Zum Artikel »Umkämpftes Recht« von Klaus-Dieter Heiser (Heft 10)
Klaus-Dieter Heiser meint, Verfassungen widerspiegelten den »gesellschaftlichen Konsens« zum Zeitpunkt ihrer Entstehung. Das Grundgesetz sei »Ausdruck gesellschaftlicher Kräfteverhältnisse«. Er schließt damit, dass wir uns vor dem Kapitalismus »nur selber« schützen könnten, denn das würde keine Verfassung für uns tun.
Alles schön ausgewogen, aber eine sehr unbefriedigende Analyse. Denn es gab nach dem Zweiten Weltkrieg keinen gesellschaftlichen Konsens. Vielmehr gab es deutschlandweit, im Osten wie im Westen, eine vor allem in den Gewerkschaften verankerte antifaschistische Bewegung. Es entstanden hunderte antifaschistische Komitees, die mit breiter Unterstützung in der Bevölkerung sich an die Aufgabe machten, die Strukturen der Nazi-Diktatur zu beseitigen.
Im Ruhrgebiet streikten 1946 und 1947 bis zu einer halben Million Arbeiter für die Enteignung der Industriebarone. Zwei Monate nach ihrer Gründung wurden die antifaschistischen Komitees in allen Besatzungszonen verboten, ebenfalls die von unten gegründeten Gewerkschaften. Streiks wurden durch die Staatsgewalt niedergeschlagen.
Es gab alles andere als einen »Konsens«. Bei aller Spontaneität erwies sich die Arbeiterbewegung allerdings noch weniger als 1918 in der Lage, eine Revolution zu vollbringen. Eine solche hätte aber keine bürgerliche Verfassung hervorgebracht, sie wäre nicht dabei stehen geblieben, sich »vor dem Kapitalismus zu schützen«, sie hätte den Kapitalismus ein für alle Mal beseitigt.
David Paenson, Frankfurt/M.