Schule geschickt. Ich habe dort Hebräisch gelernt, ich wünschte mir aber, ich hätte Jiddisch gelernt. Die beiden Sprachen, die ich auf der Schule gelernt habe, waren bezüglich der politischen Implikation die beiden denkbar schlimmsten: Hebräisch und Afrikaans.
Ich hatte Glück, dass mein älterer Bruder Paul in der Antiapartheidbewegung sehr aktiv war. Er gehörte einer der kleinen Gruppen an, die die End Conscription Campaign (ECC, Kampagne gegen die Wehrpflicht) ins Leben riefen. In Südafrika wurden weiße Männer zwangseingezogen, so wie jüdische Menschen in Israel. Im Alter von 15 Jahren wurde ich also politisch wach und nach und nach auch politisch aktiv.
Du hast die Familientradition, in andere Länder auszuwandern, fortgesetzt und lebst jetzt in Berlin. Was hat dich hergebracht?
Ich habe Südafrika vor dem Ende der Apartheid verlassen, als es noch die Wehrpflicht gab. Ich zog für ein Jahr nach London, dann hatte ich das Glück, für ein Programm in Italien zu arbeiten. Ich blieb etwa 10 Jahre lang dort, bis Silvio Berlusconi an die Macht kam. Damals erlebte ich zum ersten Mal eine populistische, faschistische Stimmung vor Ort.
Ich ging nach London zurück und gründete eine Familie. Ich bin Künstler, tauchte also tief in die Kunstwelt dort ein. Dann begann die Debatte über den Brexit, den Austritt aus der Europäischen Union. Und mit dem Brexit kam dort dieselbe populistische, faschistische und fremdenfeindliche Sprache auf.
Wenige Wochen nach dem Referendum hatte ich in Berlin eine Ausstellung. Ich fragte Leute im Anschluss beim Essen, wie schwierig es wäre, mit zwei Kindern und Partnerin nach Berlin zu ziehen. Kurz darauf zogen wir nach Berlin um, eigentlich nur für sechs Monate, aber es sind inzwischen sieben Jahre geworden.
Du bist also der Apartheid entkommen. Du bist Berlusconi entkommen und dann dem Brexit. Und dann kamst du nach Deutschland, wo dir Stefan Hensel begegnet. Hensel ist Antisemitismusbeauftragter der Stadt Hamburg und er schrieb in der Zeit, du seist ein »hasserfüllter Antisemit, der den Terrorismus gegen Juden unterstützt«. Womit hast du dir das verdient?
Hensel hat verschiedenes in der Zeit, der taz und in Onlinemedien geschrieben. Dieses Zitat klingt wie die Bündelung all dessen, was er gesagt hat. Ich musste um Neujahr meine Mutter beerdigen und hörte erst nach meiner Rückkehr von diesen Anschuldigungen.
Kolleginnen und Freunde, denen ich sehr vertraue und die die politische Landschaft Deutschlands verstehen, haben mich gedrängt, auf diese Beschuldigungen zu reagieren, weil sie Verleumdung und üble Nachrede darstellen. Überall in der Presse war das zu lesen und wurde von niemand angefochten. Ich musste zwei Monate meines Lebens damit verbringen, mir Unterstützung zu organisieren. Die internationale Presse war sehr aufgeschlossen dafür, insbesondere die Kunstzeitschrift Art Press, die mir die Möglichkeit gab, meine Antwort auf diese völlig haltlosen Vorwürfe zu veröffentlichen.
Verleumdung: »hasserfüllter Antisemit, der den Terrorismus gegen Juden unterstützt«
Unter uns gesagt: Wenn du als Kind in der Schule gepiesackt würdest, und jemand hat etwas Gemeines zu dir gesagt und du liegst nachts im Bett und denkst: »Ich wünschte mir, ich hätte das und das zu ihm gesagt«, oder: »Ich wünschte, ich hätte einen Baseballschläger genommen und …« Ich habe diese privaten Fantasien, aber ernsthaft, sich zu sehr auf diesen kleinbürgerlichen Bürokraten einzulassen ist gefährlich. Das ist ihre Strategie – dich in eine sehr provinzielle Schlacht zu verstricken und deine Aufmerksamkeit als Aktivist von dem wahren Kampf abzulenken, warum sie überhaupt erst aufmerksam auf dich geworden sind.
