Die albanische Regierung plant die Privatisierung der Hochschulbildung. Studierende laufen Sturm – und setzen damit ein Zeichen gegen den Sparkurs in allen Bereichen. Von Daniel Kerekeš
Seit Ende des vergangenen Jahres protestieren Studierende der größten staatlichen Universität in Tirana gegen geplante Reformen der Hochschulausbildung. Ausgelöst hatte den Widerstand die Ankündigung, die Studiengebühren um jährlich bis zu 30 Prozent zu erhöhen. Doch inzwischen geht es der Bewegung um mehr.
Die bereits im Jahr 2010 von der damaligen konservativen Regierung angestoßenen Reformen, welche die heute regierenden Sozialdemokraten nahtlos fortführen, zielen letztendlich auf eine komplette Neoliberalisierung des Hochschulwesens.
Neben der Erhöhung der Studiengebühren enthalten sie auch Angriffe auf die Autonomie der Hochschulen. So wurde bereits ein Numerus Clausus für Masterstudiengänge eingeführt.
Zudem sieht das neue Hochschulgesetz vor, die Hälfte aller Universitäten privat zu betreiben, um die Bildung Marktgesetzen zu unterwerfen. Dies bedeutet, dass die Hälfte aller staatlichen Mittel an private Einrichtungen gezahlt würde. Öffentliche Hochschulen hätten damit das Nachsehen, während die privaten zusätzlich zu ihren Einnahmen aus Studiengebühren eine kostenlose Infrastruktur erhalten würden. Studierende und Opposition vermuten, dass so durch die Hintertür eine flächendeckende Gebührenerhöhung durchgesetzt werden soll. Denn um die fehlenden staatlichen Mittel auszugleichen, werden auch öffentliche Hochschulen gezwungen sein, Studiengebühren zu erheben oder zu erhöhen. Kinder aus Arbeiterfamilien würden so kaum noch studieren können: Laut offiziellen Angaben beträgt die Arbeitslosigkeit 23 Prozent, viele Menschen leben in Armut.
Die Studierenden in Tirana haben in den letzten Monaten zwei Fakultäten besetzt. Zudem sammelten sie Tausende Unterschriften gegen die Erhöhung der Studiengebühren. »Për Universitetin« (»Für die Universität«), so der Name der Bewegung, fordert kostenlose Bildung für alle – vom Kindergarten bis zur Hochschule. »Die neuen Gesetze, die eine ›Expertenkommission‹ geschrieben hat, wurden von der Regierung aufgrund des Drucks der Privatwirtschaft implementiert«, heißt es in einer Pressemitteilung. »Die wahren Probleme, wie Unterbringung und Studienbedingungen, werden komplett unter den Teppich gekehrt.«
Dem stellt die Studierendenbewegung vier Kernforderungen entgegen: 1. Rücknahme aller Gesetze zur Privatisierung im Hochschulbereich, 2. Stufenweise Abschaffung der Studiengebühren, 3. Erhöhung des Bildungsbudgets, 4. Erweiterung der Mitbestimmung der Studierenden.
Die Universitätsleitung reagierte auf den Protest mit der Drohung, die Studierenden zu exmatrikulieren. Der Politikwissenschaftler Hysamedin Feraj wurde sogar entlassen, weil er die Forderungen der Studierenden öffentlich unterstützte.
Der Widerstand von »Për Universitetin« richtet sich nicht nur gegen die Neoliberalisierung der Hochschulen. Er setzt auch ein Zeichen gegen die generelle Sparpolitik des albanischen Staats. Der Kampf um den Zugang zu Hochschulbildung könnte so zur Keimzelle des Widerstands der ausgebeuteten Klasse werden.
Schlagwörter: Hochschulprotest, Privatisierung