Anfang Mai wird es wohl ernst: Kitas und andere Erziehungseinrichtungen werden bestreikt. Wir sprachen mit der Frankfurter Sozialpädagogin Heike Jäger über die Forderungen der Beschäftigten.
marx21: Seit Wochen finden bundesweit im Bereich der Sozial- und Erziehungsdienste (SuE) Warnstreiks statt. Was sind die Kernforderungen der Beschäftigten?
Heike Jäger: Im Mittelpunkt steht die Forderung nach einer Höhergruppierung der Tätigkeiten im Tarifvertrag des Sozial- und Erziehungsdienstes. Das betrifft nicht nur den Bereich Kindertagesstätten, sondern alle Bereiche der sozialen und Erziehungsdienste wie beispielsweise die Jugendhilfe. Als Gesamtpaket entspricht unsere Forderung einer Lohnerhöhung um zehn Prozent. Aber es geht nicht nur um Geld, sondern auch um eine höhere Anerkennung dieser Berufe. Seitens der Eltern begegnet uns viel Zustimmung. Sie unterstützen unsere Forderungen, denn sie sehen, was Erzieherinnen und Erzieher zu leisten haben: Entwicklungsbeobachtung, Sprachförderung, Integrationsmaßnahmen und Bildungsarbeit
Angesichts des Fachkräftemangels in vielen Orten könnte die erfolgreiche Durchsetzung der Höhergruppierung den Beruf attraktiver machen. Mancherorts sind im Zuge des gesetzlichen Anspruchs auf einen Kita-Platz zwar neue Einrichtungen gebaut worden, aber wegen Personalmangels können sie nicht den vollen Betrieb aufnehmen.
Stimmt es, dass der Bereich SuE besonders schwer organisierbar ist?
Natürlich ist die Hürde, die Arbeit niederzulegen, bei uns höher als in einem Industriebetrieb. Wir arbeiten mit Menschen und es besteht die Gefahr, dass sich dann das Gefühl breit macht, diese im Stich zu lassen, zumal die Eltern ja tatsächlich ohne die Betreuung ihrer Kinder in Schwierigkeiten geraten. Natürlich fällt das keinem leicht. Viele Kolleginnen und Kollegen machen sich Sorgen nicht nur wegen der Kinder und der Eltern während des Streiks, sondern sie fragen sich auch, ob das Vertrauensverhältnis anschließend intakt bleibt. Das erfordert gute Argumente und viele Gespräche.
War der Streik im Jahr 2009 der erste Aufbruch?
So würde ich das nicht sagen. Schon lange haben sich Erzieherinnen und Sozialarbeiter an Warnstreiks und Streiks beteiligt. Allerdings ist die Streikbereitschaft unter den Kolleginnen und Kollegen im SuE-Bereich in den vergangenen Jahren gewachsen, nicht zuletzt wegen der ständig steigenden Anforderungen im Beruf.
Viele der gewerkschaftlich organisierten Kolleginnen und Kollegen meinen aufgrund der Erfahrung der Streikbewegung von 2009, dass es effektiver ist, flächendeckend ohne Unterbrechungen in einen Streik zu gehen. Denn die »Schaukelstrategie« von damals hat dazu geführt, dass es eine wechselnde Streikbeteiligung gab und wir jedes Mal aufs Neue für den nächsten Streiktag mobilisieren mussten. Damit war auch verbunden, dass der Effekt einer sich steigernden Dynamik behindert wurde. Zudem standen die Sommerferien bevor, und die meisten meinten, dass es schwer sein würde, die Auseinandersetzung danach wieder aufzunehmen oder entscheidend zu steigern.
Was können wir in den kommenden Wochen erwarten?
Nach der schroffen Abweisung seitens der kommunalen Arbeitgeber wird es jetzt Anfang Mai zu einer Urabstimmung und sehr wahrscheinlich dann zu Streiks kommen. Die Arbeitgeber versuchen die Beschäftigten als maßlos hinzustellen. Sie sagen, sie hätten »kein Verständnis für Streiks zu Lasten von Kindern und ihren Eltern«. Bislang sind sie zu keinen deutlichen Zugeständnissen bereit.
Wie ist die Stimmung an der Basis?
Die Unzufriedenheit und die Bereitschaft zu streiken sind sehr groß. Am 20. April haben 6500 Warnstreikende aus Hessen und Thüringen vor dem Verhandlungsort in Offenbach demonstriert. Dort war der überwiegende Teil der kommunalen Kitas dicht. In Hanau lag die Beteiligung am Streik bei achtzig Prozent. Die Situation ist nicht überall gleich. In Frankfurt beispielsweise ist noch viel Mobilisierungsarbeit zu leisten.
Was kann man tun, um euch zu unterstützen?
Ganz einfach: Die Protestaktionen unterstützen, Öffentlichkeitsarbeit machen. Denn darauf wird es im Streikfall besonders ankommen, damit sich die öffentliche Meinung sich nicht gegen uns wendet. Bisher ist mein Eindruck, dass unsere Tarifauseinandersetzung eher positiv wahrgenommen wird. Auch die Reaktionen der Kitaeltern fallen bisher überwiegend unterstützend aus.
Die Fragen stellte David Paenson.
Foto: Jonas Priester
Foto: Jonas Priester
Schlagwörter: Erzieherinnen, Frankfurt, Gewerkschaft, Hessen, Kita, Kita-Streik, Streik