Was mich betrifft besteht meine Aufgabe nicht darin, die Heuchelei dieser Person zu entlarven, oder die Tatsache, dass er eine sehr übliche Taktik verfolgt, genannt »Gaslighting« (psychischer Missbrauch durch Manipulation), von der wir weißen Männer eher selten betroffen sind, mit der aber jede:r Palästinenser:in tagtäglich leben muss. Mir wurde eine kostenlose juristische Vertretung angeboten, aber mir war klar, dass das eine Menge Energie und Zeit verschlingen würde. Es wäre ein sehr anstrengendes Verfahren. Und wozu das alles?
Die Tatsache, dass meine Arbeit in Palästina mich zum Ziel ihrer Propaganda gemacht hat, zeigt, dass ich etwas bewirke. Ich muss mich darauf konzentrieren, statt mich gegen diese haarsträubenden Behauptungen zu verteidigen.
Haben diese Angriffe Einfluss auf deine Arbeit, zum Beispiel deine Auftragslage?
Allerdings. Ich sollte in Kassel, wo die Documenta stattfindet, eine Ausstellung bestreiten. Diese Ausstellung wurde abgesagt, weil die Leitung der Ansicht war, dass meine Beteiligung zu belastend wäre. Wegen meiner politischen Ansichten haben sie entschieden, meine Arbeit nicht zu zeigen.
Vier Monate lang habe ich von einer bestimmten Institution ein Stipendium erhalten. Plötzlich wurde auch das beendet. Ich möchte mich hier nicht als Opfer darstellen, aber um deine Frage zu beantworten: Ja, eindeutig, ich habe Aufträge verloren. Mein Sechsjahresvertrag als Professor in Hamburg endete vergangenen Oktober. Ich glaube nicht, dass ich in diesem Land einen anderen Lehrauftrag bekommen werde.
Sanktionen haben dem südafrikanischen Apartheidstaat das Rückgrat gebrochen
Es geht nicht um dich als ein einzelnes Opfer. Es gab eine Reihe ähnlicher Fälle in Deutschland, insbesondere seitdem der Bundestag eine Resolution verabschiedet hat, die keine Rechtsgrundlage hat, aber die Kampagne Boycott, Divestment, Sanctions (BDS) mit Antisemitismus gleichsetzt.
Du bist der Erste, der klipp und klar sagt, dass die Resolution rechtlich nicht verbindlich ist. Sie wurde angefochten und es wurde für verfassungswidrig erklärt, BDS als illegal zu bezeichnen. Das muss immer betont werden. Aber es wurden so viele Gerüchte verbreitet, dass einige meiner Kolleginnen sich öffentlich von BDS distanzieren mussten oder ihre Unterstützung für die BDS-Kampagne zurückzogen.
BDS ist keine Bewegung. Es ist eine bewährte gewaltfreie Taktik, die schon häufig angewendet wurde, am bekanntesten ist das Beispiel Südafrika in den 1980er Jahren. Es gab kein plötzliches moralisches Erwachen in den 1980er Jahren in Südafrika. Es waren die Sanktionen, die schließlich dem Apartheidstaat das Rückgrat brachen. Sie mussten in Verhandlungen eintreten.
Können wir Israel mit Südafrika vergleichen? In den 1980er Jahren war ich auch auf vielen Mahnwachen vor der Barclays Bank in Großbritannien, um Leute zu boykottieren, die mit der Apartheid Geschäfte machten. Margaret Thatcher ging dagegen vor. Aber unter politischen Aktivisten wurde erwartet, dass du dich daran beteiligst. Wenn du dagegen eine ähnliche Politik heute in Deutschland vertrittst, sagen eine Reihe Leute, die es besser wissen müssten: »Oh, das ist ja genauso wie die Nazikampagne ,Kauft nicht bei Juden‘.« Was würdest du darauf antworten?
