Konzerne, Gewerkschaften und Regierung sollen im sogenannten Transformationsrat zusammenkommen und gemeinsam das Klima retten. Doch das Modell hat Tücken, meint Jürgen Ehlers
Die Versprechen, dass sich Klimaschutz und Profitstreben im Kapitalismus zum Wohle aller miteinander vereinbaren lassen, haben derzeit Hochkonjunktur. Ein Instrument, um dieses Versprechen einzulösen, sind sogenannte Transformations- und Nachhaltigkeitsräte, in denen Unternehmerverbände, die Gewerkschaften, die Agentur für Arbeit und Regierungsvertreter zusammen sitzen. Die verschiedenen Modelle, die dazu zur Diskussion gestellt werden, variieren. Sie unterscheiden sich vor allem darin, ob überhaupt und wenn ja, welches Gewicht der Klimaschutzbewegung eingeräumt wird.
Das Modell Transformationsrat
Gemeinsam ist allen Modellen das Versprechen, dass das Streben nach Profit, als Motor von wirtschaftlichen Entwicklungen im Kapitalismus, nicht grundsätzlich in Frage gestellt werden muss. Über allem schwebt die Hoffnung, endlich Ökologie und Ökonomie zum Wohle aller miteinander versöhnen zu können (Lies hier den marx21-Artikel: Klimaschutz – Ist grünes Wachstum die Lösung?). So wie es auch in der Präambel zur Gründung des Transformationsrat in Rheinland-Pfalz versprochen wird: »Die Landesregierung und die Partner aus Gewerkschaften, Landesvereinigung Unternehmerverbände Rheinland-Pfalz, Kammern und der Regionaldirektion Rheinland-Pfalz-Saarland der Bundesagentur für Arbeit sind sich einig, dass […] Strukturwandel nur in einem geeinten Vorgehen bewältigt werden kann. […] Unser gemeinsames Ziel ist es, die Beschäftigten und die Unternehmen in Rheinland-Pfalz zu Gewinnern der Transformation zu machen. […] Für eine erfolgreiche Transformation sind Qualifizierung, Aus- und Weiterbildung, Forschung, Innovation und Investitionen sowie ein erfolgreicher ökologischer Wandel hin zu einer sicheren, bezahlbaren und nachhaltigen Energieversorgung und nachhaltigen Kreislaufwirtschaft von besonderer Bedeutung.«
Der Transformationsrat und seine Grenzen
Der Chemie-Riese BASF beispielsweise, der in Rheinland-Pfalz seinen Hauptsitz hat, wird versuchen über die Beziehungen zur Landesregierung und durch Einspannen des Betriebsrates für seine Interessen, die zukünftige Energieversorgung seines Stammwerkes in Ludwigshafen mit billigem Strom und Wasserstoff sicherzustellen. An der Produktpalette und an dem Ziel, möglichst billig und möglichst viel auf dem Weltmarkt zu verkaufen, wird sich aber überhaupt nichts ändern. Die Entscheidung, ob weiterhin in großem Maßstab Unkrautvernichter hergestellt und auf den Markt gebracht werden, die in den Monokulturen der konventionellen Landwirtschaft weltweit eingesetzt werden, trifft nicht der Transformationsrat, sondern das Unternehmensmanagement. Das gilt auch für alle anderen betrieblichen Belange, die Einfluss auf den Profit und den Börsenkurs eines Unternehmens haben.
