Die Beschäftigten des Klinikum Augsburg sind nicht nur aktiv für »Mehr Personal«, sondern engagieren sich auch gegen die drohende Abschiebung ihres Kollegen Anwar Khan Safi. Wir haben mit Benjamin, der als Krankenpfleger in der Klinik arbeitet, über Anwar, die drohende Abschiebung und den Arbeitskampf gesprochen
Benjamin, unter dem Motto »Mehr Personal auch nach der Wahl« sind am Montag nach der Bundestagswahl mehr als 300 Beschäftigte des Klinikums Augsburg in einen Warnstreik für Entlastung und mehr Personal getreten. War die Aktion ein Erfolg?
Auf jeden Fall. Es war schön zu sehen, dass viele der Kolleginnen und Kollegen dem Aufruf gefolgt sind. Das zeigt, dass die Pflege sich nicht mehr ausnutzen lassen will. Ich sehe ebenfalls die Beteiligung von anderen Berufsgruppen des Klinikums als Erfolg an. Das lässt auch eine große Solidarität unter den verschiedenen Beschäftigungsgruppen erkennen.
Ihr habt auch nach dem Vorbild der Berliner Charité Betten- und Stationsschließungen durchgesetzt. Wie wichtig ist das für die Entlastungsbewegung?
Nur durch einen Betten- und Stationsschließungsstreik kann ein Druck auf den Arbeitgeber ausgeübt werden, der zu Veränderung führt. Um ein Umdenken der Klinikleitung zu erreichen, muss man den ökonomischen Druck erhöhen. Wenn die Klinik alle Betten belegen kann, wird sie dies auch tun. Unabhängig von der personellen Besetzung und ob es sich um einen Streiktag handelt oder nicht. Kliniken werden als Wirtschaftsunternehmen geführt und müssen von den Beschäftigten im Streik auch so behandelt werden. Jeder Streik im Krankenhaus, egal ob um Entlastung oder Gehalt, kann nur erfolgreich nach dieser Methode geführt werden. Die Personalsituation ist so dünn, deshalb brauchen wir die Streikmethode. Sie sollte in ver.di zum Standard erklärt werden. Keiner sollte mehr Notdienstvereinbarungen unterhalb dieses Standards abschließen müssen.
Bemerkenswert fanden wir ein Transparent: »Keine Klinik ohne Anwar«. Was hat es damit auf sich?
Unser Kollege Anwar Khan Safi kommt aus Afghanistan und ist jetzt nach seiner Ausbildung als Krankenpflegehelfer von Abschiebung bedroht. Die Kolleginnen und Kollegen haben sich vereint dafür ausgesprochen, dies nicht zuzulassen.
Was ist Anwars Geschichte?
Anwar ist 2014 aus seiner kriegszerstörten Heimat Afghanistan nach Deutschland geflohen. Während seines Asylverfahrens lernte er fließend Deutsch und hat 2016/17 im Klinikum Augsburg erfolgreich eine einjährige Ausbildung zum Krankenpflegehelfer absolviert. Er konnte sich voll integrieren.
Seit August 2017 ist Anwar am Klinikum angestellt und wird von seinen Kolleginnen und Kollegen sehr geschätzt. Er engagiert sich darüber hinaus seit über zwei Jahren als ehrenamtlicher Sanitäter bei den Johannitern in Augsburg. Er hat bereits die Zusage, ab 1. Oktober diesen Jahres die fachlich höherwertige Ausbildung am Klinikum zum Gesundheits- und Krankenpfleger beginnen zu können. Die nun drohende Abschiebung würde Anwars Zukunftsperspektive zunichte machen.
Was denkst du über Anwars drohende Abschiebung?
Ich persönlich kann nicht verstehen, wie ein reicher Staat wie Deutschland Menschen in ein Land schickt, in dem noch immer Krieg herrscht. Die deutsche Regierungspolitik und die seiner Bündnispartner tragen die Hauptverantwortung für die »Flüchtlingskrise«. Ich meine: Es ist unsere Pflicht, diesen Menschen unsere Hilfe zu geben.
Wie haben die Kolleginnen und Kollegen das aufgenommen? Wurde das als Ablenkung von dem Anliegen »Mehr Personal angesehen«?
Nein. Es ist doch absurd! Obwohl unsere Gesellschaft dringend Fachkräfte braucht, soll jetzt eine Pflegekraft abgeschoben werden. Da schütteln alle Kolleginnen und Kollegen mit dem Kopf.
Und ver.di ist hier als Gewerkschaft aktiv geworden?
Ver.di hat reagiert und seine Solidarität für Anwar bekundet. Die Geschichte von Anwar wurde durch ver.di in die Presse getragen und hat eine Welle der Solidaritätsbekundungen aus ganz Deutschland ausgelöst. Unser zuständiger Gewerkschaftssekretär hat ebenfalls die Klinikleitung informiert. Diese hat versprochen, ihren Einfluss geltend zu machen, um Anwar das bleiben in seiner neuen Heimat zu ermöglichen.
Was plant ihr als nächstes, damit Anwar´s Abschiebung verhindert wird?
Derzeit läuft eine Petition an den Bayerischen Landtag die Abschiebung zu stoppen und dem Kollegen ein Bleiberecht zumindest für die Dauer seiner Ausbildung einzuräumen. Die Petition hat auch unter anderem der Bundesvorsitzende von ver.di, Frank Bsirske, unterzeichnet. Das ist ein wichtiger Anfang. Aber: Wir werden nichts unversucht lassen, um unseren Kollegen zu schützen. Im Notfall müssen wir gemeinsam durch zivilen Ungehorsam die Abschiebung verhindern.
In der LINKEN gibt es einige, die einen Gegensatz sehen, zwischen dem Kampf um soziale Gerechtigkeit und der Solidarität mit Geflüchteten. Wie seht ihr das nach eurer Erfahrung?
Entweder ich bin für soziale Gerechtigkeit für alle Menschen oder nicht. Eine einzelne Gruppe zu privilegieren und andere auszugrenzen, geht nicht nur gegen mein Berufsethos sondern auch gegen meine moralischen Grundsätze. Für die Staatsbürgerschaft mag es Grenzen geben, aber für die Menschlichkeit darf es keine geben.
Petition zum Download (PDF)
Schlagwörter: Krankenhaus