Es klingt vielleicht widersinnig, aber wir sollten sehr viel mehr Sympathie für die Deutschen aufbringen, damit sie tun, was sie am besten können: denken. Aufgrund der Lehrpläne und der endlosen Gedenkfeiern und der Reden zum Holocaust haben sie all die Schuld und Scham für den Holocaust auf sich genommen.
Nun ist es an der Zeit, sich die Niederlande genauer anzuschauen, die mehr Juden in die Todeslager geschickt haben, an zweiter Stelle nach Polen. Litauen war noch schlimmer. Dort wird vom »Holocaust durch Gewehrkugeln« gesprochen – die meisten Angehörigen meiner Familie wurden noch vor der Ankunft der deutschen Nazis umgebracht. Sie töteten 98 Prozent der jüdischen Gemeinschaft mit ihren Gewehren und verscharrten sie in Massengräbern.
Es mag etwas seltsam klingen, aber lasst uns ein Gedankenexperiment durchführen und sagen: »Okay, liebe Deutsche, ihr seid nicht länger verantwortlich für den Holocaust.« Im Namen meiner Mutter und meiner Großmutter und ihrer sechs Geschwister, die sie verlor, und meines Großvaters und seiner fünf Geschwister, die er verlor, und ihrer Eltern spreche ich euch frei von der Verantwortung für dieses Verbrechen. Und jetzt lasst uns Israel anschauen – ohne dieses Gefühl von Schuld oder Scham. Es gibt zwei mögliche Lehren, die wir aus dem Holocaust ziehen können: Ist es die Lehre, die Schwächsten zu schützen, egal um wen es sich handelt, oder aber den Nationalstaat Israel um jeden Preis zu verteidigen? Es ist offensichtlich, welche Lektion die Deutschen sich angeeignet haben.
Deutschland und Israel sind beides Kolonialmächte. Deutschland unterstützt Israel nicht nur wegen der Schuld und Scham über den Holocaust. Ich denke, der Grund ist derselbe wie bei ausgesprochenen Antisemiten wie dem US-amerikanischen Evangelikalen Pat Robertson und dem ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump und vielen rechten Amerikanern, die sich auf Israels Seite stellen. Ist es die Lehre, die Schwächsten zu schützen, egal um wen es sich handelt, oder aber den Nationalstaat Israel um jeden Preis zu verteidigen? Es ist offensichtlich, welche Lektion die Deutschen sich angeeignet haben.
Israel ist ein koloniales Projekt, das sich im Hier und Heute vollzieht. Die europäischen kolonialen Projekte fanden im 17., 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts statt, aber im Grunde handelt es sich um das gleiche Projekt. Also lass uns das Gespräch von Israel auf den Kolonialismus lenken.
Lass Deutschland sich mit seiner Kolonialgeschichte auseinandersetzen und den Holocaust für eine Minute vergessen. Lass die Niederlande sich mit ihrer Kolonialgeschichte auseinandersetzen, die bis in die 1960er Jahr reicht – die Holländer töteten 100.000 Menschen in Indonesien. Die Rechtfertigung dafür war die Kolonialherrschaft. Denn wie Juden und andere Opfer des Holocausts behandelt wurden, ähnelt durchaus der Behandlung der Kolonisierten durch die Kolonialmächte. Und beides fand mehr oder weniger gleichzeitig statt. Nur weil die Juden eine weiße Haut hatten und als assimiliert galten, erschien es als so grausam.
Wir müssen ein komplexeres Verständnis entwickeln. Es geht nicht nur um die Schuld Deutschlands. Sprechen wir sie von der Schuld frei und sagen: »Könnt ihr euch bitte mit euer Kolonialgeschichte in Südwestafrika auseinandersetzen?« Die wenigen Länder, die die UN-Resolution zur Verurteilung Israels wegen der Verletzung von Menschenrechten nicht unterstützt haben, waren weiße Kolonialmächte.
