Der Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und LINKE für Berlin ist ein Tiefschlag für alle Wähler:innen der LINKEN. Entgegen der Behauptung der LINKEN Landesspitze ist dort kaum linke Handschrift zu erkennen. Stattdessen knickt die Koalition vor der Immobilienlobby ein und setzt auf mehr Polizei. Von Daniel Anton
Bei der gemeinsamen Pressekonferenz von Grünen, SPD und LINKEN zur Vorstellung des Koalitionsvertrag in Berlin wurde viel gefrotzelt. Man hat sich lieb, ist gemeinsam spazieren gegangen und hat sich aufgrund der fünfwöchigen Verhandlungsdauer ganz eng kennengelernt. Von Seiten der Vertreter:innen der LINKEN wurde dabei an einigen Punkten offenbar vor lauter Nettigkeit ignoriert, mit wem man da am Tisch sitzt. Und wer die LINKE gerade über den Tisch zieht. Denn der Koalitionsvertrag ist eine Katastrophe für die LINKE. Er widerspricht an zentralen Stellen den Wahlversprechen der Linkspartei.
Deutsche Wohnen und Co. enteignen?
Das wird am offensichtlichsten beim Umgang mit dem Volksentscheid “Deutsche Wohnen und Co. enteignen”. Franziska Giffey hat im Wahlkampf deutlich gemacht, dass es mit ihrer SPD keine Enteignungen geben wird. Der Koalitionsvertrag leistet die Akrobatik mit einer Expert:innenkommission den Willen von über einer Millionen Berliner:innen in einen Verschiebebahnhof zu rangieren, der frühestens 2023 und dann auch nur “gegebenenfalls” eine Umsetzung prüft. Viel Zeit und Raum, die Vergesellschaftung zu kippen. Die Immobilienlobby hat sich durchgesetzt. Doch nicht nur hier.
Hermannplatz: Renditeprojekt für Immobilienmilliardär
Der österreichische Immobilienmilliardär René Benko darf sich angesichts des Koalitionsvertrag freuen. Sein Plan für den gigantomanischen Neubau des Karstadt am Hermannplatz bekommt mit dem Koalitionsvertrag grünes Licht. Viele Anwohner:innen wehren sich seit Jahren gegen das Projekt, denn es droht eine weitere Gentrifizierung und Verdrängung im Kiez. Einzige Gegenleistung des Milliardärs ist eine mickrige, fünfjährige Beschäftigungssicherung für die Karstadt-Beschäftigten – was danach kommt, weiß niemand.
S-Bahn droht Privatisierung und Zerschlagung
Und auch an anderer Stelle im Koalitionsvertrag reiben sich Konzerne schon die Hände. Der Berliner S-Bahn droht die Privatisierung und Zerschlagung. Der Wille zur Kommunalisierung, die im Koalitionsvertrag verschriftlicht ist, hängt von der Laune der Deutschen Bahn ab, die S-Bahn an die Stadt Berlin zu verkaufen. Sagt sie nein, läuft die Ausschreibung weiter und damit der Unterbietungswettbewerb bei den Arbeitsbedingungen und Löhnen sowie der Überbietungswettbewerb bei den ohnehin schon überteuren ÖPNV-Tarifen durch private Konzerne.
Überwachung statt Willkommenskultur
Die zwischenmenschlichen Nettigkeiten der Koalitionsverhandlungen finden keine Fortsetzung in der Innenpolitik sondern es gibt harte Hand: Mehr Polizei, mehr Videoüberwachung und mehr Law and Order, oder wie es die SPD ausdrückt: “Berlin, aber sicher”. Ein linker Grundsatz, wonach die beste Kriminalitätsbekämpfung, die Bekämpfung von Armut ist, fehlt dem Koalitionsvertrag völlig. Eine LINKE, die sich glaubwürdig an die Seite der Bewegungen stellen möchte, die den systematischen Behörden-Rassismus und die entsprechende Polizeigewalt nicht erst seit Black Lives Matter zurecht kritisieren, hätte spätestens da klar werden müssen, wie die Koalitions-Party zusammengesetzt ist. Wenn zeitgleich die Polizei, die knietiefe Verstrickungen zum rechten Terror in Berlin aufweist, nun aufgestockt werden soll, dann ist der beschlossene Untersuchungsausschuss zu eben diesem rechten Terror ein schwacher Trost.
Die LINKE muss nicht regieren
Klaus Lederer sagte zum Schluss der Pressekonferenz, dass sich ehrlicherweise keiner der Koalitionspartner durchsetzen konnte. Aber es ist eine Illusion zu glauben, dass man an diesem Verhandlungstisch auf Augenhöhe verhandeln konnte. Im Zweifel entscheidet nämlich der Stärkere und das sind die SPD und genügsame Grüne. Das Ergebnis ist ein Papier, das wenig mit dem zu tun hat, wofür viele Mitglieder in jeder Woche des Wahlkampfes und darüber hinaus gekämpft haben. Es braucht gar nicht viel Fantasie und nur einen kleinen Blick in die Vergangenheit um festzustellen, dass DIE LINKE nicht regieren muss, um Erfolge zu erringen. Daran sollten sich die Mitglieder der LINKEN Berlin erinnern und diesen Koalitionsvertrag beim kommenden Mitgliederentscheid ablehnen.
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