Die Proteste gegen Polizeigewalt in Frankreich unter dem Slogan »Justice Pour Theó« weiten sich aus. Im Vorfeld der Präsidentschaftswahl erlebt das Land eine Welle von Demonstrationen, Blockaden und Besetzungen. Doch der Rassismus innerhalb der französischen Polizei ist keineswegs nur institutionell begründet. Von Felix Syrovatka
Auch zwei Wochen nach dem brutalen Polizeiübergriff auf Theó halten die Proteste gegen Polizeigewalt in Frankreich an. Fast jeden Tag gibt es Demonstrationen und das nicht mehr nur in den Banlieues, sondern auch im Stadtzentrum. Letztes Wochenende gingen mehr als 5000 Menschen landesweit gegen die Übergriffe der Polizei auf die Straße.
Schulblockaden in den Banlieues
Gestern wurden mehr als 16 Gymnasien von Schülerinnen und Schülern besetzt. Verschiedene Schülergewerkschaften und antifaschistische Gruppen hatten zu einer Blockade aufgerufen und mobilisierten auf den Place de la Nation. Zufahrten der Schulen wurden mit Mülltonnen und anderem Gerät blockiert. Schwerpunkt der Schulblockaden waren die Banlieues Saint-Denis und Bobigny, wo sich der Polizeiübergriff auf Theó ereignet hatte.
In den Banlieues von Paris, aber auch in anderen französischen Großstädten, kommt es immer wieder zu schweren Übergriffen von Seiten der Polizei. Die Vergewaltigung und Misshandlung von Theó durch eine Gruppe von Polizisten ist nur ein neuer Höhepunkt einer ganzen Reihe von Polizeigewalt in den letzten Jahren. Schon 2005 kam es nach dem Mord an zwei Jugendlichen zu massiven Unruhen in den Pariser Vorstädten.
Der rechte Korpsgeist der Polizei
Die französische Polizei ist noch stärker als in Deutschland, von einem rechten Korpsgeist geprägt, der durch den institutionell verankerten Rassismus im französischen Staat noch verstärkt wird. Zudem ist die Polizei in Frankreich massiv durch rechte Kräfte beeinflusst. In einer Umfrage gaben mehr als die Hälfte der Polizistinnen und Polizisten an, die Front National zu wählen.
In den 1980er Jahren versuchten verschiedene rechtsradikale Gruppen im Umfeld der Front National, wie etwa die PNFE (»Nationalistische Partei Frankreichs und Europas«), die Polizei zu unterwandern und waren damit teilweise auch erfolgreich. Noch heute bestehen einige Polizeigewerkschaften, wie etwa die FPIP (»Unabhängige Berufsföderation der Polizei«), welche eng mit der Front National verbunden sind, zugleich aber auch einen starken Einfluss auf Polizei und Politik haben. Dadurch kommt es auch selten zu Verurteilungen nach Übergriffen, da sich die Polizisten selbst ein Alibi geben oder die Gewerkschaften mutmaßliche Zeugen »organisieren«.
Der Fall Theó war daher nur der Ausgangspunkt der Demonstrationen, die sich gegen rassistische Polizeiwillkür und -gewalt insgesamt richten. Sie richten sich gegen einen allgegenwärtigen Unsicherheitsfaktor für Leib und Leben in den Banlieues.
Fotos: Hermann.Click, charlier.valentin
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