Die Unterdrückung der Palästinenser:innen überschreitet den Begriff des Apartheids
Es ist neuerdings üblich geworden, Israel einen Apartheidstaat zu nennen. Vor zwanzig Jahren war das noch anders. Jetzt sagt es Amnesty International, Human Rights Watch, selbst die israelische Zeitung Haʼaretz veröffentlicht Artikel über die israelische Apartheid. In Großbritannien wird dagegen Labour-Abgeordneten verboten, diesen Vergleich anzustellen. Und es gibt jede Menge Selbstzensur. Du hast in einem Apartheidregime gelebt. Wie zutreffend ist dieser Vergleich? Und wie nützlich ist er?
Er ist nicht so geeignet, weil das, was in Israel vor sich geht, viel schlimmer ist. Es geht über Apartheid hinaus. Ich denke, Apartheid ist keine ausreichende Definition für das Ausmaß der Ausgrenzung, des Missbrauchs, der Verletzung der Menschenrechte und des täglichen, kaltblütig verübten Mords, staatlich sanktionierten Mords, der Pogrome und der absoluten Demütigung.
So etwas gab es nicht unter der Apartheid, nicht in diesem Ausmaß. So etwas habe ich in den zwanzig Jahren, die ich zur Hochzeit der Apartheid in Südafrika gelebt habe, nicht erlebt. Wenn ich nach Palästina gehe, nach Hebron, Bethlehem oder in die besetzten Gebiete, ist es dort sehr viel schlimmer als alles, was ich unter der Apartheid gesehen habe.
Ich meine, über dieses Argument müssen wir nicht einmal mehr nachdenken, es hat sich überholt. Wir brauchen eine andere Bezeichnung dafür. Wenn ich nach Palästina gehe, nach Hebron, Bethlehem oder in die besetzten Gebiete, ist es dort sehr viel schlimmer als alles, was ich unter der Apartheid gesehen habe.
Selbst in Deutschland wächst die Zahl derer, die Kritik an Israel üben. Teils liegt das an der neuen Regierung in Israel, obwohl sie eine schon seit Langem verfolgte Politik lediglich fortsetzt.
Du sagst das so leichthin, aber wir müssen die Verbindung zwischen den Führern der zionistischen Bewegung von 1947/48 aufzeigen – Äußerungen von David Ben-Gurion, Äußerungen von Golda Meir – und heute Äußerungen von Itamar Ben-Gvir. Sie sagen alle dasselbe. Wer mag, kann versuchen, eine sehr feine rote Linie zwischen ihnen zu ziehen, aber du wirst keinen Unterschied in ihrer genozidal rassistischen, brutalen Sprache von 1948 finden. Nur dass die Leute jetzt sagen: Sie haben die Maske fallen lassen.
Wer in den vergangenen 75 Jahren auch nur drei Stunden in den besetzten Gebieten verbracht hat, weiß, was dort los ist.
Dennoch gibt es eine Veränderung des politischen Bewusstseins und Leute sagen: Das muss aufhören! Und doch scheinen wir noch weit entfernt von echter Veränderung zu sein. Es sind jetzt fast zwanzig Jahre her, dass die US-amerikanische propalästinensische Aktivistin Rachel Corrie im Gazastreifen von einem Bulldozer überfahren wurde. Nun sind Leute wieder schockiert, aber es geht so weiter wie früher.
Gott segne Rachel Corrie. Aber lass uns nicht über weiße Retter sprechen. Weißt du, wie viele Palästinenser:innen in den zwanzig Jahren, seit Rachel Corrie von diesem JCB-Traktor überfahren wurde, ermordet wurden? Warum sollte ich mir Sorge machen, wenn es jetzt eine Spaltung zwischen den sogenannten liberalen Israelis und den rechten Israelis gibt. Keine ihrer Ansichten ist für mich von großem Interesse.