Keine gemeinsamen Interessen
Den im Gründungspapier beschworenen Geist gemeinsamer Interessen gibt es so wenig, wie es andere Gespenster gibt. Die Entlassungspläne in der Automobil- und deren Zulieferindustrie, die sich bereits mitten im Transformationsprozess vom Verbrennungsmotor hin zum elektrischen Antrieb befinden, zeigen eindrücklich die Grenzen dieser »gemeinsamen Interessen«. Allein bei Continental, dem zweitgrößten Automobilzulieferer weltweit, sollen insgesamt 30.000 Jobs wegfallen, davon fast die Hälfte in Deutschland. Mehr als eine Milliarde Euro sollen dadurch ab 2023 jährlich eingespart werden. Die Reaktionen von sozialdemokratischen Gewerkschaftsführern und Politikern auf diese Pläne drücken ihre Enttäuschung darüber aus, vom Management nicht ernst genommen zu werden. Dabei ist das schon immer so gewesen, wenn es für die Kapitalist:innen darauf ankommt, ihre Profite zu sichern. Michael Vassiliadis, Chef der IG BCE, beklagte sich: »Continental hat die gesamte Mannschaft vor den Kopf gestoßen, die eigene Unternehmenskultur beschädigt und die betriebliche Mitbestimmung mit Füßen getreten.« Währenddessen zeigte sich Hubertus Heil als sozialdemokratischer Arbeitsminister »irritiert über das Ausmaß der Sparmaßnahmen.«
Leere Versprechungen
Das Vorgehen von Continental reiht sich in die zahllosen Erfahrungen ein, die in der Vergangenheit immer wieder bei Massenentlassungen und Betriebsschließungen in Ost und West gemacht worden sind. Das, was heute mit Blick auf den Klimaschutz als Transformationsprozess diskutiert wird, hieß früher Strukturwandel. So wie er im Ruhrgebiet stattgefunden hat oder nach der Wiedervereinigung in der DDR, in keinem Fall sind »blühende Landschaften« entstanden. Aber immer waren diese großen Veränderungen mit dem Versprechen verbunden, dass eine Entwicklung in den betroffenen Regionen initiiert wird, die die wegfallenden Arbeitsplätze ersetzt. Das hat nie funktioniert, weil auch hier auf marktwirtschaftliche Instrumente gesetzt worden ist, indem riesige Subventionen aus Steuermitteln in die Kassen von Investoren geflossen sind, die in jedem Fall gut für deren Bilanzen waren, aber keinesfalls für alle Beschäftigten in den betroffenen Regionen.
Ökologischer Kapitalismus?
Der Grund für das Scheitern, einen ökologisch ausgerichteten Kapitalismus zu etablieren, ist ein offenes Geheimnis. Immer wieder haben die jeweiligen nationalen Regierungen mit Blick auf die internationale Konkurrenzfähigkeit viele Ausnahmeregelungen zugestanden – so wie bei der CO2-Besteuerung. Der Widerspruch zwischen den Profitinteressen und dem Klimaschutz ist keineswegs aufgelöst worden. Trotz des Scheiterns des Ansatzes die Profitinteressen und den Klimaschutz zu versöhnen, lobt der DGB den Koalitionsvertrag der Ampel-Koalition für das darin formulierte Versprechen, den Kapitalismus zum Wohle aller ›begrünen‹ zu wollen. »Sie bekennt sich zu einer sozial-ökologischen Marktwirtschaft, in der die Rolle des Staates durchaus als aktiv und gestaltend bezeichnet werden kann. Dass gute Arbeit und industrielle Wertschöpfung in der Transformation gesichert werden sollen, ist in jedem Fall zu begrüßen.«
Wer den Klimaschutz ernst nimmt, der muss davon ausgehen, dass sich soziale und ökologische Interessen auf der einen und Kapitalinteressen auf der anderen Seite nicht versöhnen lassen. Es bleibt keine Zeit, weiter an politischen Instrumenten festzuhalten, die das versprechen. Der Verlust von 100.000 Arbeitsplätzen in der Solarindustrie und von weiteren 30.000 in der Windindustrie in den letzten Jahren sind mit der Erfahrung verbunden, dass auch in den ›grünen‹ Branchen mit harten Bandagen um Profit gekämpft wird und politische Rahmenbedingungen nicht die Sicherheit bieten, die sie versprechen. Das hat sich herumgesprochen. Das Misstrauen, dass der sozial-ökologische Umbau der Industrie in Deutschland zu Lasten der Beschäftigten gehen wird, ist dort besonders groß, wo die Menschen mit einschneidenden Veränderungen bereits einschlägige Erfahrungen gemacht haben.