Diese Debatten beginnen allesamt um 1967 mit der schrittweisen Besetzung palästinensischen Lands, aus meiner radikaleren Perspektive müssen wir aber schon von 1948 sprechen. Ich habe eine Schwester, die in Israel lebt, auf dem Land eines geschätzten palästinensischen Freundes. Und wir sprechen immer noch über eine Zweistaatenlösung? Scheiß drauf. Würde meine Schwester mich nicht kennen, dann würde sie sich von meiner täglichen Arbeit in ihrer Existenz bedroht fühlen. Sie hat mir diesen Vergleich genannt: Es gibt ein Haus und der Vater stirbt und seine zwei Söhne erben das Haus. Vierzig Jahre lang hütet der eine das Haus und der andere verlässt das Land und kommt vierzig Jahre später wieder. Er sagt: »Was zum Teufel hast du mit diesem Haus gemacht?« Und der Sohn, der geblieben ist, sagt: »Ich habe es gehütet.«
Sie will damit sagen, dass sie seit vierzig Jahren das Haus hütet. Und ich komme vierzig Jahre später rein und kritisiere es, weil es mit ideologischen oder ästhetischen Problemen behaftet ist. Es wird dabei unterstellt, dass es unser Haus ist. Es ist aber nicht unser Haus. Die eigentliche Frage lautet für mich, wie wir als Juden höflich um Erlaubnis fragen, in Frieden neben den rechtmäßigen Besitzern des Landes leben zu dürfen.
Diese Analogie ist genau genommen keine, sondern das Gegenteil ist passiert. Es lebte nur ein Bruder im Haus. Und er ist nicht einfach vierzig Jahre lang auf Urlaub gewesen. Er wurde rausgeworfen und ihm wurde gesagt, er kann nicht zurückkommen. Bei dem von deiner Schwester entworfenen Bild sind die Rollen einfach vertauscht.
Das meine ich ja. Es ist nicht mein Haus. Es ist nicht das Haus meiner Schwester. Wir beide haben jemandem das Haus gestohlen, oder unser Vater hat es getan. Mir geht es darum, dass ich denke, wir hinken dem Kampf hinterher, und der Kampf wird uns einholen. Kürzlich erst haben rechte Republikaner im Senat verkündet, dass sie den Staat Israel nicht mehr unterstützen wollen. Nun, das sind mit die verachtenswertesten Leute auf unserem Planeten. Ich würde sie nicht als Verbündete oder Genossen betrachten. Tatsache ist jedoch, dass die Machthaber in Israel aufwachen und erkennen müssen, dass ihr Sugardaddy das Interesse an ihnen verliert, weil Israel zu einer Belastung wird.
Der Rolle des internationalen Drucks
Hast du Hoffnung, dass sich etwas verändern wird, und was meinst du, aus welcher Richtung diese Veränderung kommen wird?
Ich bin sehr hoffnungsvoll, dass sich etwas verändern wird. Wie in Südafrika muss der Druck von der internationalen Gemeinschaft kommen, die auf Einhaltung der internationalen Gesetze pochen muss. Das UN-Recht wurde seit 1948 unzählige Male gebrochen. Letztendlich aber müssen wir auf die Stimme der Palästinenser:innen hören, wie wir Fortschritte machen können. Ich spreche nicht über die Palästinensische Autonomiebehörde. Ich spreche nicht über die Hamas. Ich spreche über die Menschen. Und diesbezüglich haben sie es in Südafrika falsch gemacht. Als es zu Verhandlungen kam, stand dahinter die unglaubliche demokratische Basisbewegung der Vereinigten Demokratischen Front, die mit den Gewerkschaften verbunden war, und es wurde nicht auf sie gehört.
Ich denke, die Apartheid wurde nicht beendet. Im Nachhinein betrachtet hat Nelson Mandela – bei all seiner schönen, charmanten, schillernden Persönlichkeit – die Interessen der Leute und der Arbeiter:innen Südafrikas ausverkauft. Solch einen Fehler dürfen wir nicht noch einmal begehen. Wir müssen den Leuten zuhören. Diese Entscheidung wird nicht von einem US-amerikanischen Präsidenten getroffen, der sich mit einer führenden palästinensischen Marionette und einigen faschistischen Israelis zusammensetzt. Das muss ganz anders vonstatten gehen.
Interview: Phil Butland / Aus dem Englischen von Rosemarie Nünning
Zum Text: Dieses Interview wurde im Original von The Left Berlin veröffentlicht
Foto: The Left Berlin
Schlagwörter: Antikolonialismus, Israel, Palästina, Siedlungskolonialismus