Die Rolle der Linken
Die Linke muss den Kampf um einen Klimaschutz aufnehmen, bei der die sozialen Belange der Menschen nicht auf der Strecke bleiben. Es mangelt nicht an gut gemeinten aber wirkungslosen Konzepten, wie der folgende Beitrag in ›Sozial, Ökologisch und Demokratisch – LINKE Industriepolitik in Zeiten der Krise‹ zeigt: »Da der politische Einfluss auf die Finanzpolitik von progressiven Akteur:innen, wie NGOs, sozial-ökologischen Parteien und Gewerkschaften dem Einfluss der export- und finanzorientierten Kapitalfraktionen unterlegen ist, muss eine Allianz geformt werden, die bereit ist, die Durchsetzungsfähigkeit auch durch den Kampf um eine gesellschaftliche Hegemonie für eine progressive Industriepolitik, die auf eine tiefgreifende Veränderung der Wirtschaftsstruktur abzielt, zu erreichen. Eine im Sinne der sozial-ökologischen Transformation wünschenswerte Industriepolitik nutzt horizontale und sektorale Instrumente, ist nachfrage- und angebotsorientiert, zielt auf Kooperation statt Konkurrenz und vereint eine ökologische Modernisierung des Wertschöpfungsprozesses mit selektivem Wachstum. Die Instrumente einer transformativen Industriepolitik zeichnen sich durch einen starken Eingriff in den Markt aus und zielen auf die Bewältigung der sozial-ökologischen Herausforderungen.«
Es wird keinen grünen Kapitalismus geben
Die alles entscheidende Frage, die hier aufgeworfen, aber nicht beantwortet wird, ist die, wie der »Kampf um eine gesellschaftliche Hegemonie« geführt und gewonnen werden kann (Lies hier den marx21-Artikel: Welche Strategie für die Klimabewegung?). Die Ausbeutung der menschlichen Arbeitskraft und der Natur sind die Grundlage der kapitalistischen Profitwirtschaft. Dieses Übel muss beseitigt werden. Das festzuhalten, ist wichtig, um sich vor Illusionen zu hüten. Die Aussage hingegen, dass es mit der Industriepolitik der Linkspartei um »eine ökologische Modernisierung des Wertschöpfungsprozesses mit selektivem Wachstum« gehen soll, ist nicht mehr als der schon mehrfach gescheiterte Versuch, den Kapitalismus mit dem Klimaschutz zu versöhnen. Alle diese Versuche haben sich im Säurebad der kapitalistischen Konkurrenz aufgelöst. Das Streben nach Profitmaximierung lässt keine Kompromisse zu.Wir dürfen aber nicht dabei stehen bleiben, das immer wieder festzustellen. Die Gewerkschaftsbewegung muss wieder in die Offensive kommen, die Klimagerechtigkeitsbewegung kann da in Ausnahmefällen eine wichtige Hilfe sein. Die dazu notwendigen Veränderungen in den Gewerkschaften müssen aber von deren Basis selbst initiiert werden. Dafür gibt es keinen Ersatz. Die LINKE kann da einen wichtigen Beitrag leisten. In ihren Reihen befinden sich viele engagierte Hauptamtliche, aber auch ehrenamtlich tätige Mitglieder, die Veränderungen wollen.
Eine sozialpartnerschaftliche Klimapolitik wird scheitern
Der Anspruch ist da, etwas zu verändern. Die Umsetzung wird aber nur gelingen, wenn das Stellvertretertum und die Trennung von gewerkschaftlichen und politischen Forderungen endlich beendet werden. Dabei kann der Kampf für den Klimaschutz helfen, denn viele Gewerkschaftsmitglieder gehen mit der Klimagerechtigkeitsbewegung auf die Straße und beweisen dadurch bereits jetzt, dass es einen gemeinsamen Kampf für soziale und ökologische Belange geben kann. Das ist die entscheidende Voraussetzung, um einen erfolgreichen Weg zu beschreiten, der dazu führt, die Ausbeutung der menschlichen Arbeitskraft und der Natur zu beenden.#
Sackgasse Transformationsrat
Der mit dem Transformationsrat vorgeschlagene Weg wird sich als Sackgasse erweisen. Uns bleibt keine Zeit, die schlechten Erfahrungen, die mit der Sozialpartnerschaft bereits gemacht worden sind, zu ignorieren und durch neue zu ergänzen. Es ist an der Zeit, neue Wege zu gehen, die sowohl ohne Zugeständnisse an den Klimaschutz, als auch an die sozialen Belange der Beschäftigten auskommen. Das ist nur möglich, wenn dafür gekämpft wird, dass der Profit als Maßstab allen Handelns seine Bedeutung restlos verliert.
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Schlagwörter: DIE LINKE, Gewerkschaft, Gewerkschaften, Klima, Klimabewegung, Klimakrise, Klimapolitik, Klimaschutz